Leben

Sie sind unter uns

Der Zorn von Waldorf und Statler lebt in uns allen. Ob alt oder jung dabei fast egal. Keiner ist wirklich davor gefeit, schon gar nicht an miesepetrigen Tagen oder wenn die Jahre für einen ins Land gegangen und man nicht mehr so ganz dazu gehört. Die nörgelnden Ironiker mit dem Sarkasmus auf der Zunge und im Herzen begleiten die Muppet-Show kritisch und das Leben bitter. Hätten reale Schauspieler diese Puppen einmal mit Leben füllen müssen, die Rollen waren maßgeschneidert für Walter Matthau und Jack Lemmon. Da beide nicht unsterblich wie Puppen, sondern längst verblichen und nur noch in ihren Filmen lebendig, hat sich diese Besetzungsvision von selbst erledigt. Schaut man auf lebendes Personal, so bekommt man zumindest in Deutschland einiges angeboten, nicht auf den ersten Blick, aber doch auf den zweiten. Dabei findet man eher Laiendarsteller als Hauptrollen. Dem ehemaligen Journalist und heutigen Pausenclown beim TV der Niedertracht, Hans-Ulrich Jörges, gingen dieser Tage die rhetorischen Pferde durch. Beim Zetern über die SPD und den von ihr angeblich zur Beute gemachten Staat (Herr Jörges scheint mit der Geschichte unseres Landes und der Besetzung von Staatsämtern nicht sehr vertraut.) ritt er schnaubend in seinen selbst angerührten Politquark. Dort verlor er Kopf und Orientierung, wollte partout Wolfgang Bosbach zum Bundespräsidenten küren. Sicher meinte er wohl eher Wolfgang Schäuble, was ihm in seine Rage nicht über die Zunge ging. Seinen Talkpartnern fiel Jörges Durcheinander nicht einmal auf, weswegen alle auf der Bosbach-Welle weiterritten. Darunter eine Moderatorin ohne Schimmer und eine Bosbach Tochter, die nun eine deutsche Tea-Party-Bewegung mit Namen „The Republic“ unters rechte Volk bringen möchte. Jörges stand derweil in seinem Schachmatt und staunte. Die Nummer ging jedenfalls viral und unterhält seither köstlich das soziale Netzwerk. Ein Brüller. Für Statler oder Waldorf entpuppte sich Jörges als eine Idealbesetzung, sofern er nicht Pressesprecher bei „The Republic“ wird.

Der Fips Asmussen der FDP, show- und sturmerprobt unter seinem bürgerlichen Namen Wolfgang Kubicki bekannt, wäre ein guter Partner. Man denke nur an sein öffentliches Trommeln in Sachen Stammkneipe, saufen unter Stammtischbrüdern, abbügeln von Karl Lauterbach und seine ständig und ungefragt abgesonderte Dauerwerbeschleife „Lindner muss Finanzminister werden“. Linder könnte es allerdings dämmern, wer solchen Werber hat, der wird am Ende eher Landwirtschaftsminister. Für die Besetzungssuche in Sachen Statler oder Waldorf wäre Lindner selbst zu jung, muss also in der Politik bleiben. Kubicki dagegen eine Art Traumbesetzung. Konkurrenz für Jörges und Fips Asmussen auf jeden Fall Friedrich Merz. Aktuell fordert dieser den Rücktritt des CDU-Präsidiums, denen er seine Schuldrechnung an der Wahlniederlage aufmacht und sich als Aufräumer verkauft. Dabei spielt er jugendliche Zukunftskraft. Ein Mann der alten Tat. Wie er sich dem Kandidaten Laschet aufnötigte, mithilfe seiner medialen Kumpel in dessen Kandidatur drängelte und als Superminister in spe stolzierte, war ein Lehrbeispiel für Anbiederung. Vergessen und vorbei, längst von der Merz-Weste gewaschen. Mit diesen Drehungen und Wendungen könnte er sogar ins Bühnenprogramm der Muppets, nicht nur in die Loge der ewigen Nörgler.

Da man Herrenrollen längst problemlos wie bereichernd mit Damen besetzen kann, Asta Nielsen spielte schon vor hundert Jahren den Hamlet, Glenda Jackson vor zwei Jahren den Lear, darf auch eine weibliche Besetzung angedacht werden. Unschwer landet man da bei Annalena Baerbocks Talent. Diese wanzt sich nun mit populistischen Attacken gegen Nord Stream 2 bei jenen an, von denen sie im Bundestagswahlkampf täglich in die Pfanne gehauen wurde. Was auch viel über ihre politische Urteilskraft sagt. Sie sollte sich den Jubel, den sie nun erhält, lieber genau ansehen. Beim Thema eigener Überschätzung landet sie sonst schnell im Universum Julia Klöckner und Andreas Scheuer. Ebenfalls eine denkbare Besetzung für Statler & Waldorf, weil beide mehr von schauspielerischen Fähigkeiten gestreift als von politischem Können beseelt. Warten wir nun erwartungsvoll auf den Regisseur, der die hier behandelten Talente auf die Leinwand bringt. Bis dahin gehört das Schlusswort wieder einmal Tucholsky: „Und darum wird beim happy end im Film jewöhnlich abjeblendt.“

*Beitragsbild: Screenshot aus Muppet-Doku

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