Gesellschaft

Fressen, bis man kotzt

Es sei eingestanden, der Schreiber dieser Zeilen ist kein Vegetarier, isst Fleisch, zugegebenermaßen mit wachsender Skepsis und einem durchaus vorhandenen Selbstekel. Wer einen empfindlichen Magen hat oder gar ein sanftes Gemüt, der sollte hier bitte eher das Lesen einstellen und lieber aus dem Fenster schauen. Es ist nicht ironisch gemeint. Danke. (Die im nachfolgenden Beitrag verwendeten Fotos stammen von ‚World Animal Protection‘, einer Organisation, die sich dem internationalen Schutz von Tieren verschrieben hat und weltweit Grausamkeiten gegen Tiere dokumentiert.)

Zur Sache. Den Leuten Dreck andrehen, den die dann fressen, das Wort essen soll hier nicht geschändet oder missbraucht werden, ist nicht wirklich neu. Es ist ein Geschäftsmodell, welches Milliardäre macht, Tieren die Würde und das Leben, den Menschen die Gesundheit raubt. So etwas nennt man Gewinnmaximierung, die als Marktwirtschaft unter dem löchrigen Mantel des Kapitalismus gepflegt wird, durch den der Wind des Neoliberalismus eisern bläst. Erinnert sich eigentlich noch irgendjemand an den Begriff „soziale“ Marktwirtschaft. Lange ist es her. Einer dieser Milliardäre mit dem Dreck, den andere Leute für seinen Reichtum fressen, weil er den auf ihre Teller bringt, heißt Clemens Tönnies. Besagter Dreck, den er offensichtlich seiner Massenware untermischt und dann feilbietet, heißt Separatorenfleisch. Es steht für irgendetwas, was schon vor dem großen Fressen wie verpackte Kotze aussieht und kein Lebensmittel mehr ist. Separatorenfleisch ist als Euphemismus mit der Kategorie Kollateralschaden zu vergleichen, was sich allemal besser anhört als die Ermordung von Zivilisten, Frauen und Kindern im Krieg oder durch Drohnen.

Separatorenfleisch bei der leckeren Herstellung.

Menschen züchten seit ungefähr 10.000 v. Chr. Tiere, um sich von und durch diese zu ernähren. In unserer Zeit, so aktuelle Erhebungen, werden zwei von drei der 70 Milliarden (!) landwirtschaftlichen Nutztiere, die jedes Jahr für Lebensmittel gebraucht und getötet werden, ausschließlich in industrieller Massentierhaltung gehalten. Also ca. 46,6 Milliarden (!) Tiere. Die Tiere meuchelnde Branche beschäftigt in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ca. 190.000 Menschen, darunter befinden sich ungefähr 50.000 Menschen aus dem Ausland. Hauptsächlich Osteuropäer, die wie moderne Sklaven ihr Leben fristen. Der Auswurf toter Tiere ist enorm. Die Schlachthäuser laufen auf Hochtouren. Pro Tag (!) werden hierzulande im Schnitt mehr als zwei Millionen Tiere (!) geschlachtet.

Des Schweines Ende ist der Wurst Anfang.

Aber kommen wir von der Tierquälerei wieder zurück zu Herrn Tönnies, was natürlich nur ein sehr kleiner Schritt. Tönnies ist nicht allein mit seinen Sauereien. Das Unternehmen Wiesenhof der Lohmann & Co. AG ist genauso übel. Pro Woche schlachtet die Lohmann & Co. AG ca. 4,5 Millionen Hähnchen. Und auch bei diesen Schlachtern Verdacht auf nicht deklariertes Separatorenfleisch in irgendwelchem Hähnchenzeug. Also minderwertiges Zeug, schlichtweg Dreck. Tönnies soll hier nur herausgehoben werden, weil er ein Musterbeispiel von gleichermaßen Verachtung von Mensch und Tier ist. Der typische Kapitalist des neoliberalen Zeitalters, dem Geld grundsätzlich wichtiger als das Leben.

