Oder sucht sie Bestätigung? Agnes Windeck ist übrigens nicht gemeint. Ältere Semester werden sich noch an diese erinnern. Sie saß oft in Edgar Wallace Filmen, hatte einige skurrile Sätze zu geben und fertig war die Laube. Agnes Windeck ruht schon seit 1975 auf einem Friedhof in Berlin und bleibt besonders mit dem etwas despektierlich klingenden Rollenfach der „Komischen Alten“ in Erinnerung. Wir reden aber über eine andere Agnes, ihres Zeichens eine deutsche Politikfrau der FDP. Marie-Agnes Strack-Zimmermann sitzt nicht in Edgar Wallace Filmen, sondern dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages vor. Verbal fällt sie vor allem durch einen Medien-Wettkampf mit dem Grünen Anton Hofreiter auf, wer nun zuerst einen Marschallstab bekommt. Wenn sie diesem Kräftemessen gerade nicht frönt, dann schreibt sie offenbar Briefe. Einen bekam inzwischen der Bundeskanzler. Darin fordert Marie-Agnes Strack-Zimmermann eine „Nationale-Ukraine-Konferenz“. Herrje. Welch geradezu revolutionäre und tolle Idee. Oder darf man hier schon „dolle“ schreiben? Wäre jener Brief nebst Idee nicht an Olaf Scholz ergangen, sondern an Konfuzius, hätte dieser ihr geantwortet: „Man mische sich nicht ein in die Amtsgeschäfte eines Amtes, das man nicht innehat.“ Doch Konfuzius geht es wie Agnes Windeck, er weilt nicht mehr unter uns. Was ihn immerhin von dem Übel befreit, ungebetene Briefe zu bekommen. Olaf Scholz hält einen solchen nun in Händen und könnte diesen dem beständigsten Mitarbeiter in allen Büros dieser Welt überantworten, dem „Kollegen Wolf“ – mancherorts auch Reißwolf genannt. Da sei aber Marie-Agnes Strack-Zimmermann vor, welche, bevor sie zur Post ging, den Inhalt des Briefes natürlich dort hinterließ, wo sie am liebsten unterwegs, in der Welt der Medien, damit Menschen, die Nation und der Erdkreis daran teilhaben können.
„Nationale-Ukraine-Konferenz“ geisterte natürlich am Wochenende sofort durch die so informierten Medien, die offenbar auch nichts Besseres zu tun haben. Da wir in Deutschland sind, macht entweder ein Online-Praktikant oder ein hoch bezahlter Redakteur der ARD Tagesschau daraus umgehend einen „Brandbrief“. Immer zu dicke, immer zu dumm. Marie-Agnes Strack-Zimmermann will also mit ihrem Brief entflammen, das heißt, es sollen zu ihrer „Nationalen-Ukraine-Konferenz“ Vertreter aus Politik, dem Bundeskanzleramt, der Rüstungsindustrie, den Gewerkschaften und der Bundeswehr an einem Tisch zusammenkommen und weitere Schritte abstimmen. Stellt sich dabei nicht sofort die Frage, wann diese Gruppenkonstellation mal nicht zusammenkommt? Es erinnert stark an die diversen Corona-Krisenstäbe in diesem Land. In kleinen, mittleren und großen Behörden saßen über das ganze Land verteilt Menschen in Corona-Konferenzen zusammen, die sowieso schon den ganzen Tag über miteinander zu tun hatten und sich kaum noch sehen konnten. Böse Zungen meinen inzwischen, wir hätten im Land mehr Corona-Arbeitskreise als Infizierte. Die deutsche Bürokratie sozusagen am Anschlag und in Hochstimmung feierte jedenfalls fröhliche Urständ. Die latente Sitzungssucht und der Drang nach Krisenstäben und Runden an Konferenztischen ist eine deutsche Obsession. Es kommt selten etwas dabei heraus. Man muss an die Worte des britischen Historikers Cyril Northcote Parkinson denken: „Bürokratie ist die Vervielfältigung von Problemen.“
Wir haben eine Regierung, ein Parlament, diverse darin vertretende Parteien, Fraktion und Abgeordnete, deren Flure bevölkert von 4941 eingetragenen Lobbyisten, darunter natürlich die Rüstungsindustrie dicke vertreten. Dem Verteidigungsausschuss, wir sagten es bereits, sitzt Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann vor. Diese müsste nur vor ihre Bürotür gehen, da hätte sie alle beieinander, die sie nun unter dem Dach der „Nationalen-Ukraine-Konferenz“ vereinen will. Besonders apart, Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist Mitglied des Beirates der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) und Mitglied des Präsidiums Förderkreis Deutsches Heer e. V. (FKH), zwei ausgewiesene militärische und rüstungspolitische Lobbyvereine. Außerdem Mitglied der Deutschen Atlantischen Gesellschaft e. V., die den Ukrainekrieg im US-Sinn versteht und propagiert. Marie-Agnes Strack-Zimmermann sitzt also mitten drin, nur ist sie nicht Teil der Regierung, was vielleicht ein wenig an ihr zerrt, wie es an ihrem Ukraine-Partner Hofreiter auf grüner Seite zerrt. So drängelt man sich auch aus persönlichem Frust mit Kriegseifer in den Mittelpunkt, liefert den Medien Schlagzeilen, die manchmal wie Schlaglöcher wirken und bleibt im Gespräch.
Natürlich soll auch der Bundeskanzler beschädigt werden und von seinem im Verhältnis zu vielen Kriegern noch moderaten und diplomatischen Ukraine-Kurs weg gezwungen werden. Die Fanatiker der schweren Waffen, zu denen Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann zählt, wollen Scholz auf ihren Kurs bringen. Deshalb liefern sie und ihresgleichen natürlich den ähnlich gesinnten Medien, die Scholz ebenfalls auf Feldherrenkurs zwingen wollen, Futter für die Massen. Bei einer „Nationalen-Ukraine-Konferenz“ käme heraus, kein anderes Land der Welt strebt übrigens eine solche Konferenz an oder betreibt eine solche, dass weiter deutsches Geld in die Ukraine fließt und die Rüstungsindustrie sich weiterhin dumm und dämlich verdient. Beides, da darf man sicher sein, wird auch ohne Konferenz so geschehen und kommen.