Gesellschaft

Dunkle Wolken überm Land

Das politische Klima im Land verdüstert sich und wird mehr und mehr Nährboden für Antidemokraten, deren Zielgruppen und Mitläufer. Und die CDU/CSU warnt vor einem drohenden Linksruck. Derweil wird ein Tankstellenmitarbeiter erschossen, weil er versuchte, die Maskenpflicht durchzusetzen. Währenddessen fordern Naziplakate dazu auf, Grüne zu hängen und ist die AfD laut einiger Umfragen längst stärkste Kraft in Sachsen. Der Anschlag auf die Synagoge in Halle und der Mord an Walter Lübcke, alles keine Taten von links. Das rechte Gesindel und deren Gewalt, welche vor Mord nie zurückschrecken, sind eine aktuelle Gefahr für dieses Land. Der Mord an einem 20 Jahre jungen Menschen in Idar-Oberstein durch einen Typen aus dem ungeistigen Universum der Maskenverweigerer ist das Ergebnis von Hass und Hetze gegen die Corona-Maßnahmen, gegen Masken und gegen Impfen. Diese ständige Verharmlosung über Begrifflichkeiten, eine deutsche Ursünde. (Der Kanzlerkandidat von CDU/CSU nannte diesen perfiden Mord per Kopfschuss übrigens „eine schreckliche Aktion“. Wie bitte? „Aktion“?? Als handele es sich um ein Sit-in oder einen Eierwurf. Dazu fällt einem nun wirklich nichts mehr ein.) Man muss „Querdenker“ und „Masken- wie Impfgegner“ nicht behandeln, als wären es folkloristische Vereine. Lumpen müssen Lumpen genannt werden. Im besten Fall reden wir von Idioten, aber eigentlich von Volksverhetzern und äußerst gefährlichen Subjekten. Sie nehmen Ansteckung, Krankheit und Tod ihrer Mitbürger billigend in Kauf, weil sie ihren Hirngespinsten fanatisch folgen. Sie verweigern jedwede Mithilfe zur Lösung der Pandemie und versteifen sich in Widerstandsfantasien gegen eine angebliche Diktatur. Der verlängerte Arm ihres Irrsinns sitzt als AfD in den Parlamenten. Politik und Medien behandeln dieses Pack sogar mit einem gewissen Verständnis. Dadurch wird Hass durch Verharmlosung salonfähig. Längst werden Mediziner, Wissenschaftler und Ärzte, deren Helfer und Mitarbeiter bedroht, ob in den sozialen Medien, per E-Mail oder auf offener Straße. Wer Ignoranten oder die bewussten Verweigerer – wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben – an die Maskenpflicht erinnert und diese durchsetzen will, ist offenbar nicht mehr seines Lebens sicher. Eine Schande für unsere Gesellschaft.

Der Mord an dem jungen Mann, brutal wie eine Hinrichtung begangen, hat geistige Mittäter. Da kommen leider Erinnerungen hoch. Ein Rückblick auf die Schüsse, die Rudi Dutschke töten sollten und seine Gesundheit und sein Leben ruinierten. Damals führe ein fanatisierter Rechter die Waffe, den geistigen Nährboden für die Tat bereiteten durch Hetze und Hass andere. Die daran beteiligten Propagandablätter sind noch heute in großer Auflage zugange und tun, was sie immer taten, den inneren Schweinehund im Menschen zum Vorschein bringen. So war es in den letzten Monaten auch in allen Fragen der Corona-Maßnahmen zu beobachten. Es sei noch einmal an den Bild-Rufmordversuch gegen den Wissenschaftler Christian Drosten erinnert. In diesen Sumpf aus Pöbel, Boulevard, „Impfgegnern“, „Querdenkern“ stiegen dann auch Intellektuelle und Schauspieler, darunter solche, die sich fälschlich für Mimen halten, natürlich unseriöse und leider auch einige einst seröse Journalisten. Ganz am Ende dieser Spirale ist nun ein junges Leben ausgelöscht. Nichts am vergifteten Klima in unserem Land wird sich durch diesen Tod ändern, aber Krokodilstränen werden fließen. Die Heuchler auch in der Hetzgazetten haben in solchen Momenten Hochkonjunktur und wie stets keinerlei Anstand.

Bild: Dino KF Wong auf Pixabay

Die Einpeitscher mit Corona-Leugnungs-Rhetorik benutzen schon sehr lange Begriffe wie „Notwehr“, wenn sie Masken verweigern. So sie sich dann dafür verantworten müssen, schreien sie „Diktatur“, was sie auf diversen Titelseiten im Land so ähnlich lesen und daraus Nahrung ziehen. Im Netz liest man dann nach der Mordtat: „Kein Mitleid. Die Leute immer mit dem Maskenscheiß nerven. Da dreht irgendwann mal einer durch. Gut so.“ So schreiben und reden Täter, Brandstifter und geistige Terroristen mitten unter uns. Wenn diese sich weiterhin Wochenende um Wochenende zusammenpöbeln, sollten sie endlich auch so genannt werden. Völlig vom beruflichen Handwerk losgelöste Journalisten schreiben aktuell vom Mord „wegen der Maskenpflicht“. Da sind sie sprachlich und geistig an der Seite der AfD. Ein AfD-Abgeordneter aus dem Berliner Abgeordnetenhaus schreibt hämisch „jetzt drehen die ersten durch“ und schiebt die Schuld unverfroren in Richtung „überzogener Maßnahmen“. Damit relativiert dieser verderbte Volksvertreter kaltblütigen Mord per Kopfschuss. Man ist sprachlos vor dieser Gemeinsamkeit verblödeter Falschformulierungen, die die wahren Beweggründe verschweigen, Verantwortung und Schuld falsch einordnen. Nicht „die Maskenpflicht“ ist schuldig an der Untat eines Mörders. Für einen Moment die Maske aufzusetzen, um Bier zu kaufen, ist kein diktatorischer Zwang, gegen den man sich mit einem eiskalten Mord wehren muss. Es ist an der Zeit, sich in einer echten Einheit aller Demokraten in diesem Land, zu denen die AfD absolut nicht zu zählen ist, aufzulehnen und dem geistigen und realen Terror von rechts endlich mit Stärke und Vehemenz, mit der ganzen Kraft des Gesetzes die Stirn zu bieten. Dazu gehört auch die Auslassung einer verniedlichenden Sprache. Die Mörder und Anstifter sind unter uns und endlich so zu nennen. Wir alle sind es dem 20-jährigen Mordopfer schuldig.

*Titelbild: Keli Black auf Pixabay

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