Leben

Gauck hat gesprochen

Schon wieder. Er kann es halt nicht lassen. Da er die Welt nicht erklären kann, erklärt er auf Nachfrage stets gern sich selbst. Was ihm vielleicht endlich jemand ausreden sollte. Es gelingt ihm nämlich bei solchen Betrachtungen grundsätzlich nie ein großer Wurf, immer nur ein kleiner Gauck. Eines vorweg. Gauck hat nicht geschossen. Er würde aber schießen. Im Ernstfall dann auch auf Menschen, wie er zumindest via Talkshow verkündete. So es also hier zum Kampf oder Krieg kommt. „Du sollst nicht töten.“ War da was, Herr Pfarrer? Zehn Gebote? Vielleicht mal wieder in die Bibel schauen. Man darf wohl von Pfarrern mittlerweile viel bis alles erwarten. Dieser Geistliche bewegt sich geistig weniger auf dem Feld der Deeskalation, sondern eher zwischen Panzerkommandant und Feldprediger. Neu ist militaristisch wallendes Blut bei Gottesmännern freilich nicht. Im 1. wie im 2. Weltkrieg fanden sich immer Herrschaften in der Soutane, die Waffen und das Morden segneten. In den USA gibt es heute Gottesdienstformate, da ist das Mitbringen eines Sturmgewehrs zur Messe heilige Pflicht und der fromme Mann am Altar trägt auch eines, während er aus der Bibel säuselt. Mögen Prediger, Ex-Pfarrer oder aktuelle Priester erzählen, was sie wollen. Wenn allerdings jemand aus dieser Gilde schon Bundespräsident war und mit üppigen Pensionszahlungen aus der Staatskasse bis zum Lebensende ein hochsubventioniertes Dasein genießen darf, dann ist der Normalbürger aufgerufen, doch etwas genauer hinzuhören und die Ohren zu spitzen.

Über den Bundespräsidenten Gauck ist schnell gesprochen, weil alles offen auf der Hand liegt. Gustav Heinemann war ein großer und bedeutender Bundespräsident. Joachim Gauck war das nicht. Gauck stellte den Bundespräsidenten dar. Schablone statt Charakter. Staatsschauspiel statt Politik. Historisches Wabern an Stelle von historischer Kenntnis. Oberflächlichkeit statt Tiefe. Selbstbeweihräucherung statt Selbstreflexion. (Es empfiehlt sich hierzu nach wie vor die glanzvolle und treffende Kolumne von Hermann L. Gremliza aus dem Jahr 2016, die unter dem Titel Das Ekel vom Bellevue“ erschien und auf YouTube vorhanden. Dort vom Autor höchstselbst gelesen. Gremliza, laut ‚Jüdische Allgemeine’ in deren Nachruf „der vielleicht größte Journalist des Landes“, bedient sich eines konkreten Beispiels und benötigt für die Entlarvung der heuchlerischen Gauck-Fassade 17 Minuten. Nur Gauck selber ist schneller, der muss nur den Mund aufmachen.)

Wettern gegen den Pazifismus. Ex-Pfarrer, Ex-Bundespräsident. Joachim Gauck. (Screenshot: ZDF)

Weil Gauck in einem Satz mehrfach das Wort Freiheit unterbringen konnte, selbst wenn der Anlass dazu überhaupt nicht passte, wurde er in Gazetten und Medien die gesamte Amtszeit über gefeiert. Nicht von allen, aber von vielen. Ist ein Vergleich mit Gustav Heinemann fair? Er ist notwendig. Dass Gauck im Ernstfall zur Waffe greifen würde und auf Menschen schießen, darf er gern erzählen. Der Ernstfall wurde in der Talkshow nicht richtig definiert. Der Moderator schwadronierte irgendetwas vom Angriff auf Berlin, das es dann zu verteidigen gelte. Irgendwie schien Gauck darauf seine Ansicht auszurichten. Wobei der Moderator es konkret hätte abfragen sollen. Was bei einem Markus Lanz vielleicht zu viel verlangt. Interessant war noch ein ganz anderer Gauck-Satz. „Der Pazifismus ist ein Ansatz, der nicht zum Guten führt, sondern die Dominanz der Bösen, der Verbrecher und der Unmenschlichen zementiert.“ Sagte Herr Bundespräsident a. D. Gauck also im ZDF. Solche gefährliche und dumme Worte sind in Deutschland nicht neu. Am 15. Juni 1983 sprach im Bundestag zu Bonn der damalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, zusätzlich noch Familienminister in der Regierung Kohl, und sagte wörtlich: „Der Pazifismus der 30er-Jahre, der sich in seiner gesinnungsethischen Begründung nur wenig von dem unterscheidet, was wir in der Begründung des heutigen Pazifismus zur Kenntnis zu nehmen haben, dieser Pazifismus der 30er-Jahre hat Auschwitz erst möglich gemacht.“ Zwei Zitate, eine Geisteshaltung.

Nun jemand das Wort, der es auf GERADEZU schon oft bekommen hat und immer wieder in Erinnerung gebracht werden sollte. Erich Maria Remarque. Manche Dinge kann man gar nicht oft genug wiederholen. Der Autor von „Im Westen nichts Neues“ kannte die Herren Gauck und Geißler nicht. Wie auch? Aber er kante sein Leben lang den Typus. Im Unterschied zu Geißler und Gauck hatte Remarque Krieg in seinen Knochen. Im Alter von 18 Jahre wurde er 1916 wie Millionen Soldaten und halbe Kinder in den Fleischwolf Westfront geworfen. Er erlebte das Abschlachten einer ganzen Generation hautnah im Schützengraben und bei Sturmangriffen. Dem Gemetzel entrann er durch schwere Verwundung. Granatsplitter in Armen und Beinen sowie ein Halsdurchschuss machten ihn militärisch dienstuntauglich. Er konnte überleben und den größten Antikriegsroman deutscher Sprache aus eigenem Erleben zu Papier bringen. Dafür hassten ihn die Nazis und hätten ihn sofort totgeschlagen, wenn sie seiner habhaft geworden wären. Als Ersatz für den Mord warf der braune Abschaum seine Bücher schon 1933 ins Feuer, allerdings in einer ehrenvollen Gesellschaft mit Heinrich Mann, Erich Kästner, Sigmund Freud, Theodor Wolff, Alfred Kerr, Kurt Tucholsky, Karl Marx und Carl von Ossietzky. 1962 fragt der Theaterkritiker Remarque nach dessen Pazifismus und Antikriegshaltung. Remarque antworte sehr ruhig und gefasst aus der Erfahrung seines Lebens: „Dass man gegen den Krieg ist, fand ich ganz selbstverständlich. Dazu braucht man gar kein Programm. Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg. Bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind. Besonders die, die nicht hineingehen müssen.“

Gräuel des Krieges hautnah durchlebt. Pazifist und Schriftsteller. Erich Maria Remarque.

Ob Joachim Gauck je Remarque gelesen? Wir wollen dieser Frage hier nicht nachgehen. Verfolgen wollen wir unseren Vergleich mit Gustav Heinemann, den Gauck aushalten muss. Das politische Wirken und die Haltung des Pazifisten Heinemann können sich bis heute sehen lassen. In der ersten Regierung Adenauer wurde Heinemann Bundesinnenminister. 1950 trat er vom Amt zurück, weil der Kanzler Adenauer die Wiederbewaffnung beschloss. Deswegen verließ Heinemann 1952 die CDU und gründete 1952 die Gesamtdeutsche Volkspartei (GVP), die 1957 in die SPD aufging. Hauptprogrammpunkt der GVP war die sofortige Abschaffung der Aufrüstung zweier deutscher Armeen in West- und Ostdeutschland. 1957 trat Heinemann auch in die SPD ein. 1966 wurde er Bundesjustizminister. Ihm gebührt das große Verdienst gegen die Verjährungsfrist bei Mord, vor allem hinsichtlich von NS-Verbrechen, die so weiterhin verfolgt werden konnten.

Pazifist. Bundespräsident (1969 – 1974). Staatsmann mit Format und Charakter. Gustav Heinemann.

Am 1. Juli 1969 wurde Gustav Heinemann dann von den Wahlfrauen und Wahlmännern der SPD und FDP zum Bundespräsidenten gewählt. Der Machtwechsel vom CDU-Staat zur sozialliberalen Koalition kündigte sich an. In seiner Ansprache unmittelbar nach dem Amtseid fand Gustav Heinemann klare und unmissverständliche Worte, die sich Joachim Gauck hinter den Spiegel stecken sollte, wenn er das nächste Mal in selbigen blickt, um sich zu bewundern:

Nicht der Krieg ist der Ernstfall, in dem der Mann sich zu bewähren habe, wie meine Generation in der kaiserlichen Zeit auf den Schulbänken lernte, sondern der Frieden ist der Ernstfall, in dem wir alle uns zu bewähren haben. (Gustav Heinemann)

Mit Gustav Heinemann endgültig weg vom unsäglichen Gauck und das Schlusswort für Albert Einstein, der ebenfalls Pazifist und mit dem Pazifisten Sigmund Freud einen regen Briefwechsel zum Thema „Warum Krieg?“ führte. Als dieser Briefwechsel nach dem 2. Weltkrieg veröffentlicht wurde, steuerte Albert Einstein unter der Überschrift „Statt eines Vorwortes – für einen militanten Pazifismus“ folgende Einleitung bei:

Es gäbe genug Geld, genug Arbeit, genug zu essen, wenn wir alle Reichtümer der Welt richtig verteilen würden, statt uns zu Sklaven starrer Wirtschaftsdoktrinen oder -traditionen zu machen. Vor allem aber dürfen wir nicht zulassen, dass unsere Gedanken und Bemühungen von konstruktiver Arbeit abgehalten und für die Vorbereitung eines neuen Krieges missbraucht werden. Ich bin der gleichen Meinung wie der große Amerikaner Benjamin Franklin, der sagte: es hat niemals einen guten Krieg und niemals einen schlechten Frieden gegeben. Ich bin nicht nur Pazifist, ich bin militanter Pazifist. Ich will für den Frieden kämpfen. Nichts wird Kriege abschaffen, wenn nicht die Menschen selbst den Kriegsdienst verweigern. Um große Ideale wird zunächst von einer aggressiven Minderheit gekämpft. Ist es nicht besser, für eine Sache zu sterben, an die man glaubt, wie an den Frieden, als für eine Sache zu leiden, an die man nicht glaubt, wie an den Krieg?

Jeder Krieg fügt ein weiteres Glied an die Kette des Übels, die den Fortschritt der Menschlichkeit verhindert. Doch eine Handvoll Wehrdienstverweigerer kann den allgemeinen Protest gegen den Krieg dramatisieren. Die Massen sind niemals kriegslüstern, solange sie nicht durch Propaganda vergiftet werden. Wir müssen sie gegen Propaganda immunisieren. Wir müssen unsere Kinder gegen Militarismus impfen, indem wir sie im Geiste des Pazifismus erziehen. Unsere Schulbücher verherrlichen den Krieg und unterschlagen seine Greuel. Sie indoktrinieren die Kinder mit Haß. Ich will lieber Frieden lehren als Haß, lieber Liebe als Krieg. Die Schulbücher müssen neu geschrieben werden. Statt uralte Konflikte und Vorurteile zu verewigen, soll ein neuer Geist unser Erziehungssystem erfüllen. Unsere Erziehung beginnt in der Wiege: die Mütter der ganzen Welt haben die Verantwortung, ihre Kinder im Sinne der Friedenserhaltung zu erziehen. Es wird nicht möglich sein, die kriegerischen Instinkte in einer einzigen Generation auszurotten. Es wäre nicht einmal wünschenswert, sie gänzlich auszurotten. Die Menschen müssen weiterhin kämpfen, aber nur, wofür zu kämpfen lohnt. und das sind nicht imaginäre Grenzen, Rassenvorurteile oder Bereicherungsgelüste, die sich die Fahne des Patriotismus umhängen. Unsere Waffen seien Waffen des Geistes, nicht Panzer und Geschosse.

Was für eine Welt könnten wir bauen, wenn wir die Kräfte, die ein Krieg entfesselt, für den Aufbau einsetzten. Ein Zehntel der Energien, die die kriegführenden Nationen im Weltkrieg verbraucht, ein Bruchteil des Geldes, das sie mit Handgranaten und Giftgasen verpulvert haben, wäre hinreichend, um den Menschen aller Länder zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen sowie die Katastrophe der Arbeitslosigkeit in der Welt zu verhindern. Wir müssen uns stellen, für die Sache des Friedens die gleichen Opfer zu bringen, die wir widerstandslos für die Sache des Krieges gebracht haben. Es gibt nichts, das mir wichtiger ist und mir mehr am Herzen liegt. Was ich sonst mache oder sage, kann die Struktur des Universums nicht ändern. Aber vielleicht kann meine Stimme der größten Sache dienen: Eintracht unter den Menschen und Friede auf Erden.

Überzeugte Pazifisten.

 

 

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