Gesellschaft

Kampf der Generationen

Mit dem Amtsantritt von Gerhard Schröder im Oktober 1998 zog soziale Kälte über das Land und jeder Aspekt der Gesellschaft befindet sich seither nach den Vorgaben einer neoliberalen Wirtschaftsordnung im Konkurrenzmodus. Die Fähigkeit zur Empathie und die Bereitschaft zu einem solidarischen Miteinander, in Deutschland ohnehin nie besonders ausgeprägt, wurden bei der Zerstörung des Sozialstaates hinweggefegt. Das Tor für diese Art Politik und bewusste Entsolidarisierung öffnete eine rot-grüne Bundesregierung. Neben diversen Konflikten, die durch diese soziale Abrissbirne verstärkt aufbrachen, denken wir an die Schaffung moderner Ausbeutungsformen unter verschleiernden Begriffen wie „Niedriglohnsektor“ oder „Minijob“ und an die beschämende Kinderarmut in unserem Land, hetzte man mit dieser Politik auch die Generationen aufeinander. Diese Folgen sind ganz aktuell im Wahlkampf 2021 und seinen Umfeldgefechten zu spüren.

Das Ergebnis einer Umfrage (Fragestellung: „Meine Entscheidung zur Bundestagswahl orientiere ich an Klima- und Naturschutzinteressen junger Generationen.“), in Auftrag gegeben vom Naturschutzbund Deutschland (NABU), stellte fest, dass 59,1 Prozent der über 65-Jährigen es ablehnen, die Klimainteressen jüngerer Generationen bei der anstehenden Bundestagswahl zu berücksichtigen. Den ermittelten Daten zufolge nimmt das Umwelt- und Klimathema mit wachsendem Lebensalter immer intensiver ab. Ist der Klimaschutz mittlerweile zu einem der zentralen Themen geworden, interessieren sich ältere Wähler eher weniger dafür, machen das Thema Klima nicht zu einem Punkt ihrer Wahlentscheidung. Die Interessen der jungen Generation sind vielen Alten egal, man hat andere Prioritäten. Besitzstandswahrung im Kopf und auf dem Konto sind wichtiger. Wer keine bis wenig Zukunft hat, der muss sich gerade um jene Zukunft nicht wirklich scheren. Man mag natürlich seine eigenen Enkel. Die Enkelgeneration in Gesamtheit natürlich schon weniger.

Illustration: Gerd Altmann auf Pixabay

Es sind ausgerechnet die Alten über 65, die von ihrem Wahlrecht umfänglich Gebrauch machen. Was macht die ob solcher Umfragewerte empörte Jugend? Es wird sich zeigen. Sie könnte z. B. ebenfalls in großer Zahl zur Wahl gehen, wenn sie auch die alten Mitbewohner dieses Landes zahlenmäßig nicht übertrumpfen kann. Es hindert sie jedenfalls niemand. Damit wäre schon einmal ein Anfang gemacht. Ihre Haltung „man kann eh nichts ändern“ ist sogar verständlich, ähnelt aber dem Geist „nach uns die Sintflut“ der Alten. Was diese Alten anbelangt, ist zu fragen, hat sich die Jugend jemals für die Pflegesituation in Deutschland interessiert oder gar für das Abstellgleis der Alten? Hat nicht auch bei der Jugend der von Schröder und Clement aus der Flasche gelassene Ungeist fruchtbaren Boden gefunden, die Alten in Fragen von Rente und Gesundheitsfürsorge nur noch als belastenden Kostenfaktor zu betrachten? Auf der jeweiligen Seite des Generationengrabens hat sich niemand mit Ruhm bekleckert, auch niemand die ultimative Wahrheit gepachtet. Es bräuchte eine konzertierte Aktion, die Handreichung über diesen tiefen Generationengraben zu bewerkstelligen.

Die Sprachlosigkeit untereinander aufzuheben und wieder zu einer solidarischen Gesellschaft zu finden, benötigt kühne politische Tat und einen mächtigen Kraftakt. Wo ist diese Politik zu sehen, wo sind die Politiker, die dazu in der Lage? Armin Laschet? Jener, der auf die neoliberale FDP und auf Friedrich Merz setzt? Annalena Baerbock und Olaf Scholz, genau von den Parteien, die Deutschland regierten als Hartz IV, Agenda 2010 über den Sozialstaat und seine Bürger kamen, damit Vorschub leisteten, um aus dem Wirtschaftsmodell Neoliberalismus ein verheerendes Gesellschaftsmodell zu machen. Johannes Rau sprach einst, wofür er oft verspottet, vom „versöhnen statt spalten“. Es wäre jedenfalls an der Zeit, im Generationenkonflikt darauf zurückzukommen, bevor diese Gesellschaft endgültig auseinanderdriftet und in Stücke springt. Spalter laufen in großer Zahl umher. Wo sind die engagierten Versöhner und ihre Konzepte?

*Titelbild: Illustration von N. Nowakowska

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