Gesellschaft

Mal wieder Italien

Im Verlauf dieses Tages und der vor uns liegenden Woche wird in Deutschland die Anzahl der Worte in Sachen italienischer Wahlen, die als Schwall unweigerlich über uns kommen, wohl die Anzahl der beteiligten Wähler in Italien übertreffen. Italien bekommt nach dem 2. Weltkrieg nun die siebzigste (70!) Regierung, was eine durchschnittliche Amtszeit je Regierung von ungefähr 361 Tagen ausmacht. Frau Meloni und ihr Trupp werden sozusagen eine Art Jubiläum sein und weiterhin unverdrossen, wie es die gesamte italienische Politikklasse seit sieben Jahrzehnten vorführt, an der täglichen Beweisführung arbeiten, dass es sich mit dem latenten Verfall durchaus gut leben lässt. (Neoliberale Eliten werden hierzulande an Meloni umgehend viel Freude haben und sollen bitte erst gar nicht so tun oder uns vorgaukeln, als würde etwas an ihrer Politik stören. Meloni hängt den Lehren des World Economic Forum an, ist Pro-NATO und auf Kurs USA eingestellt, will schwere Waffen für die Ukraine. Sie ist absolut gegen China aufgestellt und eine Befürworterin für das Schüren von Konflikten gegen die Chinesen. Alles ähnelt also der grünen Politik in Deutschland.) Wie lange das Jubiläum dieser Nummer 70 dauert, ist gerade in Italien schwer vorhersehbar. Irgendwas zwischen siebzehn und 1.412 Tagen wird es am Ende sein. Diese Spekulation bemessen an der bisher kürzesten und längsten Amtszeit. Derweil bleibt Italien bis zum Sommer 2024 Fußballeuropameister, Venedig marode und chinesischer Vorort, die Toskana schön, Pizza und Pasta durchaus national wie europäisch, das Gelato lecker, die Lasagne heiß, der Espresso stark, die Weine vorzüglich und der Vatikan in den Grenzen Italiens, Michelangelos David am Platz, da Vincis Abendmahl an der Wand und Sophia Loren unverwüstlich. Mehr muss man eigentlich nicht wissen.

In Italien ist nichts stabil, außer dem Provisorium. (Giuseppe Prezzolini, 1882 – 1982, Journalist und Autor)

Dass sich die von niemandem in Europa gewählte Ursula von der Leyen vor der italienischen Wahl zu Wort meldete und Richtung italienischer Wahlberechtigter die Drohgebärde raunte „Wir haben Werkzeuge“, zeigt die Inkompetenz einer Person ohne politisches Fingerspitzengefühl. Ein gehöriger Mix aus Arroganz, bornierter Herrscherattitüde, Frechheit und Verschlagenheit. Richtung von der Leyen, weil sie es oft im Munde führt, sollte einmal gefragt werden, was eigentlich ihr „wir“ bedeutet und für wen sie da tönt. Ihr provokantes wie dummes Gesülze wird es jedenfalls weder in die europäische noch italienische Geschichte schaffen, doch einige Tage Schlagzeilen im Alltagsgeschrei produzieren oder befeuern. Dennoch werden sich deshalb und wegen anderer Ereignisse nicht die Gräber in Italien öffnen und die Borgias, Gramsci oder Andreotti aus diesen emporsteigen, gar der zürnende Savonarola über Italien oder uns kommen. Viel Lärm um nichts und die Zeiger drehen weiter ihre Runden. Ob einem Ende oder Anfang entgegen liegt immer auch im Auge des Betrachters. Selbst in Italien. Dann bis zur nächsten Wahl. Irgendwo, irgendwann. Darauf einen Caffé doppio.

Nichts auf der Welt ist so wandelbar wie ein Italiener. (Indro Montanelli, 1909 – 2001, Historiker und Autor)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert