Interessantes

Demokratiefeinde zu allen Zeiten

Selbstverständlich war früher nicht alles besser, eher anders und an allen Orten der angeblichen Zivilisation wesentlich schlimmer, oft entsetzlicher. Ein kleines wie dennoch bezeichnendes Beispiel aus Paris, einer Weltmetropole des Geistes, der Kultur und des Stils. Le Figaro, Frankreichs neoliberales Edel-, Propaganda- und Wohlfühlblatt für Konservative, hierzulande von Konservativen wie Wirtschafts- und Neoliberalen oft und gern zitiert, hat natürlich auch ein alterswürdiges Archiv. Darin stößt man auf viele Leitartikel von François Coty (geb. 1874 – gest. 1934), dem einstigen Herausgeber und politischen Direktor der Zeitung, seit 1929 auch Mehrheitseigentümer des Blattes. Wobei Leitartikel wohl eher durch Propagandageschosse ersetzt werden sollte. Inhaltlich hat man das üble Gefühl, auf einen Wegbereiter von Joseph Goebbels oder heutiger Murdoch-Medien zu stoßen. Coty war vielfacher Millionär aus Gründen der Düfte, er gilt als Erfinder der modernen und kommerzialisierten Parfümerie. Zeitungen hielt er sich nicht aus Gründen des Gelderwerbs, die kaufte er sich aus Gründen der Propaganda. In seinen Medien gab es keine Düfte zu bewundern, nur den ekelhaften Gestank eines finanzstarken Irrläufers, dessen Haltung aus antidemokratischer Gesinnung, Antisemitismus, Sympathie für die Nazis und dem damals in feinen Kreisen gepflegten intensiven Antikommunismus bestand. Letzteres brachte ihm das Schulterklopfen der feinen Kreise ein. Mit allem anderen wollte er die „kleinen Leute“ für sich gewinnen. Kommt einem heute in Europa leider längst wieder ganz gegenwärtig vor. Als er sich an die Nazis anschmierte und deren Kampf gegen „das internationale Finanzkapital“ und den Bolschewismus zur gemeinsamen Sache Frankreichs und Deutschlands erklärte, hatten auch die kleinen Leute die Nase voll und sein Stern sank rapide.

Demagogie und Düfte: François Coty

Steigt man also in das Archiv von Le Figaro, findet sich unter dem 18. Mai 1933 einer der berüchtigten Leitartikel des üblen Demagogen Coty, der allen Wissenschaftsfeinden, Querdenkern, Antisemiten, Antikommunisten und Demokratiefeinden das Herz wärmen würde. Coty kämpfte darin gegen Albert Einstein und stellte fest: „Die Berufung von Albert Einstein an das Collège de France (Pariser Universität) sei zu kritisieren, weil dessen Arbeiten eher wertlos und dieser Einstein wohl außerdem ein gefährlicher Bolschewist sei.“ Es sei erinnert, in Deutschland regierte zu diesem Veröffentlichungszeitpunkt schon der blanke Faschismus, die Nazis ermordeten längst Gegner und Andersdenkende, die Hatz gegen Juden nahm ihren grausigen Anfang, Sozialdemokraten und Kommunisten füllten die Konzentrationslager. Verfolgung, Herabwürdigung, Folter und Mord gehörten zum deutschen Alltag. Albert Einstein war da schon in den USA und somit in Sicherheit. Wären die Nazis seiner habhaft geworden, wäre auch er der Verfolgung und Vergasung nicht entgangen. Leute wie François Coty sind längst nicht mehr unter uns, ihr Gedankengut wandelt auf vielfältige Weise weiterhin durch verirrte Köpfe und wird oft unterschätzt. An solche verbalen Exzesse zu erinnern sollte uns helfen, jene Unterschätzung aus Sorglosigkeit nicht zu übertreiben, um nicht in einer Welt aufzuwachen, wie sie ein François Coty herbei schreiben wollte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert