Gesellschaft

Lauter Finanzminister, wohin das Auge reicht

Dem Interesse von Medien am Sensationsrausch und gleichermaßen Desinteresse an Inhalten könnte der themenlose Olaf Scholz noch genau so zum Opfer fallen wie seine themenlosen Mitkandidaten Annalena Baerbock und Achim Laschet. Wobei Scholz im auf der Hut sein, sehr professionell wirkt und als schlauer Fuchs rüberkommt. Darin seinem Mitbewerberduo überlegen. Hält Scholz sein kleiner Auftrieb mit über 20 Prozent für die SPD an, könnten noch die üblichen Verdächtigen auf die Idee kommen, nun auf Scholz einzuprügeln, vorneweg einschlägige Unternehmensmedien es dem Wahlvolk auch mit diesem Kandidaten verderben, damit ja die FDP den Kanzlermacher spielen kann und niemand dieses Ziel trübt. Eine Anti-Scholz-Kampagne in den nächsten vier Wochen also nicht auszuschließen.

Während sich Deutschlands Wahlvolk auf ein neues Kanzlergesicht einzustellen versucht, das im Moment trotz aller Desaster und Lächerlichkeit immer noch dem von Armin Laschet am ähnlichsten kommt, aber durchaus auch andere Züge tragen könnte, ist für einen politischen Tiefflieger im Überflugmodus längst alles klar. Für den FDP Vorsitzenden scheint die Bundestagswahl gelaufen, weil er schon seine fiskalische Herrschaft über das künftige Deutschland wie eine Monstranz vor sich herträgt. Kaum eine Gelegenheit, bei der sich der Herr Lindner nicht als künftiger Finanzminister gebärdet, den Leuten ungefragt erzählt, wie entschieden und bürgerlich er im Amt sein wird. Niemand im politischen Geschäft dieses Landes zeigt übrigens öfter mit dem Finger durch die Gegend als der FDP Vorsitzende, bevorzugt auf andere Leute. Caligulas Pferd hat um seinen Senatorensitz weniger Gewieher gemacht als dieser FDP Mann um seinen künftigen Ministersessel. Medien springen auf solche Narretei immer an, die Zeit titelte: „Er sieht schon so nach Minister aus.“ Wer ihn zum Finanzminister macht und unter ihm Kanzler sein darf, ist diesem Herrn Möchtegerngroß natürlich egal. Beim Stichwort „bürgerlich“ aus Lindners Mund sollte übrigens vor allem die wachsende Zahl sozial angeschlagener Menschen auf der Hut sein. Diese große Lüge von den „Bürgerlichen“ sollte niemand mehr schlucken, sie hat für kleine Leute noch nie etwas Gutes nach sich gezogen, zumal wenn die FDP dahintersteckte. Lindner, Merz und dergleichen sind aus einem für die Reste des Sozialstaates lebensbedrohlichen neoliberalen Holz.

Finanzminister. Er? FDP-Mann Lindner (Foto: Kevin Schneider auf Pixabay)

Lindners tägliches Geifern basiert einzig auf Umfragen, die ihm und seiner FDP alles zuschustern, was Laschet und die CDU gerade abgeben. Diese Umfragezahlen, die mittlerweile fast stündlich durchs Land und in politische, aber vor allem unpolitisch unwissende Köpfe geblasen werden, sind mehr Haschen nach Wind und Wettervorhersage als ernsthafte Wissenschaft. Egal was die liefernden „Institute“ den Leuten erzählen. Dennoch ist diese Glaskugelleserei doch zum Fixstern für politisches Handwerk geworden. Deshalb sieht dann eben die Politik auch aus, wie sie momentan aussieht. Diese Institute sind nicht neutral, sondern politisch unterwegs, dienen Interessen und befördern diese. Das Stichwort Allensbach sollte reichen, wo immer eine positive CDU Umfrage benötigt, ist man zur Hand. Oder ein negativer Demoskopenschrei „die Roten kommen“, so es gilt, CDU Wähler zu mobilisieren. Die Methode Noelle-Neumann lebt.

