Gesellschaft

Bier her, oder ich fall um

Marco Pogo, der als Österreicher unter dem bürgerlichen Namen Dominik Wlazny im Dezember 1986 in Wien geboren wurde, gründete 2015 die Bierpartei (BIER), nicht zu verwechseln mit der Deutschen Biertrinker Partei (DBP) oder der Deutschen Biertrinker Union (DBU), die beide nur platten Stumpfsinn fabrizieren und nichtig wie unbedeutend daherkommen. Österreichs Bierpartei (BIER) ist vor allem dank ihres Vorsitzenden und Gründers Wlazny eher mit dem deutschen Satiriker Martin Sonneborn vergleichbar, der für seine Partei Die PARTEI immerhin im Europaparlament sitzt und dort als einziger Abgeordneter der EU-Kommissionspräsidentin die Leviten liest und deren völlige Unfähigkeit anprangert und öffentlich bloßstellt. Es geht auch bei Dominik Wlazny wahrlich nicht nur um Spaß oder Satire. Der Titel BIERPARTEI soll Leute aufmerksam machen und gewinnen, die im Feld Politik längst nicht mehr hinhören. Nicht, weil sie besoffen, sondern weil sie den Kanal voll haben. Allerdings nicht vom Bier, sondern von Politik und Politikern. Gegen diese wirkte und wirkt Dominik Wlazny frisch und jung, was er beides auch ist.

In Deutschland wurde eher darüber berichtet, dass Wlazny einen Bierbrunnen in Wien bauen will und nicht, dass er über Armut im Land sprach und die Ausbeutung von Frauen im Gehaltsgefüge gegenüber Männern thematisierte. Wlazny sprach im Wahlkampf vielerlei soziale Themen an, die von anderen Parteien oftmals nur mit Phrasen weggeblasen oder mit einer unverständlichen Herrschaftssprache ins Unverständliche gerückt werden, damit niemand die Realität hinter der Blendung erkennt. Da nehmen sich Österreich und Deutschland wenig. Hanebüchen der Vorwurf gegen Wlazny, typisch deutsche Medienkeule, er hätte „keine Antworten und keine Lösungen“. Kennt jemand Politiker und Parteien, die Lösungen und Antworten haben? Bitte melden! Aber nur, wer Antworten hat und nicht Talkshow-Gesülze für solche hält.

Dominik Wlazny bedankt sich bei seinen Wählern. (Twitter Wlazny)

Dominik Wlazny ließ sich von nichts und niemandem beirren und trat jedenfalls als Kandidat der Bierpartei bei den am letzten Wochenende abgehaltenen Präsidentschaftswahlen in Österreich an. Dabei schnitt er sensationell gut ab. Er wurde Dritter mit 8,4 Prozent der abgegebenen Stimmen. Vor allem kam er als jemand rüber und bei den Leuten an, der erfrischend, ehrlich und offen Wahlkampf machte, der den Menschen aufs Maul schaute und zuhörte. Mit einem Mix aus Schlagfertigkeit, Humor, Spontanität und einer intelligenten Portion Satire gewann der gelernte Musiker und Kabarettist die Besucher seiner Veranstaltungen und somit Wähler. Es waren darunter viele junge Leute, die von Politik kaum noch etwas wissen wollen, die er für sich und somit für die Politik begeisterte. Wlazny gelang etwas, was andere im Feld Politik nicht mehr zustande bringen. Seinetwegen gingen junge Menschen zur Wahl. Wlaznys über die Sozialen Medien verbreiteter Dank gibt ein gutes Bild von seinem Erfolg und über die politische Landschaft in Österreich ab:

Fertig ausgezählt: Ich hab 337.010 Stimmen bei der Präsidentschaftswahl erhalten. Das ist unglaublich. Ich freu‘ mich extrem. Vielen Dank! DANKE! Ich bin überwältigt. Ich bin 3. dieser Wahl geworden, in Wien hab ich nach Van der Bellen den 2. Platz noch vor der FPÖ. Bei den Unter-30-Jährigen hätt‘ es sogar eine Stichwahl zwischen mir und Alexander Van der Bellen gegeben. (Twitter: Dominik Wlazny.)

Bild von Wokandapix auf Pixabay.

Der Österreicher Wlazny hat gezeigt, wie es geht, Feuer unter den behäbigen Hintern der etablierten und eingesessenen Politikkaste zu entfachen. Dies zum Wohlgefallen vieler Bürgerinnen und Bürger. Kaum hat jedoch jemand Erfolg und bricht in die Erbhöfe des politischen Establishments ein, verschärfen sich Tonlagen und Angriffe gegen solche Eindringlinge und Störenfriede der politischen Landschaft. Etikettenschwindel, kein Programm, Oberflächlichkeit und Gefahr für die Demokratie klingen da die kleinen und großen Geschosse der Herabsetzung. Sogar der Name BIERPARTEI wird ins Visier genommen, ist angeblich Beleg für zu wenig Ernsthaftigkeit. Ehrlich? Könnten nicht Spaßnamen eher Garant für Aufmerksamkeit sein, nach der in unserer Marketing- und Medienwelt doch alles strebt? Parteien werden von PR- und Kommunikationsberatern durchgeschüttelt und oft ins Verderben beraten. Überzeugende und charismatische Köpfe von Format fehlen an allen Ecken, daher kommt der politischen Klasse mehr und mehr das Volk abhanden.

In Österreich wie in Deutschland betreiben doch gerade die etablierten Politikinstitutionen der Parteienlandschaft ihren Etikettenschwindel schon mit der Kernbotschaft ihrer Parteinamen. Die SPD ist nicht mehr sozialdemokratisch oder auf der Seite der sozial Schwachen, die CDU und die CSU haben oft bewiesen, dass sie nicht unbedingt Freunde christlicher Nächstenliebe. Die FDP ist neoliberal und nicht liberal, begreift den fundamentalen Unterschied allerdings nicht mehr. Grüne sind mit dem Panzer über die Sonnenblume gerollt. Linkspartei und AfD wirken abgestanden und wie Angler am Rand trüber Seen. Links ist die Linkspartei jedenfalls so wenig, wie die AfD eine Alternative. Sämtliche Parteien im Deutschen Bundestag könnten im Namen durchnummerieren. Neoliberal I bis VI wäre näher an der Wahrheit. Es ist überhaupt nicht auszuschließen, dass auf dem politischen Wahrnehmungsmarkt der Bürger jenes Wort Bier mittlerweile einen höheren Glaubwürdigkeitsfaktor besitzt und vermittelt als die Begriffe christlich, sozialdemokratisch, liberal und grün es noch vermögen. Deshalb offensichtlich lieber Bier, sofern Bier auch drin wo Bier draufsteht. Na dann Prost. Es bleibt jedoch kompliziert, ob nun nüchtern oder angeheitert. Das wusste schließlich schon Bertolt Brecht, der übrigens auch gerne ein Bier trank, was wohl seiner bayerischen Herkunft geschuldet:

Wäre es da
Nicht doch einfacher, die Regierung
Löste das Volk auf und
Wählte ein anderes?

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