Gesellschaft

Große Verwirrung

Jene Nichtexpertin, welche gefragt wie ungefragt, mit Vehemenz militärisches Handwerkzeug und dessen optimale Einsatzgebiete öffentlich bespricht, durchwandert dabei gedanklich noch die Ostfront. Auch eine Leistung! Erbracht von Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ), die sich mit täglichen Krach-Bum-Forderungen in comicähnlichen Medienbeiträgen an das deutsche Volk wendet, als hätte sie eine Morning Show im Kinderkanal, bei der jungen Menschen die Gefahren des Alterns vermittelt und vor Augen geführt werden sollen. Der neueste Wurf dieser politischen FDP Wunderwaffe klapperte wieder über den Medienzirkus an unsere Ohren: „Wir hatten ja den Bundeskanzler gebeten, dass wir auch direkt an die Ukraine Schützenpanzer liefern. Da könnten wir deutlich offensiver sein. An der Stelle ist allerdings das Kanzleramt ausgesprochen zurückhaltend, bedauerlicherweise.“ Sobald Olaf Scholz etwas sagt, macht, tut oder lässt, sind deutsche Medien direkt am Feldherrenzelt, hier am Feldfrauenzelt, um zu hören, was besagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann meint, sagt und will. Als handele es sich bei ihr um die Wiedergeburt von Eisenhower, Patton und Schukow in einer Person, natürlich mit jenem Schuss Bonapartismus, der jedem politisch-militärischen Genie innewohnt. Medial wird dann jeder rhetorische Fehlwurf dieser FDP-Bellizistin als reine Lehre und einzig selig machender Politikweg – also Kriegspfad an Mediennutzer gebracht, zumindest an jene, die bereit sind, solcher Art Gebräu Tag um Tag weiterhin zu konsumieren. Stichwort MASZoffensiv (Wie Manstein am Kursker Bogen? Ausgang jener Operation Zitadelle sollte bekannt sein.) Dem Bundeskanzler Scholz muss man dankbar sein für seine Zurückhaltung, die wenigstens einen Spalt breit die Tür für Diplomatie offenlässt.

Offensiv. Auch Panzer fahren nicht ewig – was in der Natur des Krieges liegt. Und nach dem Stillstand?

Wie oft solcherlei Offensivquarkgerede bei Olaf Scholz landet, ist zu ahnen. Es ließ sich der Bundeskanzler auch deshalb beim Klettern auf ein militärisches Gerät ablichten. Weil so etwas angeblich die Bilder sind, welche die Menschen wollen. Was Menschen denken und wollen, weiß natürlich niemand so gut wie die deutsche Medienlandschaft, behauptet die deutsche Medienlandschaft und glaubt zumindest die politische Klasse. Deswegen springt auch dieser Bundeskanzler über das mediale Stöckchen. Schon Helmut Kohl winkte aus einer Panzerluke und lieferte zusätzlich alle Jahre das berühmt-berüchtigte Urlaubsfoto, auf dem seine Hand irgendeine Tierart streichelte. Alles zur Freude und nach dem Willen der Medien und damit der Deutschen, die so etwas unbedingt wollen. So wird es jedenfalls Tag um Tag in ihre Ohren getrommelt. Liebes Vaterland magst (nicht) traurig sein. Jene, die solche Bilder bestellen, indem sie täglich Schlagzeilen und propagandistischen Druck für diese Fotopolitik aufbauen, haben jubilierend bekommen, was sie wollten. Der Bundeskanzler hat geliefert. Welchen Nutzen diese politischen Showeinlagen haben, interessiert in der sich selbst genügenden Berliner Politik- und Medienblase niemanden. Es braucht diese Art Symbolik, um Medien das gewünschte Futter zu verabreichen, um im Gegenzug Schlagzeilen der positiven Art zu erhalten. Die kommen dann so daher: „Scholz bezwingt Gepard.“ Geht es peinlicher?