Tönnies schon lange ein Big Player, Freund politischer Granden, immer nah an der jeweiligen Regierungspartei in NRW und weit darüber hinaus. Natürlich Parteispender der CDU. Aktuell ergaben Recherchen von Spiegel und NDR, Tönnies und andere Industrieschlachter stehen im Verdacht, Separatorenfleisch in ihre Wurst zu mischen. Bevorzugt in Geflügelwurst. Tönnies? War da nicht was? Aber holla, die Waldfee! Der Name Tönnies steht als exemplarisches Beispiel für unhaltbare Zustände in der Schlacht- und Fleischindustrie, die durch bewusste Ausbeutung von Niedriglohn-Beschäftigen Milliarden umsetzt und verdient. Bei Tönnies kamen für jene Billigkräfte aus Osteuropa noch üble Sammelunterkünfte hinzu, in denen jedwede Würde des Menschen schlichtweg über den Haufen geworfen wurde. (Solche Ausbeutungsmechanismen greifen, weil Sozialdemokraten und Grüne in der Ära Gerhard Schröder den größten Niedriglohnsektor Europas etablierten und moderne Sklaverei salonfähig machten. Falls sich wer nicht mehr erinnert und die SPD wie die Grünen fälschlicherweise immer noch als Linke bezeichnet.)

Auf dem Weg zur Geflügelwurst.

Wegen mangelnder Hygiene und noch weniger Schutz war das Tönnies-Stammwerk in Rheda-Wiedenbrück ein Hotspot in Sachen Covid-19. Damit nicht genug. Tönnies stand auch im Fokus wegen der illegalen Entsorgung von Schlachtabfällen in Sachsen-Anhalt. Natürlich gehörte Tönnies zu den feinen Prominenten, die mit Cum-ex-Geschäften Geld machten. Preisabsprachen und Steuertricks sind bei solchen Leuten eher Kavaliersdelikte. Die Krönung dann der blanke Rassismus, als er die deutsche Politik anregte, den Afrikanern Kraftwerke zu finanzieren, damit die nicht nur im abendlichen Dunkel sitzen oder liegen und vor lauter Finsternis schon früh am Tag dem Akt der Vermehrung frönen. So dachte einst Leopold von Belgien über Afrikaner, die Folgen sind bis heute zu besichtigen.

So brutal ist ein Clemens Tönnies natürlich nicht, er ist schließlich ein Menschenfreund, was ihm drei ganz spezielle Herren umgehend bestätigt haben. Huub Stevens, Sigmar Gabriel und Wolfgang Kubicki. Der Herr in der Mitte, man mag es nicht glauben, war einmal Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, allerdings auch für 10.000 Euro im Monat Berater von Clemens Tönnies Konzern. Jener erstgenannte Herr ist ein Fußballtrainer und der dritte Herr ist eben Wolfgang Kubicki. Der offene Rassismus von Tönnies passt gut in das klassische Bild vom widerwärtigen Herrenklub inklusive dumpfer Herrenwitze im Dunst überteuerter Zigarren. Passend noch das Stolzieren über gepflegte Golfplätze, wo die Eliten frohgemut ihr Hobby pflegen, ohne von Afrikanern oder den Verzehrern von Separatorenfleisch behelligt zu werden. Von den Runden und Löchern auf Golfplätzen wird es einem manchmal hungrig. Der Appetit lässt sich dann mit Dingen stillen, die nicht von der Supermarkttheke kommen.

Wo reiche Eliten gern essen, gibt es für entsprechende Beträge saftige T-Bone-Steaks, Kobe-Rind, Porterhouse und Chateaubriand. Alles, was Fleischfressers Herz begehrt.

Kurt Tucholsky, Weltbühne, 24.01.1928:

Wenn ich bei den reichen Leuten eingeladen bin, also bei so reichen, daß es einen vor lauter Reichtum schon graust, dann ist da immer ein Augenblick, wo mir heiß wird, und wo ich denke, daß mir nun gleich der Kragen platzt. () Wenn es bei den reichen Leuten so fein zugeht, dann habe ich immer den Herzenswunsch, mir den Rock auszuziehen und zu der feinen gnädigen Frau und zu dem gnädigen Herrn zu sagen: „Kinder, nun laßt das mal alles beiseite – nun wollen wir uns einmal erzählen, wie es im menschlichen Leben wirklich zugeht –!“ () Sie leben wattiert. Es ist da etwas Anämisches, etwas von einem luftleeren Raum. Sie sind von der Erdkruste durch eine Schicht Geld getrennt – sie sind, media in vita, lebensfremd, unserm Leben fremd.

