Gesellschaft

Money makes the world go round

Es geht hier nicht um Frau Sally Bowles, sondern um Herrn Frank Thelen. Jener sieht sich gern auf Augenhöhe mit den Größen des Silicon Valley, was ihn zu einem lustigen Vogel und gleichermaßen armen Würstchen macht. Der lustige Vogel hat ein Zukunftsbuch geschrieben, welches vor neoliberalen Binsen strotzt. Diese packt er in eine futuristische Sprache, um modern zu wirken. Da stehen dann fundamentale Erkenntnissätze wie „Die Digitalisierung war erst der Anfang“. Ach was! So schreibt jemand, der sich in einer künftigen Bundesregierung auf dem Stuhl des Ministers für heiße Luft sieht. Dem künftigen Kanzler Armin Laschet könnte ob dieser personellen Aussicht die gute Laune auf den kommenden Sieg vergehen. Die FDP für seine Kanzlerschaft nicht zu benötigen, wird ihn wieder in gute Stimmung versetzen. 

Das arme Würstchen in Frank Thelen hat angeblich 15 Millionen Euro auf der Kante. Respekt. Mit der Summe auf dem Konto würden sich die Herrscher über das Silicon Valley allerdings wegen Verarmung umgehend in ihre Schwerter stürzen. Wer in dieser Liga nicht zugehörig hat in Deutschland immer noch die FDP. Also die wahre Liebe. So twitterte Frank Thelen vor Stunden: „Ich habe mich mit einer Gruppe von Start-up-Unternehmen zusammengetan und spenden 500.000 € an die FDP. Ich bin überzeugt, dass eine rot-rot-grüne Regierung verheerende Folgen für unsere Wirtschaft und somit den Standort Deutschland hätte.“ (Der Tweet ist kein Tippfehler, sondern O-Ton Thelen.) Damit kommt der Weltgeist nicht mehr zu Pferde, sondern als Start-up daher. Was würde Hegel in seinem kühlen Grab auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof zu Berlin wohl dazu sagen? Auf selbigem Friedhof liegt auch sein Philosophenkollege Herbert Marcuse. Dessen „eindimensionaler Mensch“ von 1964 sollte unbedingt wieder gelesen werden. Marcuse erkannte und entlarvte die Bauart Thelen schon vor deren Existenz.

Herrn Thelens Zuneigung ist nicht frisch, sie brodelt länger. Am 15. Mai 2018 twitterte er den ersten Teil dieser Romanze: „Liebe FDP, Ihr seid eine großartige Partei und C. Lindner ist ein herausragender Politiker und Impulsgeber.“ Wie bitte? Christian Lindner, der Florian Silbereisen der deutschen Politikszene war nicht in der Lage, eine Koalitionsverhandlung zu führen und diese in ein Ergebnis münden zu lassen. Stattdessen hat er den vollmundigen Zwergenaufstand geprobt und wollte unbedingt der Bezwinger von Angela Merkel sein. Ergebnis bekannt. Aber Herr Thelen hat einen „herausragenden Politiker“ entdeckt. So viel zur politischen Urteilskraft unseres lustigen Vogels. Solch Liebesgesäusel reicht dennoch aus, um Stammgast in deutschen Talkshows zu werden. Einst hat man der großen oder kleinen Liebe rote Rosen geschickt, ein Kärtchen dazu, darauf ein geklauter Reim, den Boten bezahlt und ab die Post. Fiebernd wartete man auf eine Reaktion. Heute twittert man seine Liebe öffentlich. Bis April 2017 liebte unser lustiger Vogel noch die CDU. Er war sogar deren Mitglied. Weil er dort aber über den Status eines armen Würstchens nicht hinaus kam, wendete er sich eben anderen Betten zu. Wo die Liebe hinfällt, dort liegt sie lang. Mit Geld ist man im Bett der FDP immer willkommen. Hier soll aber ausdrücklich nicht der Prostitution das Wort geredet oder das älteste Gewerbe der Welt diffamiert werden.

Es gibt bei Thelen immer Juwelen zu finden: „Wenn wir unsere Verhandlungsposition in globalen Debatten verlieren, ist auch dem Klimaschutz nicht geholfen.“ Wer solche Sülze kocht, der gilt in diesem Land als Visionär. Könnte Helmut Schmidt doch recht behalten? „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Herr Thelen geht lieber in die Talkshow. Was geht im Kopf dieses Mannes vor? „Unsere Verhandlungsposition“. Welche Weltfremdheit umgibt diesen Menschen? Wir haben keine Verhandlungsposition. Jene, die in globalen Angelegenheiten von Tragweite eine wirkliche Verhandlungsposition haben, nehmen Deutschland am Tisch der Mächtigen weder wahr noch die EU ernst.

