Gesellschaft

Kanzler Laschet

Anmerkung – 12.10.2021
Diese Ergänzung sei erlaubt, eine Überarbeitung nicht. In diesem am 4. Juni 2021 verfassten Beitrag wird ein Ergebnis angekündigt und als Einschätzung formuliert, welches in der Realität nicht eintrat und sich daher als falsch erwiesen hat. Wer in den Sumpf der Spekulation steigt, darf beim Versinken nicht klagen. Beiträge löschen, der Zeit anpassen oder schönen sollte nie Stil werden. So wollen wir es halten. Daher sei hier die Fehleinschätzung eingestanden. Dennoch gibt es auch in der den Ausgang falsch einschätzenden Vorausschau noch einige Sichtweisen, die Bestand haben sollen. Sie werden neben dem Irrtum hier weiterhin Raum behalten. JC

 

Armin Laschet Bundeskanzler? Klar doch. Warum bitte nicht? Seine Sterne stehen besser als die Sterndeuter glauben. Nicht weil er ein toller Hecht. Aber der Teich ist abgefischt und er übrig. Daran ändert auch die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt und jede darüber entstehende Aufregung nichts. Keine der thematischen Säue, die noch von den sich selbst erfüllenden Prophezeiungsinstituten, genannt „Meinungsforschung“, durch unser deutsches Dorf gejagt werden, wird es verhindern. Alles, was diese Kanzleraussicht gefährdet, hat sich längst pulverisiert. Aber die TV-Millionäre Illner, Plasberg, Lanz und Will benötigen Pulver für ihren Dampf, so wird man noch eine ganze Weile eine Suppe auf dem heißen Herd halten, die längst gar. Der Theaterdonner um Annalena Baerbock wird von Tag zu Tag Budenzauber. Die Grüne darin mehr Getriebene denn Lenkerin des Geschicks. Manchmal nicht Martin Schulz unähnlich, wenn sie auch bis ins herbstliche Finale stabiler als dieser bleiben wird. Die um sie entfachte Magie hatte etwas Flammendes, davon ist jetzt schon nicht mehr viel übrig. Der Medienbetrieb normiert auch diese Kandidatin in Überhöhung wie Tieflagen für seine Zwecke und nicht zum Wohle des Landes. Eigene Unzulänglichkeiten dieser Kandidatin besorgen dann den Rest. Doch wird Baerbock dem besten Bundestagswahlergebnis in der bisherigen Geschichte der Grünen vorstehen. Da muss man kein Hellseher sein. Nicht unbedingt wenig. Doch die Goldmedaille wird es eben nicht. Die Stunde des Armin Laschet schlägt und kommt eher schleichend und langweilig als laut und mit Feuerwerk daher. Auf kleiner Flamme dem Sieg entgegen. Nicht die Stunde eines Triumphators, eher das Momentum des übrig gebliebenen. Kein Furor treibt diesen Politiker, sein Motor ist das deutsche Mittelmaß. Damit ist er aber kein Außenseiter, sondern einer von uns. Deutscher als Armin Laschet kann man schwerlich daherkommen. Der Mann scheint sogar nett. Schlimmeres lässt sich über einen Politiker freilich kaum sagen. Ihm soll sein „nett“ gerade in Anbetracht der Merz, Lindners und Gaulands aber bewusst positiv ausgelegt werden.

Es wird am Abend der Bundestagswahl für Laschet und seine Union reichen das stärkste Ergebnis alle Parteien einzufahren. Dafür ist der Verbund CDU/CSU noch gut. Egal wie mies das Ergebnis ausfallen wird. Die Grünen mit sicherer Aussicht auf Platz zwei werden sich verdoppeln oder verdreifachen, das Kanzleramt dennoch verfehlen. Ein Triumph für den Moment, mehr aber nicht. Dieses heraufdämmernde Ergebnis haben Laschet wie die Grünen gleichermaßen einer blamablen Konkurrenz zu danken. Sind die Stimmen ausgezählt, werden die daraus ablesbaren Jagdtrophäen in neuer Rangordnung auf die politische Landkarte genagelt. Es wird eine schwarz-grüne Regierung mit Armin Laschet im Kanzleramt geben.

(Foto: erge auf Pixabay)

Sollten wider Erwarten Sitze fehlen, noch ein drittes Wesen im Boot der neuen Machtgruppe fehlen, die FDP steht bereit. Mit der FDP droht den Wählern dann die sofortige Liquidierung der Restbestände des Sozialstaates, sozusagen die Vollendung des Schröder-Kampfes gegen die Unterschicht. Der neoliberale FDP-Geist an den Schalthebeln der Macht könnte das eigentliche Grauen der Wahlnacht werden. Das zweite Grauen in Person von Friedrich Merz, dem Kanzlerkandidaten der Bild-Zeitung, wird seinen bei BlackRock gefüllten neoliberalen Folterkasten ebenfalls mit an den Kabinettstisch tragen und publikumswirksam auf die erste Schwäche Laschets warten, um diesen zu beerben. Die vorbereiteten Schlagzeilen der Merz-Boulevardpartner werden dann „Die Deutschen wollen Merz“ lauten. Alles schon da gewesen. Diesen Friedrich Merz bisher verhindert zu haben ist ein bleibender und sogar historischer Verdienst von Armin Laschet. Sich jenen dann aus purer Not in sein Umfeld zu holen, woraus Merz sich selbst gleich rosige Aussichten malte, sind die große Schwäche in Laschets Ambitionen. Mit solchen Personalkonstellationen liefen schon andere Kaliber in die Klinge. Selbst Caesar irrte gewaltig und ließ Brutus neben sich wandeln. Wie man mit Merz umgeht und umgehen sollte, bleibt ein Meisterstück von Angela Merkel. Laschet hätte davon lernen können.

