Gesellschaft

Bomber der Nation

Nein, nein, nein, die Rede gilt hier nicht dem legendären Torjäger Gerd Müller oder dem ehemaligen britischen Luftmarschall Sir Arthur Harris. Der eine schoss viele Tore für Deutschland, der andere ließ viele Bomben („Bomber-Harris“) auf selbiges werfen. Wer mit dem Meißel schreibt, der hat keine Handschrift, so meinte der Dramatiker Heiner Müller und bezog sich auf die Antike. Wer in der Neuzeit wie ein Meißel redet, der macht vernehmlich Krach, womit wir bei Anton Hofreiter wären, dem Drummer der deutschen Bellizisten-Band, die derzeit lärmend unser Land bespielt. Am Bass dieser Krachtruppe kann man sich gut die Agnes Windeck der FDP vorstellen, welche gern unter ihrem politischen Tarnnamen Marie-Agnes Strack-Zimmermann Geräusche macht und einen sehr euphemistischen Titel durchs Land trägt, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages. Dabei sollte der Ausschuss in der Tonlage benannt werden, in der diese Dame ihr garstiges Politlied singt, also besser Vorsitzende des Kriegsausschusses. Es stünde ihr passender zu Gesicht. Zurück zu Anton Hofreiter, unserem Bomber der Nation. Der gibt augenblicklich laut wie vernehmlich und optisch präsent, den Bellizisten und drängelt sich dabei in das Bewusstsein der Deutschen. Transporteure seiner Meinungen, die eher als Tiraden daherkommen, lassen sich finden. Die Kriegspartei in Deutschland ist riesig und volle Elan. Sie rekrutiert sich bunt aus den Medien, Social-Media-Hohlköpfen, den Grünen, den Rechtskonservativen der CDU/CSU und natürlich den Neoliberalen wie den Ewiggestrigen. In ihrer Masse fast eine Heeresgruppe. Selbstverständlich, sie dürfen nicht fehlen, Teile von SPD und FDP mit dabei. Ein versierter Außenpolitiker wie Rolf Mützenich, der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, beklagt händeringend die aktuell militaristisch aufgeheizte Stimmung im Land und bedauert die Auslassung von diplomatischen Wegen wie das Gekeife nach Waffen, neudeutsch schwere Waffen“ getauft. Allein, es hört ihn keiner. Außer Diffamierungen und Herabsetzungen erntet er mit seinen Wortmeldungen aktuell nur Pein. Die Bühne gehört den Bellizisten. Unter ihnen spielt Anton Hofreiter seinen Part, als schiene die Sonne von Austerlitz auf sein Haupt.

Schwere Waffen im Nebel der Geschichte. (Screenshot aus Doku: The Unknown War)

Eine unser Land erfassende, sich epidemieartig vermehrende Militärformation führt im Souffleurkasten einen gewissen Herrn Melnyk mit. Mit dem ist wahrlich nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren. Also braucht es, sobald jene Militärformation zur Heeresgruppe angewachsen, einen natürlichen Anführer, der durch seine vielfältigen Gaben hervorsticht. Hier wird nicht an Norbert Röttgen oder Annalena Baerbock gedacht, die wahrlich auch gute Krieger, aber doch nicht so versiert wie der einzig eine. Es kann dafür selbstverständlich nur einen wahren Überflieger geben. Früher kam der Weltgeist zu Pferde, jetzt eben in der Person von Anton Hofreiter als Militärgenie per Mikrofon zu Fuß. Dessen jüngste Einlassung in reinster Melnyk-Prosa „Scholz ist Merkel sehr ähnlich, das ist das Problem.“ (Hofreiter sagt immer Scholz oder Herr Scholz, als hätte Hofreiter mit dem Amt Bundeskanzler schon Pläne.) Umgehend schiebt sich sofort die Frage vor das geistige Auge, wem ist eigentlich der Vergleichsanalyst Anton Hofreiter ähnlich? Einem Narren? Der blutrünstige Heinrich VIII. hatte mehr Hofnarren als Frauen. Während er den Gattinnen gerne die Köpfe abschlug, gab’s für die Narren eher einen lebenserhaltenden Fußtritt vor die Tür mit schneller Neubesetzung. An Narren mangelte es nie. Die ausgedienten Spaßmacher wanderten dann ruhelos über das Land. Dort gaben sie ihre Narretei auf Straßen, Marktplätzen, in Pubs und Schenken zum Besten. Von Kindern wurden sie singend aus der Stadt begleitet. Manchmal flog ein Ei an ihren Kopf. Der berühmteste Narr ist sicher der von Shakespeare für den King Lear erdachte. Mit dem Part würde Hofreiter auf jeder Bühne eine Glanzvorstellung hinlegen. Jener Narr geistert am Ende angstbeladen mit einem verrückt geworden Herrscher bei Regen, Blitz und Donner über die Heide, um etwas später aus dem Stück und der Aufführung zu verschwinden. Er war mit seinen Späßen dem Wahnsinn zu lange in Richtung Verderben gefolgt. Lässt sich über Anton Hofreiter anderes, schlechteres ober besseres sagen?

