Die Wiener Staatsoper war ihr Wohnzimmer. In 769 Staatsopern-Vorstellungen gab sie 42 Rollen. Ihr Mezzosopran eine Jahrhundertstimme. Auch Covent Garden und die Met wussten um Können und Klasse dieser Ausnahmeerscheinung mit den dünnen Stimmbändern, denen sie eine Weltkarriere abrang. Als dem legendären Musikpapst Joachim Kaiser die Frage gestellt, „wer denn nun am aller schönsten sänge im ganzen Lande”, antwortete dieser wie aus der Pistole Christa Ludwig. Ihre drei Lebensdirigenten waren Herbert von Karajan, Leonard Bernstein und Karl Böhm, die Crème de la Crème der Klassikzunft ihrer großen Jahre. Diese währten lang. 49 Jahre stand sie auf den Opernbühnen der Welt, adelte im Aufnahmestudio Einspielungen und war als Liedsängerin eine Klasse für sich. Die für Männer vorgesehene Winterreise sang sie wie selbstverständlich und ließ die meisten Herren der Schöpfung im Vergleich ärmlich klingen. Wer am Vergnügen Christa Ludwig teilhaben möchte, dem sei ihre Einspielung mit James Levine am Flügel unbedingt empfohlen. Oder man höre ihre „Entweihte Götter“ als Ortrud in Rudolph Kempes Lohengrin-Einspielung mit den Wiener Philharmonikern von 1962, das „Erbarme dich, mein Gott“ in der Matthäus-Passion unter Otto Klemperer, die Leonore im Fidelio wieder unter Klemperer. Eigentlich war ihre Stimme für die Leonore nicht gemacht, aber das auf Tonträger gebannte Wagnis elektrisiert Opernliebhaber bis zum heutigen Tag. An vielen Meilensteinen und Legenden der klassischen Musik war sie beteiligt. Unübertroffene Referenzaufnahmen glänzen bis heute mit dem Namen Christa Ludwig. Ob Marschallin, Eboli oder Klytämnestra, immer war Ludwig ein Ereignis. Sie war nie eine Diva und bewahrte sich Humor und klare Ansagen bis ans Ende ihrer Tage. Dazu gehörte auch ihr Verdikt in Sachen der MeToo-Debatte im Kunstbetrieb, die sie kurzerhand als „Quatsch“ abtat. In Interviews wusste sie bis kurz vor ihrem Todestag am 24. April 2021 eloquent wie kenntnisreich aus der großen Zeit der Oper zu erzählen und dabei doch jung und heutig zu wirken. Diese Unerreichbare ist auf vielen Aufnahmen für die Nachwelt erhalten, greifbar und hörbar. Es lohnt und wird hier deshalb empfohlen.
GERADEZU
So etwas wie ein Ende gibt es nicht. Nur einen Punkt, an dem man die Geschichte verlässt. (Ol Parker)