Gesellschaft

Letzte Schlacht

Ein alter weißer Mann zieht in sein letztes Gefecht. Wolfgang Schäuble macht, was er immer gerne tat, den Schwarzen Peter anderen in die Schuhe schieben, inklusive eigener Reinwaschung. Er kritisiert die drohende Aufblähung des Bundestages nach der Wahl, tut aber so, als hätte der amtierende Bundestagspräsident damit nichts zu tun. Dieser heißt übrigens Wolfgang Schäuble. Es drohen wegen merkwürdiger Taschenspielertricks, Politik weiß immer Posten zu schaffen und Hintertüren zu öffnen, in der nächsten Legislaturperiode ungefähr 800 bis 1.000 Abgeordnete im Parlament. Nur das kommunistische China hat dann mehr Parlamentarier, aber die schaffen wir auch noch. In Deutschland können die Menschen im Wahlkreis einen Abgeordneten nicht einfach abwählen, weil dieser meistens über eine Landesliste abgesichert doch wieder ins Parlament rutscht. Reicht diese Hintertür nicht aus, gibt es noch das große Geheimnis der Überhangmandate, die noch eine zusätzliche Bank, um den Platz an der Diätensonne zu ergattern. Wir nennen diesen Verfahrensmix, welchen bewusst kein Mensch erklären kann oder gar versteht, in der Tat demokratisch, ohne dabei rot zu werden. Jedwede Reform, die diese Missstände angehen wollte, wurde übrigens von Wolfgang Schäubles CDU verhindert.

Wenn Schäuble schon mal dabei und den großen Staatsmann gibt, seine Lieblingsrolle aber eben nur Rolle, dann bleibt kein Auge trocken. So bringt er etwas zur aktuellen Wahlkampfsituation der CDU unters Volk, was nicht vor Weisheit, sondern voll hanebüchenen Unsinn strotzt. Er gibt Angela Merkel noch einen mit, indem er ihr Schuld zuschiebt. Sie hätte aus seiner Sicht den Stuhl räumen müssen, um einem CDU-Menschen die Kanzlerschaft zu überlassen, der mit diesem Amtsbonus dann erfolgreich als Kanzler den Wahlkampf bestreitet. Dabei ignoriert er völlig die Mehrheitsverhältnisse in dem Haus, dessen Präsidentschaft er immerhin inne. Der Koalitionspartner SPD hätte niemals einen neuen CDU-Kanzler gewählt und der CDU diesen Trumpf verschafft. Somit ist dieser Schäuble-Ansatz blanker Unfug, den er aber im Ton letzter Wahrheiten verkauft. Dabei ist auch diese Volte nur ein Ablenkungsmanöver von seinen Fehlern. Es war Schäuble, der stets die alte Mottenkiste Friedrich Merz in jedem von dessen verlorenen Kandidaturen um Posten unterstützte, es war Wolfgang Schäuble, der Armin Laschet als Kanzlerkandidat gegen Markus Söder durchdrückte. Es ist Wolfgang Schäuble, der mit 79 Jahren erneut für den Bundestag und eine vierjährige Legislaturperiode kandidiert. Ein Politiker, der einfach nicht aufhören kann, wie eine alte Diva das Ende und den seriösen Ausstieg nicht findet. Wir wollen 16-Jährigen das Wahlrecht verwehren, uns aber von 83-Jährigen politisch vertreten lassen. Skurril.

Kanzlerin Merkel. Mit Schäuble und Merz selten Freude. (Foto: Jonas Schmidt auf Pixabay)

An Schäuble nagt außerdem der ewige Frust, nicht selber im Kanzleramt zu herrschen. Einmal verwehrte ihm sein Ziehvater Kohl den Zugriff. Offenbar wusste Kohl, was er da tat und hatte Schäuble längst durchschaut, sollte noch im Nachhinein dafür gelobt werden. Ein andermal verbaute ihm Angela Merkels Aufstieg und sein gleichzeitiges Stolpern in der CDU-Spendenaffäre den Zugriff. Viele Jahre später pulverisierte Angela Merkel dann Schäubles Traum vom Bundespräsidentenamt. Es wäre ihm ein Trostpflaster gewesen, Merkel wollte es nicht kleben. Für den besseren und einzig logischen Kanzler hält er sich offenbar bis heute. Dabei muss er allerdings feststellen, der Ruf nach Schäuble war nie laut. Vielleicht bei Friedrich Merz. Nun schmeißt Schäuble darin Merz ähnlich, Angela Merkel eben noch ein bisschen öffentlichen Dreck hinterher, um für eine mögliche Schlappe der CDU die Schuldfrage bei der Hand zu haben. Sich selbst sieht er nur im glänzenden Licht und hofft insgeheim auf weitere vier Jahre Bundestagspräsident, wofür die CDU/CSU allerdings die stärkste Fraktion stellen müsste. Wer Schäubles Hang kennt, er wird sich letztendlich mit dem dann verfügbaren Vizepräsidentenposten zufriedengeben, der auch vielerlei Vorteile und Annehmlichkeiten mitbringt. Dies kann er bei einem anderen alten weißen Mann, dem sich ebenfalls stets überschätzenden Wolfgang Kubicki – eine Art Fips Asmussen der FDP – gut beobachten.

Fips Asmussen (Screenshot TV-Doku)

Zu Wolfgang Schäuble soll den Schlusssatz Robert Leicht, der ehemalige Chefredakteur der ZEIT erhalten, der sich in der Regel feinsinnig ausdrückt, diesmal sein Kopfschütteln per Twitter eher drastisch unters Volk brachte: „Schäuble läuft langsam irr.“

*Titelbild: donations welcome auf Pixabay

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