Was für Medienleute beraten den Kanzler? Es ist die Bauart derer, die sich und die erwähnte Medienblase toll und bedeutend finden, weil sie in genau dieser Blase selber groß geworden und außerhalb nicht mehr funktionieren. Deshalb finden sicher auch die Scholz-Berater in ihrer Medienrunde das Ergebnis ganz toll und warten auf das Lob vom Bundeskanzler. In den Hintern sollte er sie treten oder feuern. Diese Leute glauben, sie haben mit ihren Manchmal-Kumpeln im Medienzirkus einen Treffer gelandet. (Um in der Panzersprache zu bleiben.) Der so entstandene Wahrnehmungselfenbeinturm wackelt auf einem Fundament zwischen Entenhausen und Potemkin’schen Dorf. Er wird bald einstürzen, sobald die panzerfreundlichen Medien in ihrer Manege längst eine neue Sau abrichten. Diese Sau scheuert sich dann am Elfenbeinturm der Scholz-Medienarbeiter, bis dieser zusammenkracht. Dennoch rennen selbige Medienberater der neuen Sau durchs ganze Dorf hinterher, um sie zu befriedigen, was die Sau aber nicht von ihrem Kurs abbringt. Altes Spiel, ewiger Kreislauf, den manche nie lernen, obwohl sie täglich als Spielsteine auf dem Brett.

Alfred Hugenberg (1965 – 1951). Ob Ausrichtung, Schlagzeilen, Leitartikel oder Kolumnen. Sein Ungeist durchströmt deutsche Medien bis heute.

Die Realität hinter diesem Scholz-Panzer-Fotoshooting verliert mit dem Blick auf die Geschichte jede Komik. Spitzenpolitiker mit militärischem Gerät sollen doch nur Kriegsbereitschaft und die Leichtigkeit des Waffengangs kommunizieren. Die Botschaft der Konzernmedien an ihre Nutzer eindeutig. Das Vorspiel der Bilder ist schön anzusehen, fürchtet euch nicht vor dem heißen Krieg, für den wir euch in eurer Naivität und Unwissenheit sukzessive vorbereiten. Wie sagte Robert Habeck: „Deutschland ist quasi Kriegspartei“. Deutsche Medien und ihre Besitzer haben schon mehr aus der Welt geschafft als dieses „quasi“. Erneut sind Teile des deutschen Journalismus im Hugenberg-Modus helfende Steigbügelhalter für wachsenden Militarismus und Attacken gegen alles Pazifistische. Leider nicht zum ersten Mal in unserer Geschichte.

Betreibt deutsche Außenpolitik hinter dem Verlautbarungsstil noch die Dinge der Diplomatie?

Zum ukrainischen Unabhängigkeitstag sendete die deutsche Außenministerin eine Videobotschaft an die Ukraine und die Ukrainer: „Dabei stehen wir in Deutschland fest an Ihrer Seite. Heute, am ukrainischen Unabhängigkeitstag und an jedem zukünftigen Tag.“ So weit, so edel, so gut. Den Ukrainern, uns und natürlicher der Sprecherin dieser hehren Worte eines ins Gedächtnis. Besonders die Grünen stehen seit 1999 bei Kriegen weltweit immer an jemandes Seite: Jugoslawien (Diverse Kriegsparteien.), Afghanistan, Syrien, Irak, Mali. Für die dort Betroffenen war dieses „an der Seite“ meist keine Hilfe, sondern es kamen vermehrter Krieg, ständige Bedrohung und wachsendes Verderben über sie. Ein Blick in die jüngere Geschichte hilft, bevor man solche Parolen an andere Völker und Nationen sendet. Es bleibt Diplomatie gefragt. Wo ist diese? Wenn der durchaus machbare große Krieg, weil ihn eine bestimmte Spielart von Diplomaten nicht verhindern kann, dann wirklich über uns kommt, betrifft er alle. Darunter auch jene, die sich einander über ihre Tastaturen und soziale Medien als NATO-Boys oder Putin-Freunde gegenseitig denunzieren. Egal wer sich beim ersten Knall weiter im Recht wähnt, für das Handbuch der Diplomatie ist es dann definitiv zu spät.

Milliardär im Nacken: HSV

Milliardäre und dummes Zeug schließen sich nicht aus. Den regelmäßigen Beweis tritt der 85-jährige Klaus-Michael Kühne mit seinen 34 Milliarden Euro Vermögen an. Der Reeder, Logistiker, Fußballexperte und vieles mehr, gibt ab und an Interviews, am liebsten aus ihm gehörigen Feriendomizilen. Neulich erzählte er in die Blöcke der FAZ: „So eine Regierung hat Deutschland nicht verdient.“ Dafür bekommt man hierzulande von vielen Richtungen sicheren Applaus, teils durchaus berechtigt. Weil bei dieser Regierung nicht arg schwer. Niemand kommt bei der Gelegenheit allerdings auf die Idee, an Herrn Kühne die Frage zu stellen, ob Deutschland solche Unternehmer wie ihn verdient, der ja das Steuerparadies Schweiz für sich und seine Unternehmen als „Heimat“ auserkoren. Doch solche Fragen stören nur. Kühne forderte auch eine härtere Gangart gegen Putin und Russland. Dafür wieder Applaus. Putin, der „Feind, den man nicht mit der Kneifzange anfassen sollte. Wir müssen diesem Kriegstreiber noch stärker die Stirn bieten“. Leicht gesagt vom hohen Ross des Multimilliardärs. Von diesem Hochsitz der Milliarden sendete der reiche Herr noch die Botschaft, falls es dicke für uns kommt: „Dann müssen wir eben die Zähne zusammenbeißen und eine Rezession in Kauf nehmen.“ Sagt belehrend jemand, der 34 Milliarden Euro in der Kasse. Journalisten sitzen treudoof daneben und nicken mit den Köpfen. Oh weh, welch ein Land.

An der sozialen Unterkante sieht die Sache mit den Zähnen und dem Zusammenbeißen natürlich anders aus. Doch in solchen Abgründen kennt sich der Herr Milliardär so wenig aus wie FAZ-Redakteure. Die da unten interessieren Herrn Kühne nicht wirklich. Warum auch? Interessieren soll ihn auch die NS-Vergangenheit seines Unternehmens Kühne & Nagel nicht sonderlich. Und über Papa Alfred Kühne und dessen schmutzige Nazi-Geschäfte redet er ebenfalls nicht sehr gerne. Lieber Schwamm drüber. Der den Deutschen wie ein Herrenreiter Wirtschafts-, Krisen-, Regierungs- und Putin-Ratschläge erteilt, will nebenbei gerne den maroden Hamburger Sportverein (HSV) komplett auf sein Monopolybrett bekommen. Für ihn Peanuts, aber leider zu viel störendes Volk, das da mitredet. Solche Sorgen hatte der Papa einst nicht. Klaus-Michael Kühne hat in den letzten Jahren mit seinem Geld fleißig am Abstieg des HSV mit herumdoktern lassen. Der HSV landete inzwischen mit seinem Geldschub dennoch in der 2. Liga. Sein Fußballtraum scheiterte vor allem, weil er sich wie ein kleiner Ladenschwengel von obskuren Spielerberatern, Typen der Sorte Ex-Fußballer-Manager-Trainer-Spieler, die alle auch noch „Experten“ für und gegen den Ball sind, auf manch toten Gaul hat setzen lassen. So jemand schwadroniert darüber, was richtig und falsch für unser Land, die Wirtschaft und den Krieg. Geradezu lächerlich.

Blauer Anzug – feldgraue Gedanken. Anton Hofreiter. (Screenshot: Bundestags-TV)

Beim Wort lächerlich, landet man schnell bei einem anderen Interviewgroßmeister, der für Marie-Agnes Strack-Zimmermann ein Bruder im Geist oder besser gesagt im Stechschritt. Auch er sieht sich als geborener Feldherr und versucht so zu reden. Was dabei herauskommt, baden unser aller Ohren aus. Seine neuesten Blüten sind natürlich zuerst militärischer Art: Je mehr Waffen wir liefern, desto schneller endet der Konflikt. (Interview ntv.) Wo ein Konflikt hinführt, wenn eine Kriegspartei, nämlich jene, die der hier gemeinte und zitierte Anton Hofreiter besiegen will, über ca. 6.000 Atomsprengköpfe verfügt, ließ er bei seinem Königsweg der Anhäufung von Waffen lieber offen. Sogar als Wirtschaftsdeuter überraschte der Europa-, Militär- und Landwirtschaftsexperte Anton Hofreiter in einer sabbelnden Talkshow (Lanz/ZDF) mit der Feststellung von verdienten und unverdienten Übergewinnen als Grundlage für steuerliche Betrachtungen. Naiv wäre hier wohl noch eine freundliche Umschreibung. Wo solche Politiker werkeln, hat der neoliberale Gesellschaftsumbau längst seines Siegeszug abgeschlossen.

Der Mangel an Urteilskraft ist eigentlich das, was man Dummheit nennt, und einem solchen Gebrechen ist gar nicht abzuhelfen. (Immanuel Kant)

*Titelbild: Pixabay

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