Gesellschaft

Höllengericht

Wer Gerechtigkeit sucht, sollte nicht zum Recht gehen. Eine Handvoll christlicher Fundamentalisten, berufsausübend im Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten unterwegs, hat gerade mit einem Federstrich Millionen Frauen in Sachen Schwangerschaftsabbruch und Abtreibung in den moralischen Sumpf und an den Rand von Illegalität und Kriminalität gedrängt. Mit einem Fußtritt, den man Urteil nennt, wurden viele Frauen Richtung Mittelalter katapultiert. Der Wiener ‚Standard‘ fand passende Worte und sprach von einem „schleichenden Putsch, der die Bürgerrechte beschneidet“. Dieses Urteil löste eine Kettenreaktion von Protesten aus, in denen natürlich vor allem Frauen auf den Straßen der USA gegen ihre Kriminalisierung und gegen dieses schändliche Urteil protestieren. Solchen Protesten zeigt sich die stets martialisch aufgestellte Polizei in den USA absolut gewachsen. Das Land, in dem sich Lehrer ihre Kreide selber kaufen müssen, sofern sie und ihre Schüler nicht im Unterricht von einem Waffenbesitzer erschossen wurden, hat gerade in vielen Regionen die Polizei mit neuen Schilden ausgestattet. In Phoenix, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Arizona, ging man über Knüppel und Schilde hinaus, man beschoss die Frauen gleich mit Tränengas. Hier wollen wir uns angewidert abwenden und eine Frage in den Raum stellen. Was wäre wohl bei solcher Art Rechtsprechung und daraus resultierender Polizeikation von Europas und Deutschlands Politikelite zu hören, wenn diese Meldungslage uns aus Peking oder Moskau erreichen würde? Die Antwort möge sich bitte jeder selbst geben, dann gerne Bingo rufen.

De Wahnsinn hat Methode. Er hat es gerichtet. Mary Miller mit Donald Trump. (Twitter. M. Miller)

Auf der politischen Bühne gab es dazu natürlich auch diverse Nach- und vorher Zwischenspiele. Nancy Pelosi, die überforderte Sprecherin des Repräsentantenhauses von den Demokraten, sagte ein Gedicht auf, welches ihren Protest ausdrücken sollte, womit nur niemand etwas anfangen konnte. Joe Biden, der US-Präsident der Demokraten, sagte nichts auf, was er ablas, ist vergessen. Die betroffenen Frauen sind mit ihrem Problem allein. Anders die Republikaner, die ihren Triumph feierten, der natürlich ein Triumph von Donald Trump. Dieser hat immerhin drei Richter in dieses neunköpfige Gremium gesendet, die ihn nicht enttäuschen. Im Siegesrausch der Republikaner fielen auch gleich sämtliche Masken. Die Republikanerin Mary Miller kandidiert erneut für das Repräsentantenhaus und hat gute Chancen, wiedergewählt zu werden. In ihrer Heimat Illinois hatte sie am gestrigen Samstag als Stargast einer Wahlkampfveranstaltung Donald Trump an ihrer Seite. Der wurde von einer riesigen Menschenmenge wie ein Messias empfangen und bejubelt. Die bekennende Abtreibungsgegnerin Mary Miller begrüßte ihr persönliches Idol so überschwänglich wie das schreckliche Gerichtsurteil. O-Ton Miller: „Präsident Trump, ich möchte Ihnen für den historischen Sieg für das weiße Leben gestern vor dem Obersten Gerichtshof danken.“ Das „weiße Leben“! Als hätten Lincoln und Grant den Bürgerkrieg um die Abschaffung der Sklaverei verloren. Was für finstere Abgründe tun sich in diesem Land auf. Was soll man dazu noch sagen? Vielleicht noch das. Frau Miller hatte im letzten Jahr erstes politisches Aufsehen erregt, als sie einen gewissen Adolf Hitler lobte. Sie bewunderte dessen Talent bei der Beeinflussung von Jugendlichen. Na, wenn das nichts ist. Geschadet hat der Singsang über Adolf Nazi der Dame übrigens nicht. Es muss wohl nicht mehr darauf hingewiesen werden, dass sich Donald Trump bei Mary Miller stets wie Bolle amüsiert. Abschließend noch dieses zur finalen Erinnerung, die geschilderten Ereignisse spielen nicht in Moskau und Peking, sondern tatsächlich in den Vereinigten Staaten von Amerika, auf offener und greller Bühne. Was für eine Gesellschaft.

*Titelbild: Collage von Pixabay

 

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