Kanzlergegner Hofreiter. Feldherr? Narr? Dummschwätzer. Politisches Genie? (Screenshot Reuters TV)

Anton Hofreiter hat den Marschallstab längst im Tornister, fühlt sich zu sehr viel Höherem berufen. Wir sehen Anton H. jedoch eher im Film vollendet und nicht so sehr auf der Bühne oder gar dem Feldherrenhügel. Da er täglich in vielerlei Medien den Ludendorff gibt, ist seine Liebe zum militärischen Handwerk natürlich erkennbar. Wenn in Frankreich aus einem Leutnant ein Kaiser und Schlachtenlenker werden konnte, so darf doch wohl in Deutschland ein diplomierter Landwirt vom Kriegshandwerk und höheren Weihen träumen. Wer einen Säbel hat, der will auch mit ihm rasseln. Dennoch wagen wir vorerst noch einen Blick, der mehr der Leinwand gilt und weniger dem Schlachtfeld. Wie unser Anton also Merkel und Scholz in einen Topf wirft, verrühren wir ihn für ein Gedankenspiel mit Stanley Kubrick. Der Filmemacher und Regisseur Kubrick war allerdings in seinem Fach ein Genie, was sich über unseren Anton nun wirklich nicht sagen lässt. Kubrick möge also diese Spielerei von seinem Platz im Kinohimmel verzeihen. Aber Satire, danke lieber Kurt Tucholsky, darf ja bekanntermaßen alles. Schon landen wir also mitten in Kubricks legendärem Film ‚Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben‘, in der zwei auffallend an unseren Anton Hofreiter gemahnende Rollen zu besetzten wären, gäbe es den törichten Versuch einer heutigen Neuverfilmung.

Brigadegeneral Ripper befiehlt den Atomkrieg. (Screenshot: Dr. Seltsam, Rechte: Stanley Kubrick)

Eine passende Rolle für Anton H. sticht sofort ins Auge. In Kubricks Streifen aus dem Jahr 1964 haben wir zuerst den irren Brigadegeneral Jack D. Ripper im Angebot, der Angst vor dem Wasser der Russen hat und vor allem Furcht vor dem Entziehen seiner Säfte durch Frauen und Kommunisten. Dieser Furcht ins Auge blickend, sendet er unter Auslassung aller Befehlsketten sämtliche B-52 Atombomber der USA Richtung Russland, dem Feind und seiner Angst ein Ende zu bereiten. Ripper, dargestellt vom fantastischen Sterling Hayden, die Schauspieltrauben hängen hoch für unseren Anton, erschießt sich später auf dem Klo, um den Rückholcode mit ins Grab zu nehmen. Seine angeschobene Tat ist da schon im unaufhaltsamen Gange. Jene Ripper-Tat rückgängig zu machen, befeuert im weiteren Verlauf des Films eine der besten jemals gedrehten Satiren. Ein filmisches Meisterwerk. Der General Ripper also eine tolle Rolle für Hofreiter, wenn da nicht eine wirkliche Paraderolle wäre, Major ‚King‘ Kong. Dieser ist Kommandant eines Bombers und wird gespielt von Slim Pickens. Dennoch wirkt diese Rolle wie für Anton Hofreiter gemacht. Zum Ende des Films, die zerstörte Kommunikation und ausfallende Bordelektronik machen es nötig, sitzt selbiger Major Kong auf der Rakete im Bombenschacht und werkelt an allerlei Kabelzeug. Seine Besatzung drückt derweil ahnungslos den Auslöser über dem Zielgebiet im tiefsten Russland, Befehl ist Befehl.

Ab durch die Mitte. Major Kong schlägt gleich ein. (Screenshot: Dr. Seltsam, Rechte: Stanley Kubrick)

Das Unheil nimmt seinen Lauf und löst einige der spektakulärsten Finalsequenzen der Kinogeschichte aus. Major Kong reitet auf der phallusähnlich wirkenden Bombe in den Abgrund und schlägt in sein russisches Ziel ein. Dabei schwenkt er seinen Cowboyhut und brüllt laut yee-haw. Von ihm darüber hinaus nichts weiter zu hören. Wen wundert es? Währenddessen springt in Washington im dortigen Atombunker der Regierung jener wissenschaftliche Chefberater für nukleare Fragen, D. Seltsam, der den Filmtitel ziert, aus seinem Rollstuhl und ruft unter den Augen des US-Präsidenten „Mein Führer, ich kann wieder gehen!“. (Nicht schwer zu erraten, dieser Herr diente ganz offenkundig schon den Nazis.) Unmittelbar darauf wird die Erde mit Atomexplosionen überzogen. Durch Major Kongs Einschlag wurde nämlich die Weltvernichtungsmaschine ausgelöst. Dies zu erklären, wäre jetzt eine Abschweifung. Am besten, es schadet wirklich nicht, den Film schauen. So kommen wir nun von Anton Hofreiter und der Weltvernichtungsmaschine zur Schlusseinstellung des Meisterwerkes von Stanley Kubrick. Zu den Bildern von sich vermehrenden Atompilzen singt uns Vera Lynn Well Meet Again.

*Titelbild: Screenshot Sender Phoenix. 

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