Gesellschaft

Und nun?

In der FAZ kritzelt eine Korrespondentin des Hauses, mit Sitz in Nordamerika (So tituliert die FAZ ihr Personal selbst.), deshalb wohl auch für die UN zuständig: „Klarer hätte die Botschaft an Putin kaum sein können.“ Damit will sie den gutbürgerlichen wie wohlig konservativ orientierten Lesern vermitteln, dass die „Weltgemeinschaft“ – die Korrespondentin benutzt dieses Wort – noch nicht „kriegsmüde“ und weiter in „Solidarität“ mit der Ukraine. Auch „kriegsmüde“ und „Solidarität“ stammen aus der Feder dieser Welterklärerin. 143 von 193 Mitgliedern der UN-Vollversammlung haben die Annexion vier weiterer ukrainischer Gebiete durch Russland in einer Resolution verurteilt. Deshalb ist die Korrespondentin mit Sitz in Nordamerika guter Dinge, dass die Kriegsbegeisterung der Weltgemeinschaft anhält. Klar ist natürlich überhaupt nichts, die Welt malt sich anders als im Kopf einer Korrespondentin mit Sitz in Nordamerika. Mit solchen Abstimmungen lassen sich Haare fettig schmieren, aber keine Politik machen. Weil eine Frage unbeantwortet im Raum bleibt: Wie weiter? Indien und China haben sich erneut enthalten, viele der Staaten, die Putins Russland verurteilen, haben außerhalb dieser Abstimmung offenbar keinerlei Probleme mit den Russen, nehmen wir nur Erdoğans Türkei oder Staaten in Afrika, Mittel- und Südamerika. Aber die Ukraine hat nun ein sie unterstützendes Abstimmungsergebnis, welches in seiner Wirkung, Tragweite und Bedeutung an die Ukrainefähnchen erinnert, die Menschen ihrem Twitteraccount beifügen. Richtung nichtig. Derweil weitet Putin den Krieg aus und intensiviert Kampfhandlungen. Unter Militärs ist aktuell schon die schreckliche Rede in der Tonart im Umlauf, „jetzt führen die Russen richtig Krieg“, was alles, nur kein gutes Zeichen. Dringend gesucht werden Diplomaten, die ihr Handwerk verstehen und nirgends in Sicht. Trübe Aussichten, UN-Resolution hin oder her. Der chinesische UN-Botschafter Geng Shuang als Vertreter eines Global Player Staates sagte auf der Sondersitzung der UN-Generalversammlung zur Ukraine am Mittwoch so sachlich wie emotionslos:

Es ist jetzt dringend, die beteiligten Parteien anzuweisen, Zurückhaltung zu üben, zu verhindern, dass die Konfrontation außer Kontrolle gerät, um die Situation zu deeskalieren.

In großen Tragödien wabert auch immer ein Stück Farce. Die neue britische Premierministerin Liz Truss war gerade erstmals beim neuen König zur wöchentlichen Audienz. Altes Ritual britischer Politik. Außerdem wetteifert Truss mit sich selbst, ob sie zuerst Großbritannien ruiniert oder die Tories. Britische Köpfe der klügeren Art auf der Insel meinen, das Duell geht Remis aus. Also mit einem doppelten Ruin. Derweil twittert Liz Truss, wobei wir damit wieder in der UN-Generalversammlung landen:

Heute stehen 143 Länder vereint in der Verurteilung von Putins illegalen Versuchen, vier Regionen der Ukraine zu annektieren. Vereint gegen die feindseligen Aktionen Russlands ist das Votum der @UN Generalversammlung ein klares Zeichen dafür, dass Putin auf der internationalen Bühne isoliert ist. Wir stehen zur Ukraine.

Wiederum zu Liz Truss twittert einer der edelsten Journalisten Großbritanniens, die es immer noch gibt. Kevin Maguire, einst Chefreporter des Guardian, heute Mitherausgeber des Daily Mirror und meinungsstarker Kolumnist, überzeugter Anhänger einer britischen Republik und Sunderland-Fan in Sachen Fußball, ist gerade auf Familienbesuch in Vietnam, welches sich übrigens wie China und Indien bei der UN-Resolution enthalten hat. Via Twitter lässt sich Kevin Maguire wie folgt vernehmen:

Guten Morgen, Vietnam. Hoffentlich stürzt das verachtete Truss-Regime in Großbritannien nicht, bevor ich von einem Besuch bei meinem Sohn Ho Chi Harry zurück bin.

Passende Schlussworte, denen nichts hinzuzufügen. (Beim Tempo von Liz Truss wünschen wir Kevin Maguire auf jeden Fall eine noch rechtzeitige Heimkehr.)

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