Gesellschaft

1.472

Potz Blitz! Von den ca. 80 Millionen Deutschen haben am heutigen Sonntag immerhin 1.472 Menschen das Recht, unseren Präsidenten zu wählen. Ein großer Teil jener Schar rekrutiert sich aus Bundestagsabgeordneten und Mitgliedern der Landesparlamente, der Rest wird von den Parteien als Wahlleute bestimmt. Dabei werden gerne Promis gewählt oder was man in Deutschland für solche hält. Diese genießen in ihren Feldern Musik, Film, TV, Theater, Kunst usw. eine gewisse Reputation und sind bekannte Nasen in der Öffentlichkeit. Natürlich gibt es auch Krankenschwestern, Feuerwehrleute und Polizisten, die ohne Wenn und Aber aller Ehren wert. Seit einigen Jahren werden gerne noch etwas schrille Zeitgenossinnen/Zeitgenossen geladen, um die fröhliche Buntheit unsere Republik zum heiteren Ausdruck zu bringen. Schändliche Personalien sind natürlich auch zu finden. Vorneweg dabei wieder die FDP. Diese sendet in die Bundesversammlung u. a. den Ministerpräsidenten a. D. von AfD-Gnaden Kemmerich und den peinlichen wie dummen „Investor“ Frank Thelen, der schon über die Zwangssterilisation bei Afrikanern schwadronierte. Ob unter den Wahlberechtigten auch Empfänger von Hartz 4 oder Obdachlose, ist nicht nach außen gedrungen. Wie viele Wahlberechtigte aus dem Heer der 13,4 Millionen Menschen kommen, die in Deutschland in Armut leben, ist ebenfalls nicht bekannt. Medien berichten jedenfalls in Sondersendungen und mit Aufwand von diesem Wahltag. Dabei wird ein Ereignis ohne jede Spannung extrem aufgeblasen, um ein Fest der Demokratie zu suggerieren, welchem die Mehrheit der wahlberechtigten Menschen in Deutschland ziemlich gleichgültig gegenübersteht. An einem Sonntag haben viele sowieso anderes zu tun. Was da in Sachen Bundespräsidentenwahl über die Hauptstadtbühne geht, wirkt ähnlich dem Ritual, welches ab und an in der Sixtinischen Kapelle durchgeführt. Dort wählen ca. 120 Kardinäle einen Papst und nehmen neben Gott dafür noch eine Milliarde Katholiken in Haftung. Dagegen sind 80 Millionen Deutsche natürlich eher ein Klacks.

Wofür der jeweilige Amtsinhaber nichts kann, der Mensch im Amt des Bundespräsidenten hat nun wirklich wenig bis nichts zu melden und die Öffentlichkeit weiß dieses auch. Somit könnte man dessen Repräsentationsaufgaben eventuell an den jeweiligen Bundestags- oder Bundesratspräsidenten knüpfen. Regeln zur Umsetzung ließen sich dafür sicher aufstellen. Dazu wird es natürlich nicht kommen. Vielleicht irgendwann doch zu einer Direktwahl? Zumindest sollte man intensiv darüber nachdenken, der angeschlagenen Demokratie dadurch etwas Schub verpassen und die Menschen in Gesamtheit über ihr Staatsoberhaupt abstimmen lassen. Es wäre nur ein kleiner Schritt, doch immerhin in die richtige Richtung. Für das aktuelle Wahlritual, so ehrlich müssen wir doch sein, interessiert sich hauptsächlich die Politikblase in Berlin, die immer erschreckender und abgehobener um sich selbst kreist, hauptsächlich aus Medienvertretern, Politikern, Beamten und Lobbyisten besteht. Vielleicht macht sich Frank-Walter Steinmeier in seiner nächsten Amtszeit einfach auf den argumentativen Weg und legt das Amt den Bürgerinnen und Bürgern sozusagen in die Hände, kämpft persönlich für eine künftige Direktwahl des Bundespräsidenten. Diese Wahl würde wegen der Machtlosigkeit des Amtes sicher keine Rekordzahlen bei der Wahlbeteiligung erbringen. Doch einiges mehr als 1.472 Stimmen wäre in den Wahlurnen mit Sicherheit zu finden. Nur Mut!

*Beitragsbild: Bisheriger und künftiger Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Foto: Christian Bueltemann auf Pixabay)

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