Ein Mann, der stets mit sich zufrieden und uns via Talkshows gern Ratschläge zur Freiheit erteilt, machte dieser Tage an so einem Ort erneut den Mund auf und lieferte Tipps für den Umgang mit dem Ukrainekrieg: „Wir haben eine Menge von Möglichkeiten, uns solidarisch zu zeigen, und wir können für die Freiheit auch einmal frieren“. Da war es wieder, dieses verdächtige „wir“. Sogar in doppelter Ausführung. Gesprochen von einem pensionierten Bundespräsidenten und personifizierten Teil einer belehrend auftretenden Oberschicht. Joachim Gauck ist der Name dieses „wir“ Erzählers. Um diesen Joachim Gauck näher „kennenzulernen“, empfiehlt sich eine Kolumne von Hermann L. Gremliza aus dem Jahr 2013, von ihm auf YouTube unter dem Titel „Das Ekel von Bellevue“ selbst gelesen. Wer einen Kopf zum Denken hat, weiß dann anhand einer konkret geschilderten „Arbeitsprobe“ dieses Ex-Bundespräsidenten, den heutigen Gauck wesentlich besser einzuordnen. Gremliza lüftet in der von ihm geschilderten Episode die wohltönende Maske dieses selbst ernannten Propheten der Freiheit und zeigt uns dessen Geisteshaltung auf. So etwas konnte Deutschlands bester Journalist wie kein anderer. Gauck, so viel wird nicht nur bei Gremliza deutlich, hat in seiner Ära als Bundespräsident (2012 – 2017) und vor allem in der Zeit danach einen Satz von Ernest Hemingway niemals beherzigt: „Man braucht zwei Jahre, um sprechen zu lernen, und fünfzig, um schweigen zu lernen.“
Außer dem von Gremliza beschriebenen Gauck gibt es noch einen anderen Gauck, für dessen Wohligkeit fürstlich gesorgt und der diese Wohligkeit gerne verschönend nachjustiert. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtete am 19.08.2017, da war Gauck bereits außer Dienst und Pensionär, in einem sorgfältig recherchierten Beitrag unter dem Titel „Was Gaucks Spezialwünsche die Steuerzahler kosten“, wie folgt (Auszüge):
Neun Büros im ersten Stock des Bundestagsgebäudes in der Berliner Dorotheenstraße 93 richteten die Arbeiter her, insgesamt 197 Quadratmeter. Besondere Beachtung fand der Umbau des Kopierraums in Zimmer 162: Warum bloß wurde dort eine neue Toilette installiert, so fragten sich viele Abgeordnete und deren Mitarbeiter, wo doch nur eine Tür weiter ein Gemeinschaftsklo zur Verfügung steht? (…) In die geräumige Büroflucht zogen im Frühjahr Joachim Gauck und seine Entourage ein, ausgerechnet der Mann, der sich in seiner Amtszeit gern als „Bürgerpräsident“ bezeichnete und nicht selten betonte, dass er „von unten“ komme. (…) Während Wulff in seinen Büros im Bundestagsgebäude Unter den Linden zwei Leute beschäftigt, sitzen in Gaucks Zimmerfluchten nun vier Mitarbeiter: neben den beiden Büroleitern eine weitere Referentin sowie Gaucks Sekretärin – damit reizt der Präsident a.D. den Rahmen der Haushälter voll aus. Rechnet man Gaucks persönlichen Fahrer hinzu, ergeben sich allein schon Personalkosten von 385.000 Euro im Jahr – zusätzlich zum Ehrensold. (…) An beiden Eingängen zu Gaucks Flur wurden Glastüren mit milchiger Sichtblende installiert. Auf Anfrage erklärt das Bundespräsidialamt, der Einbau der Glastüren diene der „Vertraulichkeit und Abgrenzung, damit nicht jeder ungehindert den Bürobereich betreten kann“. Und das abschließbare Präsidentenklo werde aus „Sicherheitsgründen“ vorgehalten. Kostenpunkt für die Umbauten: 52.000 Euro. Die „Möblierung des Arbeitsraums“ des Altpräsidenten schlug nochmals mit 35.000 Euro zu Buche. Gauck selbst wollte sich nicht zur Ausstattung seiner Büros äußern.
Der geschilderte Hang zu einer gewissen Prachtentfaltung des protestantischen Pfarrers Gauck erinnert an den katholischen Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, der sich seine Limburger Residenz fürstlich aufpeppen ließ. Christliche Brüder im Geiste. Es darf bei alledem noch der Hinweis gestattet sein, dass es sich bei Gaucks Büro-Verschönerungen nur um Beiwerk handelt, unter den Eliten gern als Peanuts bezeichnet. Der eigentliche Happen, wohl eher ein dicker Hund, ist der sogenannte Ehrensold für Altbundespräsidenten, aktuell in Höhe von derzeit jährlich ca. 250.000 Euro. Somit verfügt jener Joachim Gauck bis an sein Lebensende über ein monatlich gesichertes Einkommen (Pension) in Höhe von 20.833 Euro. Da staunen Klein-Fritzchen und der deutsche Michel nicht schlecht. Die üppige Summe bietet eine schöne Überleitung zum „wir“ des Herrn Pfarrers und Bundespräsidenten außer Dienst. Das von Joachim Gauck beschworene „wir“ blendet nämlich die Realität völlig aus. In keinem Winter wird er zu den frierenden Menschen gehören, genauso wenig wie Robert Habeck, der ebenfalls gerne von kommenden Einschränkungen im „wir“ Ton spricht. Für Gauck wäre selbst eine sich vervierfachende Heizkostenabrechnung Peanuts und nicht von Belang, für eine wachsende Zahl armer Menschen dagegen eine Lebenskatastrophe. Wie soll Joachim Gauck hinter seiner „milchigen Sichtblende der Abgrenzung“ diese Alltagsrealität von Millionen Menschen aber auch mitbekommen? Der arme Unwissende ist zu bedauern. Ein User bei Twitter gab daher per Tweet einen guten Rat in Sachen Solidarität und „wir“ für die Freiheit: „Herr Gauck könnte sein von den Bürgern bezahltes Büro aufgeben und seinen Dienstwagen zurückgeben. Wäre eine Einsparung und solidarisch.“
Wer im Winter aus Geldmangel frieren muss, kann sich höchstwahrscheinlich kaum noch die notwendige Autofahrt zur Arbeit leisten, ist abgeschnitten von Solidarität und zu solcher selbst gar nicht in der Lage. So etwas nennt man aktuell mit hohem Ton ein notwendiges Opfer für die Freiheit, die Ukraine oder sonst was. „Man“ sind in den meisten Fällen jene, die niemals die Auswirkungen ihrer eigenen Politik und Reden tragen oder gar verschmerzen müssen, weil sie ganz profan gesprochen materiell über den Dingen schweben. Um im pastoralen Kontext des Herrn Gauck zu bleiben: „Wasser predigen, Wein saufen“. Natürlich lässt es sich bei drei, vier Grad weniger in der Bude überleben und existieren. Keine Frage. Es täte selbstgerechten Wohlstandsbürgern bundesrepublikanischer Prägung vielleicht einmal gut, in ihrer bequemen Lahmarschigkeit einen kalten Winter zu erleben. Nur trifft es eben genau jene nie selbst, die vom Frieren für die Freiheit schwadronieren und plötzlich inflationär das ihnen ansonsten fremde Wort Solidarität auf den Lippen führen. Die fallen in Sachen zu erbringender Opfer natürlich nicht in das von Herrn Gauck geheuchelte Raster „wir“. Als Volltreffer schlägt diese Opferbereitschaft, ob sie wollen oder nicht, bei denen ein, die immer die große Zeche zahlen müssen. Kleine Leute und die stetig wachsende Schicht der Armen im Land. Was weiß aber einer wie Gauck über das Leben da unten, wo er sich doch so wohlig im Leben da oben eingerichtet hat. Zu Gaucks Art von Selbstgefälligkeit fällt einem als Schlusswort der lebenskluge Berliner Maler Max Liebermann ein: „Ick kann janich so viel fressen, wie ick kotzen möchte!„
*Titelbild: Joachim Gauck (Screenshot aus ARD-Talkformat „Maischberger“)