Leben

Da ist was dran

„Man ist mit sich allein. Mit den anderen zusammen sind es die meisten auch ohne sich. Aus beidem muss man heraus.“

Ernst Bloch, Spuren, Paul Cassirer Verlag, Berlin 1930

Wie drängt man die letzte Angst von sich ab? Heute fällt das vielen nicht mehr so schwer wie in unaufgeklärten Tagen. Die Uhr schlägt, wieder ist es eine Stunde näher zum Grab. Doch der Blick auf dieses ist zerstreut, oder er wird künstlich kurzsichtig gemacht. Wie es vorläufig steht, ist die Furcht vorm Alter quälender geworden als das Denken an den Tod. Er soll nicht erinnert werden, billige Bilder verdrängen ihn. (…) Die Menschen waren niemals neugierig, ihre immer weniger werdenden Jahre zu zählen, doch was bürgerlich nur in den Tag hinein lebt, wird unter anderem dazu ermuntert, überhaupt nicht ans Ende zu sehen. Das Sterben wird weggeschoben, nicht als ob man so gern lebte, aber auch nicht, als ob man irgendwo gern in ein Kommendes sähe oder sehen ließe, auch nicht an diesem persönlichen Punkt. Man lebt derart in den Tag wie in die Nacht hinein, des dicken Endes soll nirgends gedacht werden. Gewünscht wird hier lediglich, nichts davon zu hören und zu sehen, selbst wenn das Ende da ist. (…) Aber nichts ist so fremd und finster wie der Hieb, der jeden fällt. Auch das Leben stimmt nicht, immerhin ist man darin zu Hause und anwesend, es kann verbessert werden. Doch hinter dem Sterben wurde noch keiner als anwesend gesehen, es sei denn als Leiche.

Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung, Suhrkamp Verlag 1959

*Titelbild: Screenshot BR-Doku Interview mit Ernst Bloch (1961)

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