In der Corona-Zeit blamierte sich Laschet ein ums andere Mal auf dem Niveau aller aktuellen Ministerpräsidenten. Er war nur verhaltensauffälliger, weil eben Boss des größten Bundeslandes. Über jemand, der sich zu bestimmten Jahreszeiten Fantasieuniformen anzieht und den Narren gibt, ist leicht lachen. Verlacht wurde auch ein gewisser Helmut Kohl als einfältiger Pfälzer. Das Wort „Birne“ machte die Runde. Franz-Josef Strauß warf ätzend ein „Kohl ist total unfähig“ in den Ring und wurde später von diesem zum Bettvorleger degradiert. In der Tat konnte Kohl allerhand nicht, aber Macht konnte er wie keiner, und das reichte für 16 Jahre und einige Einträge in die Geschichtsbücher. Margaret Thatchers „er ist so deutsch“ war nicht freundlich gemeint. Den Deutschen war genau dieser Kohl aber sehr nah. Er war so bräsig wie sie selbst und streichelte jedes Jahr vor laufender Kamera rührselig irgendein Tier in seinem Sommerurlaub. Laschet kann Kohls Machtmaschinerie nicht aufbieten, dessen Rachsucht ist ihm ebenfalls nicht zu Eigen. Aber er hat, was Kohl zu nutzen wusste wie kein Zweiter, das Amt des CDU-Vorsitzenden und damit das beste Sprungbrett ins Kanzleramt, welches sich hierzulande finden lässt. Diese Bundesrepublik ist immer noch ein CDU-Staat, Grüne hin oder her. Wobei sich die Unterschiede langsam im politischen Einheitsbrei vermischen. Gibt es einen typischeren CDU-Politiker als den Grünen Cem Özdemir?

Verspottet wird Laschet gern und für vieles bis zum heutigen Tag. Es wird noch lange so bleiben. Seine Sätze könnten des Öfteren selbst ihm nicht einleuchten. Zeugt der Satz von Annalena Baerbock „Machen wir es besser. Wachsen wir über uns hinaus, so wie viele Menschen über uns hinaus gewachsen sind“ von herausragendem Intellekt? Da kann Laschet schon noch mithalten. Der Satz könnte auch von ihm sein. Die Zeiten wo am Kabinettstisch Carlo Schmid und Kurt Georg Kiesinger über Alexis de Tocqueville sinnierten, lustvoll geschildert von Horst Ehmke, sind schon lange Geschichte. So etwas ist heute nicht mehr nötig oder gar gefragt.

Erledigt sind derweil Olaf Scholz und die SPD. Wobei diese, darin weltfremd abgestumpft, nicht einmal den politischen Tod bemerkt, wenn er schon laut an ihre Pforte pocht. Da Geschichte sich oftmals als Farce wiederholt, sollte die Grabrede auf die SPD unbedingt Gerhard Schröder halten. Eventuell in der Weste, die er ansonsten in der heimischen Küche beim Benutzen der Pfanne trägt. Es wäre doppelt passend. Seine Verdienste am Siechtum der SPD sollten ihm jedenfalls nicht streitig gemacht werden.

Die AfD wird im nächsten Bundestag etwas kleiner, wobei der Osten noch eisern wie verlässlich deren Frontlinie hält. Kleiner wird auch die Linkspartei, die mittlerweile ausgerechnet im Osten versagt. Politische Nichtskönner von mittelmäßiger Statur haben bei der Linken einmal Kampfgeist gezeigt, als sie die zweite vorzeigbare Charismatikerin der Partei, Sarah Wagenknecht mithilfe deutscher Boulevardblätter und reaktionärer Medien abservierten. Nun driftet man Richtung Fünfprozenthürde. Diese wird man überspringen, danach weiterhin völlig bedeutungslos bleiben. Gregor Gysi, der erste Charismatiker der Linken, wird dann seinen einhundertsten Abschied von der Politik verkünden, um zum zweihundertsten Mal wiederzukehren. Es wird also Laschet/Merz mit Baerbock/Habeck geben, evtl. mit Herrn Lindner als lautem aber fünftem Rad. Die Mehrheit für die Siegerkonstellation im Plenarsaal dann stabil und groß.

(Foto: Richard Ley auf Pixabay)

Der Bundeskanzler Armin Laschet wird den sprungbereiten Friedrich Merz am Kabinettstisch erdulden müssen. Wieweit Laschet dessen Begehren auf seinen Kanzlersessel abwehren kann, darf abgewartet werden. Darin wird sich ermessen lassen, welchen Härtegrad Laschet als Kanzler entwickelt. Auf Armin Laschet und die meisten unseres Stammes trifft zu, was Heinrich Mann 1914 seinem Untertan voranstellte. Einer der berühmtesten Eröffnungssätze, die es je in einem Roman gab: „Diederich Heßling war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt. Ungern verließ er im Winter die warme Stube, im Sommer den engen Garten. (…) Wenn Diederich vom Märchenbuch, dem geliebten Märchenbuch, aufsah, erschrak er manchmal sehr.“ Besser wurde der deutsche Michel niemals beschrieben. Dieser deutsche Michel wird sich schnell mit Armin Laschet anfreunden. Darin liegt die große Chance des Mannes aus Aachen. Selbst wer an den Ohren leidet, kann in Deutschland Kanzler werden. Am 26. September 2021 wird dafür der Beweis geliefert.

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