(Bild: Gerd Altmann auf Pixabay)

Zurück zum Geld. Was Thelen mit seiner bewusst lautsprecherischen Parteispende veranstaltet, ist nicht neu. Wer sich noch an die Flick-Affäre in den siebziger und Achtzigerjahren erinnert, die durch Friedrich Karl Flick nebst seinem Generalbevollmächtigten Eberhard von Brauchitsch betriebene „Pflege der Bonner Landschaft“ wird noch wissen, wie fett und sumpfig die FDP dabei im größten Wirtschaftsskandal der alten Bundesrepublik schwamm. Die Symbiose aus Geld und FDP ist wahrlich kein Neuland. Herr Thelen wäre viel glaubwürdiger, so er einfach die Wahrheit sagt. Es geht um die Wahrung von eigenen Interessen und die Sicherung der persönlichen Pfründe von mir und meinesgleichen. Dies zu erreichen bediene ich mich einer politischen Klientelpartei der Reichen im Rahmen der geltenden Parteispendengesetze. Fertig wäre die Laube. Wer die Kapelle bezahlt, bestimmt dann auch die Musik. Solche Art des sich ehrlich machen wäre wohltuender als diese ganzen Nebelkerzen. Wo nämlich der Mix aus armem Würstchen und lustigem Vogel durch die der Öffentlichkeit zugedachte Blendung zum Heuchler wird, hört der Spaß auf und sollte gerade in Deutschland benannt werden. Immer wird die Rettung des Vaterlandes ablenkend vor die eigenen Interessen geschoben, um diese zu verschleiern. Zusätzlich noch die rote Gefahr an die Wand gemalt. Wenn Herr Thelen es auch modern verpackt und über lockere Sprache vermittelt, das Strickmuster ist altbekannt und hat ungute Tradition hierzulande.

Deswegen sei ein kleiner historischer Rückblick gestattet. Vorab zur Güte. Die heutige FDP und Herr Thelen sollen nicht dämonisiert werden, für das große Böse sind sie selbst gemeinsam einfach einige Nummern zu klein. Maximal ein Furunkel am Gesäß des Bösen. Eben ein neoliberales Kleinbündnis. Mehr nicht. Dennoch muss man die Kontinuität von Geld und Politik im Auge behalten, gerade wenn sie so plakativ auf offener Bühne als Rettung des Vaterlandes ausgestellt wird, wie Thelen es mit seinen „verheerenden Folgen für den Standort Deutschland“ bewusst getan hat. Wer Wind sät, erntet eben manchmal Sturm. Wer erinnert sich nicht an die „Staatsbürgerliche Vereinigung“ (SV), die in den Fünfzigerjahren von der deutschen Industrie und der CDU gegründet wurde? Übrigens mit dem wunderbaren Wort „gemeinnützig“. Es ging ganz profan darum, einen Wahlsieg der SPD zu verhindern, um die Lokomotive CDU-Staat auf Kurs zu halten. Auch hier wurde die rote Gefahr beschworen und natürlich das Vaterland Deutschland gerettet. Wie großherzig und edel. In den Parteispendenaffären der Nachkriegszeit spielte die SV eine zentrale Rolle. Im tiefen Sumpf steckend wurde sie 1990 aufgelöst. Zu ihren aktiven Gründern gehörten auch Leute, die sich bestens mit den braunen Machthabern zwischen 1933 und 1945 arrangierten.

(Bild: 2211438 auf Pixabay)

Wenn wir schon bei der braunen Pest angekommen sind. Die SV hatte auch Vorgänger. Die Crème de la Crème der deutschen Wirtschaft fand sich am 20. Februar 1933 im Reichstagspräsidentenpalais des Hermann Göring ein, um vor Adolf Nazi den Kotau zu machen und dicke Schecks zu überreichen. Die Elite des Landes stand in der Schlange vor dem braunen Wolf. Der Reichstagswahlkampf vom 5. März 1933 sollte finanziert werden. Alle wollten sie im Schulterschluss mit den braunen Mordbrennern die rote Gefahr abwenden und natürlich das Vaterland retten. Als das verbrecherische Reich 12 Jahre und 50 Millionen Tote später zusammengebrochen, redeten sich die Finanziers des Weltbrandes umgehend mit der gleichen Masche raus und hatten bald wieder alle ihre Pfründe beisammen. So viel in Rückschau. (Wer gerade diesen Teil der Geschichte nicht mehr so ganz auf dem Schirm und mehr erfahren möchte, der lese unbedingt Éric Vuillard: „Die Tagesordnung“.) Es sei ausdrücklich erwähnt: Weder Herr Thelen noch die FDP sollen in dieses Boot gesetzt werden. Aber mit der Sprache von der Rettung des Vaterlandes vor roter Gefahr sollte man pfleglicher umgehen, vor allem klüger, bedachter und wissender.

Vielleicht hat Herr Thelen auch einfach nur Karl Marx falsch verstanden und ist dann in Furcht und Panik geraten. Dieser hatte bei Abfassung des Kapitals gesagt: „Das Ende des Kapitalismus müsse schon deshalb gekommen sein, weil er beginne, darüber zu schreiben.“ Damit wollen wir das Kapitel Thelen und FDP auch schließen. Im Herbst schauen wir dann, was diese Kombination aus Liebe und Kapital zur Bundestagswahl so reißt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert