Gesellschaft

Schuld und Sühne

In der Afghanistan-Nachdebatte wird öffentlich vor allem veröffentlicht, vielerlei Anklage und Anschuldigung erhoben. Selbstkritik von Medien dabei weltweit Fehlanzeige. Als Kriegstreiber auf dem Vormarsch – und hier sind vor allem George W. Bush, Dick Cheney, Donald Rumsfeld (†), Colin Powell und verheerend mit dabei Tony Blair zu nennen – hatten diese eine breite Medienfront an ihrer Seite. Diese werden heute kaum noch benannt, als hätten die ihnen nachfolgenden Politiker größere Schuld auf sich geladen. Merkwürdige Geschichtsvergessenheit. Könnte aber auch damit zu tun haben, dass man, so man diese nicht erwähnt, auch die eigene damalige Rolle besser unter den Teppich kehren kann. Kriegsbesoffenheit ist kein neues Übel, es hat unsägliche Tradition. Man denke nur an das Schlachthaus 1. Weltkrieg. Weite Teile der deutschen Geisteselite geiferten sich damals um Kopf und Kragen. Thomas Mann salbaderte „Krieg! Es war Reinigung, Befreiung, was wir empfanden“, Ernst Barlach war patriotisch erregt, Gerhart Hauptmann jubelte über die Einberufung seines Sohnes an die Front mit einer freudigen Ode. Noch viele ließen sich schändlich aufzählen. Nachher wollten die alle davon nichts mehr wissen oder gar damit zu tun gehabt haben. Auch dieser Reflex nicht neu und immer wieder aufs Beste anzuwenden. Stichwort 1945.

Soldaten im Einsatz (Foto: Defence-Imagery auf Pixabay)

Die schlimmen Verfehlungen der für den Afghanistankrieg politisch Verantwortlichen zu benennen, die diesen Feldzug angefangen und geführt haben, würde bedeuten, die Rolle der Medien bei der Ermöglichung des Krieges wieder in Erinnerung zu rufen. Die nämlich aktuell nach Sündenböcken suchen und schreien, haben vor 20 Jahren aktiv geholfen, diesen verheerenden Krieg in Gang zu setzen. Medien spielten eine entscheidende Rolle, um den Kriegs- und Blutdurst zu schüren. Mahner, kritische Betrachter, Skeptiker und Friedensanhänger wurden gerade von diesen in weiten Teilen dämonisiert und verleugnet. Selbst kritische Journalisten wurden von der Masse der eigenen Zunft abgetan und als Sonderlinge gestempelt. Ein Schicksal, dem nicht einmal der weltkluge und erfahrene Peter Scholl-Latour mit seinen Warnungen entging. Es lässt sich alles wunderbar in Archiven und mit dem Zauberkasten Google nachlesen. Nach dem Desaster ist ein „wir haben auch Schuld auf uns geladen“ von Medien nicht zu vernehmen, mit dem Gemetzel und Fehlschlag will keiner was zu tun gehabt haben, die Hände werden in Unschuld gewaschen. Da lässt es sich gut an, wenn man in der beruflichen Position ist, andere zu bezichtigen. Wahrscheinlich fehlt einfach die Zeit, man muss ja im Stundentakt Schuldige nennen, den Pranger füttern.

Einer, der wahrlich an einen Pranger gehört, gibt dabei noch frech den Besserwisser und bekommt wieder Bühne dafür, weil er genau weiß, mich lassen sie davon kommen. Tony Blair, einer der perfidesten europäischen Politiker der letzten Jahrzehnte, erdreistete sich sogar in einem Interview die Schuld nun Joe Biden wegen dessen Abzug in die Schuhe zu schieben. Blairs eigene Rolle, die von der britischen Bevölkerung schlicht und ehrlich als „Kriegsverbrecher“ benannt wird, verschweigt dieser gern. Seine und Bushs Täterschaft wird geflissentlich ausgeblendet. Ausblenden tun auch jene, welche beruflich hinsehen sollten, aber den Blick auf das eigene Tun lieber scheuen. Läuterung Fehlanzeige. Medien werden sich daher weiter mit Inbrunst auf Konflikte und Kriege stürzen, die sie intensiv mit anheizen. So Blut fließt ist die Quote besser, Tote bringen Aufmerksamkeit und Auflage. Das Spektakel Krieg garantiert für beides. Also sollte niemand auf die Sühne der Schuldigen und Mitschuldigen warten. Sie haben längst schon wieder anderes zu tun und anzurichten.

*Titelbild: congerdesign auf Pixabay

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