Gesellschaft

Vereinnahmte Helfer

„Coronahelfer dürfen mit aufs Gruppenfoto“ titeln deutsche Blätter über den Foto-Moment des G20-Gipfels. Als wäre es eine erwiesene Huld der Elite, welche das medizinische Proletariat noch als dankbare Gnade genießen sollte. Mediziner, Rettungssanitäter, Krankenschwestern und Ärzte auf der Bühne des G20-Gipfels sind ein schönes Bild und zollen den Menschen des Gesundheitswesens… Was eigentlich? Anerkennung, Respekt und Wertschätzung, Geld? Hierzulande ist diese Art Bezeugung schon längst desavouiert, weil das Personal im Gesundheitswesen in der Pandemie eines gelernt hat, nach dem Applaus kommen die Stille und der Alltag, darin ihre Nöte und Sorgen wie gehabt. Unzureichende Bezahlung, oft katastrophale Arbeitsbedingungen durch Über- und Mehrbelastung und in Zeiten wie diesen auch noch Anfeindungen und Pöbeleien von wissenschaftsfernen Idioten, die in Deutschland verniedlichend als Querdenker tituliert werden. Diejenigen, die das Gesundheitswesen im Alltag und in Krisenzeiten hoch und mit Engagement am Leben halten, verdienen unser aller Respekt 365 Tage im Jahr rund um die Uhr. Vor allem aber verdienen sie wesentlich mehr, nämlich eine deutlich bessere Bezahlung. Es wäre schön und ein Trost, wenn die mit Applaus bedachten aus dem Gesundheitswesen zu den Siegern der Pandemie gehören würden. Gehören sie aber nicht. Ein Selfie mit Frau von der Leyen oder Herrn Biden hilft nicht bei der Mietzahlung oder Tankfüllung. Hohle Gesten und Lippenbekenntnisse vermitteln dagegen nur den Eindruck des von Pestalozzi beschriebenen „Mistlochs der Gnade“.

Die anderen Herrschaften auf der Bühne nehmen in keiner Weltlage wirtschaftlichen Schaden. Politische Eliten erhalten ihre Einkommen und Versorgungen von den Weltläufen unberührt, auch wenn ihnen Pension und Ruhestand drohen oder winken. Hätte man in Rom diese Weltläufe ehrlich gespiegelt, dann wären die wahren Sieger der Pandemie auf dem Podium erschienen. Da fallen einem die großen Schmarotzer des Planeten ein, die Superreichen im Milliardärsstatus. Die Bezos, die Musk, die Arnaults, die Buffetts usw. haben sich in den letzten zwei Jahren dumm und dämlich verdient, ihre Vermögen in einem Tempo vervielfacht, dass einem diese Pervertierung den Atem verschlägt. Es gibt noch andere Gewinnerspezies, tiefer auf der Leiter des großen Geldes, kleinere Hutnummern, aber noch mit bester Aussicht auf die Sonne des Lebens und Teil des Universums der oberen Zehntausend. Wir könnten aus Deutschland die Maskendeal-Profiteure mit Millionenprovisionen beisteuern.

Oder schauen wir auf die Fußballprofis. Ungerührt von den Niederungen und Ängsten der Otto Normalverbraucher zogen diese ihr Ding durch. Geldgierige Vereine, Oligarchen, Mörderregime und eine in weiten Teilen von Verstand und Moral befreite Anhängerschaft garantierten ihnen weiter das dicke Geld in Form von Millionengagen. Fans auf den Tribünen, auch eine Erkenntnis der Pandemie, sind für den großen Reibach im Fußball nicht nötig. Sie sind nur Kulisse wie ein Gebrauchsgegenstand auf der Theaterbühne. Insofern wäre als realistisches Beispiel eine Geld-Mannschaft wie Paris St. Germain, Real Madrid, Bayern München oder Manchester City auf der Bühne angemessen gewesen und dazu noch ein Hobbyteam aus Milliardären, hinter denen das medizinische Personal hätte hinterherfegen müssen. (Im Milliardärsteam vielleicht Herr Bezos, der Mannschaftskapitän, dem ein unterbezahlter Paketbote die Fußballschuhe hinterherträgt.) Dann wäre der falsche Geist und Irrweg unserer Zeit ehrlicher gespiegelt worden. So bleibt der Schein, den sowieso niemand glaubt. Die Menschen des Gesundheitswesens können derweil Tucholsky rezitieren oder singen, so ihnen dies nicht längst vergangen: „Das ist der Pfennig. Aber wo ist die Mark?“ (Tucholsky hätte sicher keine Einwände, wenn Pfennig und Mark modernisiert durch Cent und Euro ersetzt würden.)

*Beitragsbild: G20-Gruppenfoto, Rom 2021 (Screenshot ZDF Nachrichtensendung)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert