Gesellschaft

SPD macht einen Jux

Man soll ja im Hause des Henkers niemals vom Strick reden. Die SPD ist mittlerweile so siegestrunken, dass sie sich aus alten Weisheiten nicht mehr viel macht. Deshalb plakatiert sie Dinge, bei denen Menschen die eigene Sehkraft infrage stellen. Manch einer muss zweimal hinschauen, ob nicht sogar eine Sinnestäuschung vorliegt. Dann kann man es nicht fassen. Aus Respekt vor Menschen will die SPD Hartz IV abschaffen. Hartz IV, Arbeitslosengeld II genannt, zum 1. Januar 2005 eingeführt. Mit Respekt vor Menschen hatte Hartz IV in der Tat nie etwas zu tun. Die pure Verachtung gegenüber der Unterschicht und der Anschlag auf den Sozialstaat war Kern der Hartz-Gesetzgebung. Es regierte zu der Zeit übrigens der angebliche Sozialdemokrat Gerhard Schröder mit einer Koalition aus SPD und Grünen. Ob die SPD mit ihrem „Respekt“ nun also einen Jux an den Tag legt, ihre Satirefähigkeit spielt, Selbstironie übt oder gar Einsicht zeigt? Man weiß es nicht wirklich zu sagen. Es ist sicher eines der merkwürdigsten Wahlplakate in diesem merkwürdigen Wahlkampf.

Einiges sollte, ausgelöst durch jenes Plakat, nochmals in Erinnerung gerufen werden. Der von Schröder für den Plan zum sozialen Kahlschlag beauftragte Peter Hartz war einer der Topmanager von VW, seines Zeichens Personalvorstand. Nachdem Schröder den deutschen Sozialstaat zu Fall gebracht, stürzte Kumpel Hartz selber. Über den Zeitraum von 10 Jahren hatte Hartz dem damaligen Betriebsratsvorsitzenden von VW (Klaus Volkert) eine Sonderzahlung von insgesamt zwei Millionen zugeschanzt. Das Leben ist halt teuer. Damit aber nicht genug. Auch die im fernen Brasilien darbende Geliebte von Volkert musste leben und bezog in diesem Zeitraum 7.600 Euro pro Monat. Was dann doch etwas über dem von Hartz erdachten Arbeitslosengeld II liegt. Wo die Liebe hinfällt, liegt sie lang. Hartz dankte bei VW ab und wurde später wegen Untreue und Begünstigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt sowie zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen à 1600 Euro. Für einen ehemaligen VW Manager sind 576.000 € wohl eher Taschengeld.

Collage: Wilfried Pohnke auf Pixabay

Den Deutschen blieb von Hartz, was dieser in Schröders Auftrag ab 2002 über sie brachte, die sogenannten Hartz-Gesetze. Manche schämten sich nicht und nannten diese auch noch Reformen. Im Ergebnis entstand in Deutschland dann der größte Niedriglohnsektor Europas. Man könnte dazu auch Ausbeutung und moderne Sklaverei sagen. Aber niemand ist im begrifflichen Bemänteln und damit verniedlichen von Schande und Untat so begabt wie die Deutschen. Die SPD erholte sich nie davon. Nun steht allerdings – fast ein Wunder und amateurhafter Konkurrenz zu danken – ein Sozialdemokrat, der fest an Schröders Seite, nahe vor einer möglichen Kanzlerschaft. Was dieses verheißt, wird man sehen, falls der beabsichtigte Zieleinlauf klappt. Allerdings ist das Liebäugeln des Kandidaten Olaf Scholz mit der FDP ein gewisses Warnsignal. Die Parteien von Hartz IV (SPD und Grüne) streben offenbar ein Bündnis mit der politischen Speerspitze des Neoliberalismus an. Da werden trotz eines Respekt-Plakates bei vielen Menschen Alarmglocken angehen. Und womit? Mit Recht!

Olaf Scholz soll nichts unterstellt werden. Vielleicht hat er Lehren gezogen und Fehler eingesehen, meint es ehrlich. Aber was will man dann an der Seite einer Partei, deren Respekt nur Millionären und Milliardären gilt? Mit dieser falschen Partnersuche ist Olaf Scholz nicht allein. Auch der Grünenboss Robert Habeck scharwenzelt auffällig freundlich um FDP-Chef Lindner herum. Die Grünen werden auch vor der Union und der FDP nicht haltmachen, falls es nur so geht. Eine Regierung mit Lindner, Merz und Habeck als Ministertrio ist möglich, aus der sich für Normalverbraucher einige Albträume erheben könnten. Dann wäre die SPD sogar das kleinere Übel. Leider dreht sich das Karussell neoliberaler Politik so oder so noch sehr lebendig, ein engagierter Bremser nirgends in Sicht. Es ist zum Verzweifeln, Jux hin oder her. 

*Titelbild: SPD Wahlplakat (Straßenfoto)

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