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Sadio Mané – erst Mensch, dann Fußballer

Er verkörpert Weltklasse im Fußball. Vor wenigen Tagen siegte er mit dem Senegal über Ägypten im Finale des Afrika-Cups und wurde Afrikameister. Das Endspiel in Kameruns Hauptstadt Yaoundé fing nicht gut für ihn an. In der Anfangsphase verschoss er einen Elfmeter. Es folgten 120 Spielminuten ohne Treffer. Im Elfmeterschießen trat er nochmals an und versenkte den Siegtreffer zum 4:2 im Tornetz. Ein klassisches Fußballdrama. Sadio Mané, 29 Jahre jung und seit 2016 Stürmer beim FC Liverpool, erfüllte sich damit einen Lebenstraum. Das Gefühl großer Titelgewinne kennt er, ist englischer Meister, Champions League Sieger und Afrikas Fußballer des Jahres. Ginge es nach objektiven sportlichen Qualitäten und nicht nach korrupten Sportverbänden an der Leine von Sportartikelgiganten und Werbeträgern, Mané wäre ein würdiger Weltfußballer, ähnlich seinem Liverpooler Mitspieler Mohamed Salah und dem Franzosen Kylian Mbappé. Nach Liverpools Champions League Sieg 2019 baute Mané allerdings sichtbar etwas ab. Dazu gesellte sich umgehend das übliche Fußballgebrabbel. Darin die These, der senegalesische Flügelflitzer hätte angeblich seinen Zenit längst überschritten. Bei diesem Gerede wurde allerdings der enorm wichtige Einfluss von Mané auf das Spiel und das Team des FC Liverpool ziemlich außer Acht gelassen. Längst ist Mané darüber hinaus wieder zur alten Stärke zurückgekehrt, stellt auf der linken Seite und im Zentrum eine stetige Gefahr für jeden Gegner dar. Entscheidungsfreudig, selbstlos, schnell, aufmerksam und vor allem immer torgefährlich. Ganz nach dem Geschmack seines Trainers Jürgen Klopp, der mit dem Senegalesen Mané und dem Ägypter Salah über die aktuell sicher beste Flügelzange des Weltfußballs verfügt.

Verein von Sadio Mané seit 2016: FC Liverpool

Bei Mané, und darum soll es heute gehen, stechen außerdem großartige menschliche Qualitäten heraus, die Empathie und soziales Engagement offenbaren, wie es im Fußball mit dessen Millionären und alltagsuntauglichen Protagonisten leider ziemlich selten. Natürlich gibt es positive Ausnahmen, man denke nur  über die sozialen Dinge nach, die ein Marcus Rashford für Kinder und Arme in England organisiert. Und eben Sadio Mané. Nach dem Afrika-Cup-Sieg sagte Mané: „Ich habe viele Titel gewonnen, aber dieser hier ist die Nummer eins. Der erste Titel mit meinem Land, das ist wichtiger als alles andere. Das ist der beste Tag meines Lebens.“ Ihm glaubt man solche Sätze, weil er sie lebt. Es soll hier natürlich keine Heldenverehrung gestrickt werden. Zu abstrus und außerhalb jeder Normalität und Vernunft liegen die exorbitant hohen Fußballgehälter, von denen ein Sadio Mané natürlich ebenfalls reichlich profitiert. Sadio Mané hat das Statussymbol Bentley in der Garage, wird mit einem Transferwert von 80 Mio. Euro wertgeschätzt, bezieht ca. 6 Mio. Euro Jahresgehalt, welches sogar schon deutlich höher war, verfügt über ein zweistelliges Millionenvermögen nebst Villa und vielerlei Annehmlichkeiten, fliegt mit Privatjets zwischen Afrika und Liverpool, so er dort oder da gebraucht. Um Sadio Mané tanzt auch ein handelsüblicher Berater nebst Agentur mit Geldgier und Wichtigtuerei. Eben typisch Fußballbranche. Daher kein Grund für eine Verklärung. Dennoch ist dieser Profi und Berufsfußballer positiv anders und menschlicher als die große Mehrheit seiner Berufskollegen, somit die Achtung und den Respekt wert, welche dem frisch gebackenen Afrikameister hier zuteilwerden sollen.

Nach dem entscheidende Finaltreffer verschwindet Mané unter seinen Teamkollegen.

Manés Persönlichkeit hat ihm geholfen, ein Liebling der Liverpool-Fans zu werden, während selbst rivalisierende Fans es bei diesem Spieler schwierig finden, ihn nicht zu mögen. „Nach einem Spiel versuchte ich, ihn dazu zu bringen, zu beschreiben, wie wichtig seine Rolle war, aber er war nur bestrebt, seinen Anteil herunterzuspielen und alle anderen im Team hervorzuheben. Das zeigt nur den Charakter dieses Mannes“, stellte Reporter Mike Hughes von BBC Radio einmal fest. Mike Hughes erlebte in seinem Beruf auch die eitlen Versionen des Fußballs in Person eines Zlatan Ibrahimovic oder Cristiano Ronaldo, weiß also wovon er spricht. Mané dagegen macht einfach kein Aufheben von seiner Person, egal wie oft die Branche Fußball im Stundentakt durchdreht und sich in ihrem Selbstverständnis für den Mittelpunkt des Universums hält. Sadio Mané ist dagegen auf einem anderen Feld unterwegs und deshalb sehr deutlich: „Warum sollte ich 10 Ferraris, 20 Diamantuhren oder 2 Flugzeuge wollen? Ich habe Schulen gebaut und ein Stadion. Wir versorgen Menschen, die in extremer Armut leben, mit Kleidung, Schuhen und Essen. Ich ziehe es vor, dass mein Volk ein wenig von dem bekommt, was mir das Leben gegeben hat. Ich habe harte Zeiten durchgemacht und immer barfuß Fußball gespielt. Ich hatte weder einen Ausbildungsplatz noch andere Dinge, aber mit dem Geld, was ich heute verdiene, möchte ich den Menschen in meiner Heimat helfen.“ Schon lange vor dem Sieg im Afrikacup war er in seiner fußballverrückten Heimat Senegal ein verehrter und geliebter Volksheld.

Afrikameister Senegal. Ein Land im Freudentaumel. Rückkehr der Mannschaft.

Sadio Mané ist längst ein Schlüsselspieler von Jürgen Klopps beeindruckender Liverpooler Mannschaft, hebt sich seit Jahren durch seine individuelle und dennoch immer mannschaftsdienliche Klasse von den meisten Fußballern der Premier League ab. Auf diesen Spieler blicken die Scheinwerfer und Fans in allen Stadien. So ist das Geschäft Fußball. Seine persönliche Großzügigkeit, das soziale Engagement und die große Mitmenschlichkeit entzieht der Senegalese allerdings dem Rampenlicht. Im Gegensatz zu seinen Kollegen geht es Mané weder um einen auffälligen Lebensstil noch darum, eine riesige und werbewirksame Fangemeinde in den sozialen Medien anzuhäufen, sich als eitle Ich-AG über andere zu stellen. Stattdessen scheint er sich darauf zu konzentrieren, seine Arbeit auf dem Feld ruhig und vorzüglich zu erledigen, um dann Dinge mit Freude und Enthusiasmus zu organisieren, die vor allem den Menschen in seiner Heimat Senegal helfen. In England vergleicht man Mané sogar mit Robin Hood, der den Armen gegeben. Nur dass in Manés Fall niemand ausgeraubt wird, sondern dieser rettende Samariter aus seiner eigenen Tasche zahlt. Werfen wir einen Blick auf einige seiner Taten im Laufe der letzten Jahre. Trotz seines Ruhms und Reichtums hat Mané nämlich seine Wurzeln und Herkunft nicht vergessen.

Senegal. Kinder in Armut. (Foto: Ramon Grau auf Pixabay)

Der Weltklassestürmer kennt die ärmlichen Verhältnisse in seinem senegalesischen Heimatdorf und finanzierte dort den Bau eines Krankenhauses. Mané spendete persönlich 250.000 Pfund, um eine neue weiterführende Schule zu finanzieren, und besuchte regelmäßig die Baustelle, um den Fortschritt der Arbeiten zu überprüfen. Während des Afrikanischen Nationen Pokals 2021 finanzierte er persönlich 50 senegalesischen Fans die Reise und Karten, um nach Kamerun zu fliegen, dort Senegals Halbfinalspiel erleben zu können. Um erste Maßnahmen gegen den Coronavirus einzuleiten, überwies Mané zu Beginn der Pandemie sofort eine Spende von 41.000 britischen Pfund in den Senegal. In einer der schlimmsten Armutsregionen des Senegal zahlt Mané allen Einwohnern 70 Euro je Monat, damit die Menschen dort bleiben und überleben können. Als religiöser Mensch ist Mané regelmäßig in der Al-Rahma-Moschee in Liverpool zu finden. Als er sich dort helfend daran machte, die Toilette zu reinigen, wurde er gefilmt. Er bat darum, das Video nicht ins Internet hochzuladen. Aus PR-Gründen ist dieser Sadio Mané nicht unterwegs. Wobei er allerdings öfter unwissentlich gefilmt wurde, ist eine andere Normalität im Leben des Sadio Mané. Sobald die Wasserflaschen zu viel oder das Gepäck zu schwer, hilft Mané in schöner Regelmäßigkeit dem Personal des FC Liverpool den Bus auszuladen, währenddessen andere Spieler achtlos am Geschehen vorbeischlendern und auf den Style ihrer Haare achten.

Geschafft. Afrikameister mit seinem Heimatland: ein glücklicher Sadio Mané.

Nach einer Gehirnerschütterung beim Länderspiel Senegal gegen Kap Verde im Jahr 2021 musste Mané zur notwendigen Untersuchung in das nächstgelegene Krankenhaus. Während er behandelt wurde, bekam er die Verzweiflung einer Familie mit. Deren Kind war von einem Motorrad angefahren, schwer verletzt eingeliefert worden und dem Tod nahe. Die armen Eltern konnten sich die lebenserhaltende Behandlung allerdings nicht leisten. Mané übernahm sofort sämtliche Kosten und half der Familie damit ganz konkret. Das Kind konnte gerettet werden und wieder vollständig genesen. Im Fußball, dieser Welt aus Gier, Größenwahn und Selbstsucht, bevölkert von vielerlei tätowierten Einfaltspinseln mit oftmals bornierter wie pubertärer Weltsicht, ist Sado Mané eine Seltenheit, die positive Ausnahme von der meistens peinlichen Regel. Auf Sadio Mané lässt sich jedenfalls anwenden, was die Lyrikerin Eva Strittmatter einst dichtete: „Manchmal trifft man einen, der ist wie ein Licht.“

 

*Titelbild: Sadio Mané mit Afrikapokal 2022 und Siegermedaille

 

 

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