Gesellschaft

Vize im Rausch

Seinem Ruf als Fips Asmussen der FDP hat Wolfgang Kubicki erneut Ehre gemacht, dem demokratischen Ansehen eher Unehre. Ob dieses nüchtern und bei Sinnen, durch Altersstarrsinn oder berechnendes Kalkül passierte, gar durch Bommerlunder befeuert, kann hier nicht geklärt werden. Der Mann mit dem Abo auf die Nr. 2 (Stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP, Bundestagsvizepräsident) laberte sich mal wieder aus. So etwas macht er gern und öffentlich. Der klassische Talkshowbewohner. Diesmal prahlte er mit Kneipenbesuchen, die gegen Lockdownregeln verstießen. Da staunt der Teil der Bevölkerung nicht schlecht, welcher sich umsichtig und mitfühlend an Regeln hält. Ausnahme jene irrlichternden Gestalten unter den Decknamen „Impfgegner“ oder „Querdenker“, die im Verbund mit der AfD und dem rechten Rand im Land unterwegs. Ab und an findet man unter diesen Fehlgeleiteten und Fanatikern sogar vermeintlich kluge Menschen wie Sarah Wagenknecht und kann nur noch den Kopf schütteln. In dieses Skurrilitäten-Kabinett gesellt sich mit dumpfen Verbalattacken seit längerem Wolfgang Kubicki, der FDP-Mann.

Leider pfeift Kubicki nicht nur auf Corona-Regeln, er bezeichnet diese auch als „unsinnige Maßnahmen“. Als wäre eine solche Äußerung nicht schon fahrlässig genug, offenbart Kubicki noch eine andere Geisteshaltung. Dabei nimmt er den Mediziner und Gesundheitsexperten, seinen Bundestagskollegen Karl Lauterbach aufs Korn und macht diesen zum Objekt einer Herabsetzung, schiebt dafür gerissen seine Stammtischkumpane und deren Suff-Rhetorik vor. An Kubickis Tresen soll die Welt genesen. Da heißt es dann: „In meiner Stammkneipe nennen sie einen wie Lauterbach Spacken.“ So redet Kubicki über einen Menschen, der als Feindbild vieler Corona-Verschwörer gilt und längst von diesen bedroht wird. Alles wenige Tage nach einem Mord, der aus einer Motivation begangen wurde, die dem Ungeist dieser Coronaleugner entspringt. Nun weiß jeder, das Wort „Spacken“ steht für Dummkopf und wurde auch von ganz schlimmen Idioten auf erkrankte Menschen mit spastischen Lähmungen angewendet. Solche Wortwahl von einem Bundestagsvizepräsidenten lässt einen vor der angeblichen Würde des Amtes zurückschrecken. Kubickis geistiger Aussetzer ist kein Einzelfall oder Zufall. Wenige Tage vorher führte nicht der Stammtisch, sondern Herr Kubicki höchstselbst den Allmächtigen im Munde und meinte: „Gott bewahre uns vor einem Gesundheitsminister Karl Lauterbach.“ Welcher gefährlichen Klientel er mit diesem Lauterbach-Bashing da zu Munde redet, sollte ihm völlig klar sein. Oder etwa nicht?

Kubicki ruft seine Anti-Lauterbach-Parolen nicht in den leeren Raum, er sagt es weinselig im tiefsten moralischen Sumpf, der sich dafür finden lässt, auf dem Territorium der blanken Infamie. (Nicht vergessen, dort sollte vor wenigen Monaten auch der Ruf des Virologen Drosten ruiniert werden.) Kubicki dagegen ist eine Art verfügbarer Stammgast dieses Organs, der sich bereitwillig gemein macht. Diese Gazette funktioniert wie sattsam bekannt. Mit AfD-Sprache und Schlagzeilennahrung für Irrläufer, Impfgegner, „Reichsbürger“ und „Querdenker“ feuert man den Unfrieden an und setzt auf lodernden Gesellschaftsbrand zum Zwecke des Gelderwerbs. Dafür benötigt man ab und an nützliche Idioten. Freiwillig stets verfügbar der Vize der FDP. Es entsteht zuerst ein reißerisches Kubicki-Zitat, welches zurecht gedreht eine Schlagzeile mit Feindbild wird. Menschen werden aufeinandergehetzt. Nach der öffentlichen Empörung dann die verlogene Verurteilung der selbst entfachten Eskalation. Die typische Manipulation am „gesunden Volksempfinden“. Für jenes Blatt und seinen Verlag ist ein vergiftetes Gesellschaftsklima, Hetze, Hass und eben Niedertracht bewährtes Geschäftsmodell. Aber was ist es für den Bundestagsvizepräsidenten?

Foto: Kevin Schneider auf Pixabay

Aktuell ist Wolfgang Kubicki übrigens scheinempört über die von seinen Kumpeln fabrizierte Schlagzeile. So sind die alten weißen Männer sämtlich, die wie Lemminge zur Boulevardschleuder pilgern, deren Sumpf durschwimmen, sich in der verbalen Gosse suhlen und des Abends dann empört wundern, dass sie stinken. Kubicki gefällt sich schon lange in der Rolle des ergrauten Machos mit Vulgarität im Ton, der eben vormittags zur Weinflasche greift, weil es ihm halt so gefällt. Dabei macht der Multimillionär dann einen auf Sprachprolet, um Volksnähe zu gaukeln. Seine Sprüche, sein Auftreten setzen natürlich die Institution herab, der er als Vizepräsident vorsitzt. Aber was schert Kubicki der Deutsche Bundestag, ihm geht es um sein wohliges Amt. Dieses, so verkündete er unlängst, würde er gern behalten, aber auch Fraktionsvorsitzender seiner Partei werden, wenn Christian Lindner Minister in einer Regierung. Da redet und denkt einer über demokratische Ämter wie ein Gutsherr über seine Latifundien. Dieser Mann hat offenbar keine vollständige Kontrolle über seine Worte und sollte daher auch keine Kontrolle über Institutionen von Staat und Parlament haben. Dieses verhindern kann einzig der Wähler. Wer sein Kreuz bei der FDP macht, der kann sich eines ganz sicher sein, er bekommt auch Wolfgang Kubicki und dieser dann wieder einen Posten.

*Titelbild: Alex Fox auf Pixabay

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert