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Bolsonaro vs. Amazonas (Lula)

Es gibt vielerorts eine gewisse Zufriedenheit, dass Lula den ersten Wahlgang gewonnen hat. Aber Enttäuschung lässt sich gerade außerhalb Brasiliens nicht leugnen. Man hoffte, wie die progressiven Kräfte Brasiliens, auf einen Sieg von Lula schon im ersten Wahlgang. So hat Präsident Bolsonaro noch vier Wochen, die ihm alle Möglichkeiten für einen Sieg offenlassen. Die Freude, dass Lula 57.251.395 Wähler gewinnen konnte, gefriert in den Adern, wenn man an 51.070.078 Wähler denkt, die ihre Stimme für den Amazonaszerstörer Bolsonaro und damit für ein absehbares Ende weiter Teile der Menschheit abgegeben haben. Viele werden diese Dimension natürlich weder auf dem Schirm gehabt oder gar begriffen haben. Was es natürlich nicht besser macht.

Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber. (Schweizer Sprichwort von 1874, irrtümlich oft Bertolt Brecht wg. dessen „Kälbermarsch“ zugeschrieben.)

Doch die Nase über die Brasilianer und deren Wahlverhalten sollten wir gerade in Europa nicht rümpfen. Hier rennen die Leute wie nirgends auf der Welt neoliberalen Politikkräften hinterher und wählen diese, obwohl sie damit gegen ihre eigenen Interessen votieren. Nur, weil rechte und reaktionäre Massen-, Boulevard- und Konzernmedien ihnen dieses eingetrommelt haben. (Ein Blick nach Großbritannien und Frankreich reicht.) Brasilianer sind also nicht zu verdammen, im Gegenteil. In Europa hätte Bolsonaro wohl unter Mithilfe eines Rupert Murdoch und dessen Konsorten schon im ersten Wahlgang gesiegt. Die Brasilianer haben ihn immerhin sogar mehrheitlich in einen zweiten Urnengang gezwungen. Respekt. Zu Europa und Bolsonaro passt ein Tweet aus dem Jahr 2018, der das Zusammenspiel der Eliten, der Reichen und der Macht unter dem Dach des Neoliberalismus offenbart, sozusagen eine unfreiwillige Selbstbezichtigung, besser Selbstentlarvung, getätigt von der Deutschen Bank. Damals ging es um Bolsonaros ersten und dann erfolgreichen Anlauf zur Macht:

Die Freuden und Wünsche der „Märkte“! Da sind sie wieder, die „Märkte“, das neoliberale Herrschaftsinstrument schlechthin im Angesicht eines nahenden Halbfaschisten. „Märkte müssen beruhigt werden“, ist ja eines der großen Schwindeltücher im Krieg der Reichen gegen die Armen. Sozusagen eine schwere Waffe, derer da oben gegen die unten. „Der Markt regelt alles“ als latent feuchter Traum von Imperialisten, Milliardären und Neoliberalen. Die Deutsche Bank offenbarte mit ihrem Tweet vor vier Jahren ganz unschuldig das wahre Gesicht des Neoliberalismus und auch ihr eigenes. Nicht, dass ein denkender Mensch so etwas noch benötigt hätte. Doch es ist auch mal ganz schön, wenn die Schlächter selber die Wahrheit über die Schlachtung offenbaren. In Sachen der Deutschen Bank muss niemand ins Erstaunen geraten, die waren schon mit schlimmeren Lumpen als Bolsonaro im Bett. Wie schrieb 2003 der deutsche Sozialwissenschaftler Friedhelm Schwarz in seinem Buch „Die Deutsche Bank. Riese auf tönernen Füßen“:

Die Deutsche Bank war immer mit den Mächtigen verbunden und wurde damit selbst zu einem Teil der Macht. Besonders fatal wurde diese Verbindung in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur.

Wer noch Illusionen über Kapitalismus und Neoliberalismus in sich trägt, der muss nur auf die Meldung der Nachrichtenagentur Reuters schauen, wie die „Märkte“ einen Tag nach der Wahl „reagierten“. Sie brauchen in Jubel aus über das gute Abschneiden von Bolsonaro. Man ahnt und benötigt dafür wenig Fantasie, was die Herren dieser Märkte noch anstellen werden, damit Bolsonaro die Stichwahl auch für sie gewinnt. Das Kapital ist immer an der Seite von Faschisten, Menschenverächtern, Diktatoren, Umwelt- und Klimazerstörern. Stets in fester und verlässlicher Partnerschaft mit den Vernichtern menschlicher Lebensgrundlagen, so es dem Zweck von Gier, Habgier, Macht und Geldvermehrung dient. Dass Menschen und der Planet dabei vor die Hunde gehen, war den weltweiten Finanz- und Wirtschaftseliten schon immer egal. Ob Sklaverei oder Adolf Hitler, alles ist ihnen recht, solange das Geschäft blüht und die „Märkte“ Grund zum Jubel haben. Kleine Auffrischung: Als am 20. Februar 1933 die Spitzen und Herren der deutschen Wirtschaft in Berlin mit Adolf Hitler zu einem Geheimtreffen zusammenkamen, vereinbarten sie die Finanzierung des Wahlkampfes der NSDAP. Sie schafften damit die letzte Hürde für den Diktator aus dem Weg, ebneten ihm die Straße zur vollständigen Macht. Man sollte es niemals vergessen. Die neoliberalen Eliten würden auch heute, sofern es ihren Interessen dient, vor Krieg und Völkermord niemals zurückschrecken. Soll sich bitte niemand Illusionen machen.

Die Wahl in Brasilien ist erkennbar eine der wichtigeren Schlachten im Krieg der Reichen gegen die Armen. Er tobt unverhohlen. 6.181.317 Stimmen Vorsprung können mit Geld und Macht der Eliten pulverisiert werden, Lula und seine Arbeiterpartei wissen das und kennen Mittel und Macht ihrer Gegner. Wird Lulas Kraft reichen? Es werden hitzige und turbulente Wochen bis zur Stichwahl. Selbst ein Putsch von Bolsonaro ist nicht auszuschließen, um im Amt zu bleiben, die „Märkte“ zu „beruhigen“. Was in Washington und Brüssel dann sicher als Notwendigkeit beklatscht würde, natürlich an den Börsen euphorischen Jubel ausbrechen ließe.

Erster Wahlgang in Brasilien

Vorsprung hin oder her. Im entscheidenden zweiten Wahlgang wird der mögliche Regenwaldretter Lula nicht nur gegen Bolsonaro und dessen unermüdliche Fans und Anhänger antreten müssen, sondern erneut gegen den reaktionären, verblödeten, verblendeten und manipulierten Teil der brasilianischen Wählerschaft. Er muss auch gegen den Staatsapparat, der dem Präsidenten Bolsonaro verfügbar und vor allem gegen das aufgeschreckte internationale Finanzkapital kämpfen. Also gegen die neoliberalen Eliten auf der ganzen Welt, wie die Reuters-Meldung eindrucksvoll bewiesen hat. Kein leichter Gang für Lula, seine Mitstreiter und Wähler. Den Ohnmächtigen auf dieser Welt bleibt dabei wie so oft nur das Prinzip Hoffnung, Lula möge es mithilfe einer Mehrheit der Brasilianer schaffen und für uns alle gewinnen. Vor allem für nachfolgende Generationen. Die Wähler von Simone Tebet sollen angeblich mehrheitlich für das Lula Lager optieren. Wobei da viel Spekulation im Spiel und ein bisschen Wunschdenken. Mögen sich die von Lula nach dem ersten Wahlgang gesprochenen Worte am 30. Oktober 2022 in der Stichwahl bewahrheiten:

Für uns ist es nur eine Verlängerung. Wir werden die Wahl gewinnen.

Kein Zauberer. Nur ein fehlbarer Mensch und Politiker. Dennoch ein Stück Hoffnung: Lula (Foto: Globo TV)
Lula kämpfte schon in den 60er-Jahren gegen die Militärdiktatur in Brasilien. (Foto: Globo TV)
Ein Leben lang an der Seite der indigenen Völker und Bewohner des Amazonas.

Es ist sehr lustig, weil manche Leute denken, dass Intelligenz mit der Anzahl der Schuljahre zusammenhängt. Es gibt nichts Dümmeres als das. Mehr als einen Doktortitel und ein Studium benötigen die Menschen einen Intelligenz- und Solidaritätskurs, um ihre Länder regieren zu können. (Lula)

„Lasst uns arbeiten, wir haben eine Wahl zu gewinnen!“ (Lula am 3. Oktober 2022 auf seinem Twitteraccount.)

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