Gesellschaft

Frauenpower

Schaut man sich das männliche Personal der deutschen Politikblase an, bricht nicht gerade Grundvertrauen aus. Man muss dagegen attestieren, es sind Frauen, die auf dem politischen Parkett eine kluge und umsichtige Rolle spielen. Die politischen Geschäfte im Guten wie im Schlechten verstehen und beherrschen diese Damen wesentlich besser als die meisten Herren der Politikzunft. Frauen betreiben Politik ohne das dröhnende Getöse ihrer männlichen Kollegen. Beispiel dafür Angela Merkel, die nie die Großmannssucht eines Gerhard Schröder an den Tag legte oder gar mit dem Mantel der Geschichte hantierte, wie es ihr einstiger Ziehvater Helmut Kohl in seiner Maßlosigkeit so gerne tat. Wo es um Durchsetzungsvermögen geht, steht die aktuelle Kanzlerin ihren beiden Vorgängern allerdings in nichts nach. Nur hat Merkel eben alles mit weniger Theaterdonner über ihre Bühne gebracht. Die an ihrem Härtegrad zerschellten Zwerge und Möchtegernriesen füllen Bücher, einer landete im Alter von 65 Jahren im Zukunftsteam von Armin Laschet. Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, völlig anders gestrickt als Merkel, betreibt Politik mit einer wohltuenden Sachlichkeit und sogar mit Stil und Niveau, der vielen ihrer Ministerpräsidentenkollegen in Deutschland völlig abgeht. Von Merkel und Dreyer hat sich offenbar Manuela Schwesig, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, eine Menge angenommen und mit Erfolg umgesetzt. Unangefochten „herrschen“ diese Frauen unaufgeregt in ihrem jeweiligen Verantwortungs- und Machtbereich. Merkel genießt zum Ende ihrer Ära die höchsten Zustimmungswerte aller aktiven Politiker in Deutschland, schlägt damit im direkten Vergleich die möglichen und unmöglichen Nachfolgekandidaten deutlich.

Wo Licht ist, ist auch Schatten. Goethes Diktum gilt auch für Frauen in der Politik. Warum sollte es diesen ausgerechnet dort besser ergehen als Männern? Deshalb ein Blick auf politische Damen, die für künftige Aussichten weniger Erbauung verheißen. An Merkel, Dreyer und Schwesig haben diese sich jedenfalls ganz offenkundig nicht orientiert. Annalena Baerbock ist dabei in einer Art Zwischenwelt. Sie und die Grünen müssen bis zum Tag nach der Bundestagswahl mit der Tatsache leben, dass in dem Fall ein besseres Alternativangebot verfügbar war. Der Co-Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, wäre für das Endergebnis die klügere Wahl gewesen. Nicht weil er ein Kerl, sondern weil er Wahlkampf offensichtlich professionell und locker gleichermaßen kann, dabei inhaltlich sattelfest wirkt und in der direkten Auseinandersetzung gegenüber Mitbewerbern Wirkungstreffer erzielt und sich durchzusetzen weiß. Da liegt, mit Verlaub, Annalena Baerbock hinter ihm. Wegen des Status Frau und einer dazugehörigen Medienkampagne innerparteilich zu siegen entspricht dem Lauf der Zeit, ist für den Nahkampf und Schmutz des Wahlkampfes in diesem Fall zu wenig. Der klassische Pyrrhussieg. Zumal, wenn man noch persönliche Angriffsflächen mitbringt, denen man im Vorfeld zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und bei Aufdeckung dieser noch eine grottenschlechte Verteidigung an den Tag legt. Geschenkt. Die Kandidatin ist nun im Rennen und noch immer ist anzunehmen, die Grünen und Annalena Baerbock werden das beste Ergebnis einholen, welches diese Partei bei einer Bundestagswahl je erzielte. Dennoch war da wohl mehr drin. Vielleicht rettet am Ende die Entscheidung der Grünen für Baerbock und gegen Habeck der Union das Kanzleramt.

Schaden zu häufige Talkshowbesuche der Urteilskraft? (Screenshot ZDF/Lanz-Talk)

Sarah Wagenknecht kann Marx, Hegel, Goethe auswendig, hat das Kapital auch wirklich gelesen und in weiten Teilen offensichtlich begriffen. So etwas nötigt Respekt ab, der ihr oft bezeugt, wie auch kritischer Geist und klare Analysen dieser Politikerin oftmals zur Ehre gereichten, was ihr auch bei GERADEZU schon positiv angerechnet wurde. Glanzvoll erscheint sie vor allem im Vergleich mit zwergigen Sektierern ihrer eigenen Partei und am Pult des Deutschen Bundestages. Mittlerweile redet und talkt sie allerdings Impfgegnern mit leichter Hand zu Munde. Öffentlich gibt sie Sätze wie eine Querdenkerin ab und twittert den Begriff „Blockwart“ in einem Zusammenhang, den sie lieber vermeiden sollte, weil historisch töricht, falsch und gefährlich. Da ist sie dann sprachlich knietief in dem journalistischen Abgrund, dem ihr Gatte als Kolumnist auch diente. So etwas könnte also bei Sarah Wagenknecht ebenfalls von Kolumnen kommen, die sie dienend im rechten politischen Spektrum zum Besten gibt. Traurig. Schade um das vergeudete Potenzial dieser Vollblutpolitikerin, deren Intelligenz offenbar zum Selbstschutz vor eigenen Torheiten nicht fähig.