Man braucht kein Institut, um sich einen ungefähren Ausgang der Bundestagswahl vorstellen zu können oder besser gesagt auszumalen. Die Zahlen dazu kann man dann schnell zu Papier und unters Volk bringen, nebenher in ein wissenschaftliches Gewand kleiden. Diese Wahl bietet einiges an Koalitionsoptionen, daher ist das Zahlensalatspiel derzeit besonders hoch im Kurs. Armin Laschet wird bei aller auf ihn einstürzenden Lächerlichkeit, die oft sehr tapsig selbst verschuldet, aber auch künstlich aufgeblasen, noch einiges an Optionen behalten. Mit selbigen Optionen könnte Laschet von Grünen und FDP zum Kanzler gemacht werden oder weniger wahrscheinlich, Scholz von Grünen und FDP. Die SPD unter Laschet ist wohl nicht mehr denkbar, es wäre der letzte Quader auf den Sargbau der Sozialdemokratie. Zuzutrauen bleibt der SPD des 21. Jahrhunderts natürlich alles. Würden rechnerisch SPD, Grüne und Linke eine Mehrheit der Sitze einfahren, wäre sogar das Erpressungspotenzial des künftigen Finanzministers und Kanzlermachers Lindner zerstoben, was ihm Furcht in sein politisches Gebläse treibt. Natürlich wird Scholz dieses Koalitionsmodell nicht eingehen, selbst wenn es machbar wäre. Muss er auch nicht. Die Linke hat sich durch politische Schwindsucht selbst ins Sterbezimmer gelegt.

Finanzminister. Er? Grüner Habeck (Foto: Björn Eichenauer auf Pixabay)

Der Grüne Robert Habeck ist von Medien, der grünen Partei und dem Zeitgeist um die Lebenschance der Kanzlerkandidatur gebracht worden. Die Grünen haben dadurch höchstwahrscheinlich 5 bis 10 Prozent Stimmen in die Tonne getreten. Er könnte sich dennoch ums Vaterland verdient machen, wenn er in Koalitionsverhandlungen dem Finanzminister in spe Christian L. entgegentritt und dem seinen schon angepassten Amtsstuhl noch unter dem neoliberalen Gesäß wegzieht. Dann wäre es mal wieder spannend in der deutschen Politik. Einem hat Habeck schon die Harke gezeigt und damit erneut den Grünen die falsche Wahl ihrer Spitzenkraft vor Augen geführt. Finanzminister mit ähnlicher Selbstüberschätzung wie Lindner wäre auch gerne Friedrich Merz von der CDU. Dieser stellte sich zuletzt im Ersatzparlament des deutschen Talkshowuniversums dem direkten Duell mit Habeck als ein Dünnbrettbohrer mit überkommenden und veralteten Rezepten dar, die mit einer modernen Ausrichtung der Finanzpolitik eines Staates wenig bis nichts zu tun. Außer der Senkung von Unternehmenssteuern, ein Knicks vor der eigenen Klientel und seinesgleichen in konservativen Wirtschaftsblättern, fällt einem wie Merz nichts ein. Sozusagen Lindner der II. Merkel wusste, warum sie auf diesen Mann weder setzen noch zählen konnte. Habeck wischte Merz jedenfalls dessen angeborene Arroganz mit Argumenten aus dem Gesicht und übrig blieb ein ausgelaugter Politikdarsteller von gestern.

(Tippen ist heute längst an die Stelle von Denken gerückt. Damit müssen Kanzlerkandidaten und wir alle leben. Wenn Laschet die Maske an einer Ladentheke mit weit geöffneter Tür einen Moment zu spät aufsetzt oder sich bei anderer Gelegenheit einfach nur ein Eis kauft, kann die Twitter-Blase den Geifer nicht halten. Geschenkt. Wenigstens seriöse Medien sollten nicht jeden Müll auf ihre Speisekarte setzen, nur weil er den Stempel „Social Media“ trägt und sich mit dieser an Revolverblätter gemahnenden Methode gleichtun. Gibt es im Wahlkampf für ernsthafte Journalisten keine Themen und Inhalte zu entdecken, muss man den Dreck vom Twitter-Fußboden auflesen, um seinen Job zu machen? Vertwittert werden auch Baerbock und Scholz, um das Wort verwurstet zu meiden, jeder von einer bestimmten Klientel. Vieles davon ist nur bedingt lustig oder inhaltlich bedingt, manches noch unterhalb der Kategorie dämlich, vieles sogar unter der Gürtellinie.)

*Titelbild: Arek Socha auf Pixabay

 

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