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Belanglose Nachrichten und ein grandioser Film

Welche Probleme hat die Welt? Wem wird mediale Aufmerksamkeit zuteil? Jenem, der diese provoziert oder dem, der sie wirklich verdient? Bei ARD und ZDF sitzen wir angeblich in der ersten Reihe. Fragt sich nur, wobei. Das sogenannte und selbst ernannte Flaggschiff der ARD, erwachsenen Zeitgenossen als „Tagesschau“ bekannt, einst durchaus wohltuender Gegenpol zur Propagandajauche privater TV-Kanäle, steigt immer öfter auch in jene Jauchegrube. Boulevard statt Nachrichten. Äußerst exemplarisch vorgeführt am vergangenen Wochenende. Eines vorweg. Leider nicht nur die Tagesschau. Weltweit haben ehemals seriöse Nachrichtensendungen gemeinsam mit der Tagesschau im Boot der Peinlichkeit gesessen und dabei keinerlei Scham empfunden. Die dreisten Lügen und hirnlosen Taschenspielertricks eines sich auf Reisen befindlichen Millionärs aus dem Berufsstand der Tennisspieler – sein Name Novak Djokovic – nebst den dazugehörigen Ergüssen seines halbseidenen Umfeldes, waren der Hauptsendung der Tagesschau die Meldung Nr. 1 wert. Tiefer kann eine Nachrichtenredaktion kaum sinken. Zumal ausgerechnet an diesem Tag die gewaltige Druckwelle eines gigantischen Vulkanausbruchs in der Südsee rund um den Globus messbar war und dennoch nicht Einzug in jene Tagesschauausgabe fand. In Australien, wo jener mediokre Herr Djokovic sein Schmierentheater aufführte, gab es zu der Zeit in Teilen des Landes lebensbedrohliche Temperaturen von mehr als 50 Grad Celsius. Diese Hitzewellen, so der Klimarat Australiens, seien „der stille Killer in Australien, sie verursachen mehr Todesfälle als alle anderen extremen Wetterereignisse und zeitigen auch aktuell tödliche, katastrophale Folgen“. Die Redaktion der Tagesschau daran uninteressiert, belästigte uns lieber mit dem durchgeknallten Tennisspinner. Man muss halt Prioritäten setzen. Wie schon erwähnt, sehr viele der sich einst als seriös gerierenden Medien haben weltweit den dummen Zirkus eines Pausenclowns wichtiger gefunden als viele bedeutende Tagesereignisse. Bezeichnend für den Zustand von Mensch und Medien.

Australien unter todbringender Hitze. Die Aufmerksamkeit der ARD-Tagesschau gilt dennoch einem Tennisspieler.

Die Medienwelle auf dem Meer von billigem Entertainment an Stelle von wichtigen News bestätigt glänzend wie erschreckend einen sehr aktuellen Spielfilm. In der brillanten Satire „Don’t Look Up“ des Autors und Regisseurs Adam McKay steht der Untergang der Erde unmittelbar bevor, ein Komet besiegelt sechs Wochen und 14 Tage nach seiner Entdeckung unser Schicksal. So genau lässt sich heute rechnen. Allerdings hat eine verblödete und von Tittytainment beherrschte Öffentlichkeit für die Meldung in Sachen Untergang kein Ohr, kein Auge, kein Interesse, keine Zeit. Unter der Fuchtel enthemmter und skrupelloser Politiker im Zusammenspiel mit völlig verkommenen Medien, welche gemeinsam nur Spielzeug eines Moguls der Tech-Branche, geht man anderen Neigungen nach. Die Menschen haben mit sinnentleerter Unterhaltung, den öffentlichen Liebesschlammschlachten von Prominenten und Showsternchen wesentliche Dinge zu tun, an denen sie sich ergötzen und wobei sie ungern gestört werden. Weil der Irrsinn natürlich mehr Quote und Klicks als die Realität bringt, bleibt die Meldung vom Ende der Welt irgendwie stecken und jene, die sie verbreiten, werden ins Abseits manövriert oder von der dröhnenden Spaßgesellschaft verwurstet. Besonders schlecht kommen in „Don’t Look Up“ die Medien weg. Sie sind nur noch am Gegröle und an Oberflächlichkeit interessiert, schlimmster Teil eines weltweiten Showrooms der Dummheit. Journalistische Orte der Aufklärung sind ausgestorben oder mitten in der Kapitulation vor den Verhältnissen. In ihrer Masse sind Medien der Antriebsmotor der globalen Verblödung. Kommt uns alles sehr bekannt vor. Wie aus dem Leben.

Wie dämlich (wirr) sind wir Menschen eigentlich? (Foto: Berliner Häuserwand.)

Filmemacher Adam McKay hat offensichtlich einfach vom Leben abgeschrieben. Weil er genau dies tat, kommt neben den Milliardären, der politischen Klasse und den Medien eine Sorte Erdbewohner außerordentlich schlecht weg. Es sind wir alle, die diesen Planeten bevölkernden Menschen. Der Spiegel, in den McKay unseren Blick zwingt, zeigt eine besonders ekelhafte Fratze unseres Daseins. Abgestumpfte und selbstsüchtige Egomanen, von Gier zerfressen, eine grölende und sich der Blödheit ergebende Masse. So wandeln große Teile von uns auf Erden. Ähnlich dem Pöbel im alten Rom am Spektakel Freude habend und das Unglück anderer feiernd, sich um nichts scherend und sich von denen, die sich solcher Art Menschheit schuf, für alles und jedes instrumentalisieren lassen. Eine mit Rationalität und Fakten daherkommende und leicht aufbegehrende Minderheit geht im Flachsinn einfach unter. Dieser Film „Don’t Look Up“, den die Tagesschau wohl eher unbewusst in einer seiner Kernaussagen wunderbar und erschreckend zugleich bestätigt hat, ist das Ansehen allemal wert. Die oft durchwachsenen oder gar schlechten Kritiken über den Film sollten bitte nicht abhalten, ihn zu sehen. Im Gegenteil. Vorgebracht wurden diese negativen Kritiken nämlich aus dem Umfeld der Medien, welche im Film eben wirklich als das gezeigt werden, was sie längst sind, eine latente und schreiende Peinlichkeit und gigantische Verblödungsmaschinerie. Die so entlarvten und bloßgestellten Unterhaltungskübel werden daher in der Kaste ihrer „Filmkritiker“ keine guten Kritiken ordern. Der Film muss bei ihnen wie eine offene Wunde brennen und gilt schon deswegen als Feind.

Meisterwerk. Spiegel unserer kaputten Welt. (TV-Plakat: Netflix)

Das Schauspielerensemble von „Don’t Look Up“ um Meryl Streep, Jennifer Lawrence, Leonardo DiCaprio, Cate Blanchett, Rob Morgan, Timothée Chalamet hält uns und dem Zustand der Menschheit einen beschämenden Spiegel vor. Sie dabei zu beobachten ist gleichermaßen cineastischer Genuss und Blick in unsere heutige Welt. Allein Meryl Streep als Donald Trump Kopie ist jede Aufmerksamkeit wert. Übertrumpft wird selbst diese Hollywood-Ikone allerdings vom brillanten und legendären Shakespearemimen Mark Rylance. Dieser gibt eine Figur, die irgendetwas zwischen Jeff Bezos, Elon Musk, Bill Gates, Richard Branson und einem Schuss Victor Frankenstein nebst Dr. Seltsam. Atemberaubend echt entlarvt Rylance jenen Menschenschlag, der uns und diesen Planeten beherrscht und zersetzt, in der Folge dieses Tuns natürlich längst ein eigenes Überleben im Weltraum plant. Die satirische Zuspitzung von Rylance wandelt immer zwischen Entlarvung und Grauen, führt uns damit auch vor Augen, dass die Realität bei solchen Typen wohl sogar noch schlimmer daherkommt. Eine schauspielerische Meisterleistung. Irgendwann Richtung Ende spricht am Tisch der wenigen Vernünftigen, das letzte Abendmahl lässt da schon grüßen, jemand noch ein ehrliches Gebet: „Gütiger Vater und allmächtiger Schöpfer, wir bitten dich um deine Gnade trotz unseres Hochmutes…“ Natürlich hat der gütige Schöpfer längst kein Ohr mehr für die Menschen. Der Einschlag fegt die Guten mit den Idioten von der Erde und lässt uns mit dem Abspann nach dem Menschheitsfiasko noch an zwei kurzen, aber lehrreichen Menetekeln teilhaben und beweist, so es ihn geben sollte, damit durchaus Humor. Wie sagte schon Albert Einstein: „Gott würfelt nicht.“

*Titelbild: Condaknight auf Pixabay 

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