Gesellschaft

Nachlese und Müdigkeit

Die politischen Farbenspiele haben begonnen. Ein Ende nicht in Sicht. Also mühten sich alle erneut und redlich. Das ZDF und die ARD gleich doppelt, weil noch ein anschließender „Plasberg“ Aber die Spezialsendungen zur Bundestagswahl sind so ausgelaugt wie Kandidaten, die man nun endlich mal wenigstens einen Tag ausschlafen lassen sollte, damit diese dann ihrem Handwerk nachgehen können, an dessen Ende ja immerhin eine neue Regierung stehen könnte. Viele sehen mittlerweile verständlicherweise ziemlich übermüdet aus. Da das Karussell sich aber weiterdrehen muss, antworten die Damen und Herren des Politikgewerbes, was sie seit Monaten sagen und fragen Journalisten, was sie schon tausendmal gefragt. Erhellend ist da längst nichts mehr. Wie auch. Nun kommt eben noch ein Koalitionspoker hinzu, dessen Spannungsgehalt mäßig. Alle Sendungen warten umgehend, die Wahl ist noch keinen Tag vergangen, mit diversen Umfragen und dem unvermeidlichen „was meinen die Deutschen, was sagen die Deutschen, wen mögen die Deutschen usw.“ auf. Dieses ewige Befragen ist längst an die Stelle des Wetterberichtes getreten und hat etwas von Fleischtheke: „Darf’s ein Scheibchen mehr sein?“ Wer sagt da schon nein. Nun gut.

Eines blieb bei diesen Nachbetrachtungen und Ausblickversuchen auffällig. Die gesamte Medienlandschaft stellt in Kommentaren und Analysen die Königsmacherrolle der FDP mit ihren 11,9 Prozent deutlich höher als die der Grünen mit ihren 14,8 Prozent. Merkwürdige Sichtweise. Die Grünen in jener Sichtweise eher verfügbare Deppen, die nach der Brautnacht mit der FDP dieser auch in ein gemeinsames Schicksal hinterher trotten. Allerdings wurde etwas sehr Aussagekräftiges nie thematisiert und in keiner dieser um Aufhellung bemühten Runden je erwähnt oder angesprochen, geschweige denn der FDP als Frage vorgelegt oder dem Publikum als Information gereicht. (Wo Politiker immer ein und dasselbe antworten, müssen Journalisten auch keine neuen Fragen erfinden oder gar Informationen verbreiten. Es geht zur besten Sendezeit offensichtlich ohne beides.) Hätten wir nämlich Verhältnisse mit einer einfachen, nachvollziehbaren und direkten Wahl ohne die verschlungenen Pfade von Erst- und Zweitstimme, mit Überhang- und Ausgleichsmandaten, sähe der Bundestag völlig anders aus. Wäre es also wie z. B. in Großbritannien, wo ein Parlamentarier nur Parlamentarier, so er einen Wahlkreis gewinnen kann, dann gäbe es die FDP nur noch in Talkshows, nicht mehr im Deutschen Bundestag. Die FDP ist erneut die einzige Partei im Parlament, die kein Direktmandat geholt, also nicht einen Abgeordneten in ihren Reihen hat, der seinen Wahlkreis gewinnen konnte. Auch eine Leistung. Dies zu überspielen und wie eine 60 Prozent-Partei aufzutreten, werden nun allerdings von selbiger FDP die Backen aufgeblasen, als hätte Zeus sie zum neuen Windgott erhoben und Medien melden pflichtschuldigst den mächtigen Orkan, hinter dem wohl nur ein laues Lüftchen. Königsmacher Lindner wird es freuen. Mal schauen, wohin die schwache Brise das Land treibt. Manchmal sind nicht nur die Kaiser nackt, sondern auch deren Macher.

*Titelbild: InspiredImages auf Pixabay 

 

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