Mit Intelligenz haben die Äußerungen von Dorothee Bär, der seit 2018 amtierenden Digital-Beauftragten im Kanzleramt, selten zu tun. Aber enorm viel mit Selbstschutz und Ablenkung. Bei Amtsantritt fabulierte diese über ein „Lufttaxi“ und lieferte dann vor allem heiße Luft. Im Ergebnis jener Arbeit hat Deutschland ein blamables und in vielen Bereichen nicht funktionierendes Funknetz. Wer je zwischen Mecklenburg und Thüringen ein Handygespräch führte, der weiß, was gemeint. Dennoch ist Dorothee Bär jetzt im Zukunftsteam von Armin Laschet gelandet. Warum weiß kein Mensch. Aber sie bleibt auf „Lufttaxi-Niveau“ und posaunte den Medien entgegen: „Wir wollen dem Staat ein Update verpassen“ und „einen digitalen Turbo zünden“. Jene Turbo-Zünderin, die Armin Laschet da an seine Seite holte, verkündete unlängst in einer Talkshow noch, sie würde diesen Laschet in ihrem Wahlkreis nicht plakatieren. Tolles Team. Manche Zukunft wird eben auf Sand gebaut. Als der Publizist Roger Willemsen 2014 den Deutschen Bundestag beobachtete und die dabei gewonnenen Einblicke in Buchform („Das hohe Haus“) veröffentlichte, entstand auch eine bemerkenswerte  Charakterzeichnung von Dorothee Bär, die hier noch einmal in Erinnerung gerufen werden soll: „Ich habe in anderen Reden gehört, wie diese Rednerin als ‚begabt‘ bezeichnet wurde. Was ich sehe, ist eine junge Frau mit Verwöhnungsschaden und faszinierender Attitüde, forsch bis zur Herablassung, substanzschwach, dafür selbstverliebt und mit einer strohfeuerartigen Wärme, die sie in jedem Beitrag irgendjemanden danken lässt. (…) Dieser Typus ist neu: Die ganze Aufmerksamkeit der Rednerin ist auf Vermittlung gerichtet und diese entsprechend effekthascherisch.“

Zeitlos. Erhellende und empfehlenswerte Lektüre vor Wahlentscheidungen (ISBN: ‎978-3100921093)

Berlin darf natürlich nicht fehlen. Hier baut jemand nicht auf Sand, sondern eher auf Immobilienbesitzer, Vermieter, die Oberschicht mit SUV und eine FDP/CDU-Klientel. Die Rede ist von der SPD-Bürgermeisterkandidatin, der zurückgetretenen Bundesministerin Franziska Giffey. Diese kam unlauter zu einem Doktortitel, hat dabei dumm und dilettantisch abgeschrieben und will nun Maßstäbe für die Hauptstadt setzen. Ihre Chancen stehen dafür sogar recht gut. Interessanterweise ist Giffey jetzt politisch auf einem Kurs, der nicht mehr viel mit der SPD zu tun, eher dem reaktionären und neoliberalen Geschreibsel der Blätter entspricht, die ihr wegen der zusammengezimmerten Doktorarbeit besonders inquisitorisch nachsetzten. Seit Giffey deren Parolen und Ansichten hell durchschimmern lässt, hat sie an dieser Front plötzlich Ruhe. In Berlin sind Blendwerk und Mogelei seit den Achtzigerjahren Teil des Lebens und der Politik. Insofern wäre Frau Giffey eine optimale Bürgermeisterin für alles, was an und in dieser Stadt verkorkst, und das ist, wie man täglich erleben und besichtigen kann, eine ganze Menge. Na dann Prost.

Trotz solcher Ausschläge sieht es für die Zukunft bei den Frauen weiterhin besser aus als bei den Männern. Luisa Neubauer, Fridays for Future Aktivistin und Grüne macht in ihren Auftritten einen sachkundigen wie engagierten Eindruck, könnte durchaus einen neuen Politiktypus darstellen, der auch Wähler anzieht. Im Kontrast dazu der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban. Rückwärtsgewandt im peinlichen Hemd billiger Parolen und reaktionärer Floskeln einer 50er-Jahre-Denkweise, schwadroniert er im aktuellen Wahlkampf über „Brandstifter“, womit er Teile der SPD und die Linken meint und zeigt, wes Geistes Kind er ist. Gestalten, die sich wie politische Rotzlöffel gebären, dabei ihre Wortwahl nicht mehr im Griff haben, sind eine beängstigende Zeiterscheinung, die uns allesamt mit Sorge erfüllen sollte, egal welchem politischen Lager man sich zurechnet. Mit solcher Armseligkeit wird eine Luisa Neubauer dann wohl wenig Schwierigkeiten haben, so man sich auf dem politischen Parkett begegnet. Dann steht es auch im neuen Spiel wieder 1:0 für die Frauen.

*Titelbild: Angela Merkel (Zeichnung von dianakuehn30010 auf Pixabay)

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