Da steht er uns also wie eh und je vor Augen, der üble Lump. Tituliert als ‚Stütze der Gesellschaft‘ im teuren Tuch des Großbürgers, ausgestattet mit Macht und Moneten. Genau wie ihn Kurt Tucholsky in den 20er-Jahren Tag um Tag entlarvte und George Grosz zeichnete. Tucholsky und Grosz wussten früh und hellsichtig, wohin solche Leute die Demokratie und die Gesellschaft führen. Dieses Wissen scheint heute weitestgehend verloren. Von diesem oben beschriebenen Herrn Tönnies, Schlachter und Milliardär – geschätztes Vermögen 1,49 Milliarden Euro – erwartet die deutsche Gesellschaft, dass er jene Verbraucher, die ihn reich gemacht haben, anständig behandelt, das Wohl seiner Kunden im Blick hat und den Leuten schmackhafte und unverfälschte Ware und Nahrung auf den Tisch bringt. Wie dämlich muss man für solch eine Annahme eigentlich sein? Dennoch wird nun entsetzt getan und mit moralischer Empörung operiert. Moral hat in diesem Land von jeher einen skurrilen Gebrauchswert. 

An Elend und Qual von Tieren lässt sich die Verderbtheit der Menschen ablesen. Ein Seismograf unserer Verkommenheit.

Gern hantierte Tönnies mit dem Image von Volksnähe und Schlichtheit, wobei er sich dafür, durchaus schlau, ein sehr dumpfes Umfeld suchte. Die Fußballwelt von Schalke 04 gehörte ihm irgendwann komplett, was für einen Alleinherrscher nicht allzu verwunderlich. Sein Dröhnen war so laut, wie das des Schlachterkollegen Hoeneß in München. Dieser Wurstfabrikant hatte allerdings mit und auch wegen seines Getöses außerordentliche sportliche Erfolge vorzuweisen. Davon konnte Tönnies nur träumen. Sein Rassismus ging dann selbst Fußballfans im Ruhrpott zu weit und beendete das Rührstück vom Milliardär und seinem Volk in gemeinsamer Stadionkurve. Wenn einer sich wegen Skandalen öffentlich rarmacht, dient der Fußball als gute Probebühne für ein Comeback. So war Tönnies in der Bundesligarelegation HSV gegen Hertha BSC in Hamburgs Ehrenloge zu sehen. Einige redeten sofort von einem neuen Engagement im Fußball. Sportreporter sind moralisch von jeher schmerzlos. Zu Hertha und dem HSV würde alles, was die Figur Clemens Tönnies ausmacht, ausgezeichnet passen. Wie die Faust auf das berühmte Auge. Ob Zufall oder Zusammenhang, dass der Fußball Schlachter anzieht und besonders dumme Exemplare der Kurzbehosten beim Verzehr goldüberzogener Steaks Selfies machen und in die Welt versenden?

‚Stützen der Gesellschaft‘. Zu allen Zeiten feist, verkommen und immer und ewig gefährlich. (George Grosz, 1926)

Weil wir bei dämlich und Empörung nebst Moral angelangt, schauen wir schnell noch zu den Bellizisten, ehemals Grüne genannt. Aus deren Reihen kommen stets wohlfeile Empfehlungen für die Lebensentwürfe anderer Menschen. Einige davon werden gern ständig serviert. Bewusster einkaufen, mehr Geld für gute Ware ausgeben, natürlich Biobauern und vegane Märkte aufsuchen. Dass zum Beispiel Rentner, die im Verlauf des Tages leere Flaschen aus dem Müll sammeln, um am Abend noch Geld für eine karge Supermarktmahlzeit aufzubringen, nicht mal flott in Berlin-Mitte das T-Bone-Steak im Grill Royal für 119,- € oder das Chateaubriand für 178,- € vernaschen können, kommt einem Grünen natürlich weniger in den Sinn. Dafür müsste man den Alltag einfacher und abgehängter Menschen kennen und nicht nur schwere Waffen im Kopf haben. Oder gar Tucholsky kennen, was für Grüne unserer Tage natürlich zu viel verlangt wäre. Selbstverständlich gibt es für die Masse – jene ohne üppige Diäten – genügend populäre Sattmacher. Soll sich keiner so haben.

Allseits guten Appetit!

Auch so etwas gibt es. Gammelfleisch in Folie. Später dann als Döner beliebter Sattmacher.

Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandeln. (Mahatma Gandhi)

Gammelfleisch auf Reisen.

Weh dem Menschen, wenn nur ein einziges Tier im Weltgericht sitzt. (Christian Morgenstern)

Wann wird der Mensch zum Schwein?

Alle Tiere sind gleich. Schweine sind gleicher. (Nach George Orwell.)

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