Gesellschaft

Söder macht mobil

Unlängst söderte es mal wieder im Land. Auf dem CDU-Parteitag ist es gute Sitte, wenn der CSU-Vorsitzende erscheint und Grußworte persönlich adressiert. Einst tat so etwas regelmäßig auch Franz Josef Strauß, der ja um krachlederne Rhetorik nie verlegen war. FJS riss die von Helmut Kohls tönender Bräsigkeit in den Schlaf geredeten Delegierten wieder ins Leben. Friedrich Merz ist so wenig Kohl wie Markus Söder FJS. Gemocht haben sich die Herren in beiden Paarungen nie. Der legendäre Waldspaziergang von Strauß und Kohl war die Farce einer Freundschaft, die es real nie gab. Auch Söder und Merz besuchen einander. Natürlich medienwirksam und öffentlich. Muster ohne Wert. Mögen tun diese beiden sich bekanntermaßen nicht. Wie auch? In der Politik gilt wie im Film „es kann nur einen geben“. Nun wollte Söder jedenfalls auf dem Gelände des Freund-Feindes Merz punkten. Legitim. Irgendwann landete Söder dann beim sogenannten politischen Gegner, in seinem Fall bei Anton Hofreiter, einem Grünen. Was Söder alles losließ, gehört zum politischen Geschäft und ist längst vergessen, ging unter in seinem Schlusssatz, der ihn und das johlende Publikum mehr bloßstellte als den gemeinten Hofreiter:

Ich glaube Anton Hofreiter erst dann, dass er für die Bundeswehr ist, wenn er sich endlich einen ordentlichen, militärischen Haarschnitt zulegt.

Die Friseurschere als Beleg für politische Glaubwürdigkeit. Wenn es so einfach wäre. (Foto: Pixabay)

Was Söder auch immer glaubt, es ist seine Sache, die Haare von Anton Hofreiter und deren Länge gehen ihn allerdings – mit Verlaub – einen Scheißdreck an. Der Schreiber dieser Zeilen empfindet für Anton Hofreiter eine Menge politische Verachtung. Hofreiter ist ein gleißender Opportunist, der aus gekränkter Eitelkeit und gestrandetem Ehrgeiz lieber zum Kriegstrommler wird, als sich still in die zweite politische Reihe zu fügen. Nur weil er bei der bundespolitischen Postenbeute der Grünen leer ausging, ist jetzt Krieg sein Begehr. Hofreiter, für das Amt des Landwirtschaftsministers durchaus fachlich geeignet, zumindest beruflich vorgebildet, musste mit ansehen, wie ihm der von noch mehr Eitelkeit zerfressene Cem Özdemir vorgezogen wurde, der von der Materie Landwirtschaft keinerlei Ahnung. So etwas frisst verständlicherweise an der Seele und schafft im Fall von Hofreiter offensichtlich sogar einen fanatischen Krieger. Dass er jetzt als lärmender Bellizist durchs Land zieht und schwere Waffen in einen konfliktreichen Krieg bringen will, ist schlichtweg dumm, weil es nur anheizt und der Eskalation dient, wo die daraus erwachsene politische und ökonomische Spannung ohnehin immer bedrohlichere Züge annimmt. Hofreiter will einen Krieg gegen eine Nuklearmacht gewinnen und keinen Frieden schaffen. Wahnwitzig. Was Hofreiter dabei aus seinem Kopf wächst und wie lang er es trägt, hat damit allerdings überhaupt nichts zu tun und geht den Schreiber dieser Zeilen einen feuchten Kehricht an. So sollte es gefälligst auch Herr Söder halten.

Solange es Haare gibt, liegen sich die Menschen in denselben. (Heinz Erhardt)

Ansonsten würden Söder und jene, die ihm bei solch dämlichen Sätzen noch geifernd zujubeln, arg an früher erinnern. Und früher war wahrlich nicht alles besser. Weder im früher noch im ganz früher. Im deutschen Wirtschaftswunder der fünfziger wie sechziger Jahre galten Langhaarige als asozial und wurden so bezeichnet, oft von Lehrern, die, bevor sie Pädagogen wurden, als Obersturmbannführer durch KZs marschierten oder die Ostfront abschritten. Wer Turnschuhe auf dem Schulhof trug und außerdem noch lange Haare hatte, konnte von solchem Abschaum durchaus nach Hause geschickt werden. Bei besonderem Pech hörte man daheim dann noch „so lange du die Füße unter meinen Tisch steckst“ und „geh endlich zum Friseur“. Gegen die 68er trug man Schilder „Lasst Bauarbeiter ruhig schaffen – kein Geld für langhaarige Affen“ durch Berlin (West). So war es früher und lange Haare waren durchaus überhöhtes Symbol eines politischen Kampfes. Um nicht die alten Schlachten vergangener Zeiten heraufzubeschwören, sollte Söder künftig erst denken und dann reden, was sowieso immer hilfreich. Wenn er es weiterhin nicht auf die Reihe bekommt, könnte noch einer auf die Idee kommen und meinen, es liegt wohl an seiner Frisur, dass es mit dem Kopf nicht klappt. Und dann werden wir bei GERADEZU auch jenem in die Parade fahren. Freiheit ist immer auch die Freiheit der kurzen, mittleren und langen Haare wie jeder Glatze. Alle diese Formen gilt es zu verteidigen. Egal, was man von den Köpfen und Gehirnen darunter hält.

Robert Plant, legendärer Frontmann und Sänger von Led Zeppelin, wäre nichts für Söder oder für Hofreiter und schon gar nichts für Haarschnitt und Bundeswehr. Die Welt wird sich seiner Stimme sowie seiner Haare allerdings noch erinnern, wenn Söder und Hofreiter nicht einmal mehr als historische Fußnoten der deutschen Geschichte dienen. (Screenshot: Led Zeppelin, Konzert 2007, London)

*Titelbild: Pexels auf Pixabay

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert