Leben

Glutofen Erde

Karl Lauterbach macht es einem nicht leicht. Sein Corona-Dauerfeuer kann informieren, nerven, verwirren und manchmal zermürben. Dennoch verdienen die meisten seiner Äußerungen eine gedankliche Auseinandersetzung. Um Corona geht es heute allerdings nicht. Um eine Bedrohung schon. Lauterbach ist mehr Mediziner geblieben als Politiker geworden. Deshalb die natürliche Veranlagung, die Wahrheit auszusprechen. Ein Politiker handhabt dies in der Regel nicht, wählt gerade in Wahlkampfzeiten sogar die bewusste Auslassung unliebsamer Tatsachen. Die Leute mögen diese Art von Befriedung, sie wollen halt nicht aufgeregt werden. Wer sie in ihrem gerechten Schlaf hält, der hat immer gute Chancen. Gerade der deutsche Michel mag unter seiner Zipfelmütze das sanfte Dasein und darin keine Störungen oder gar unliebsame Nachrichten. Armin Laschet weiß diese Erwartung bestens und erfolgreich zu bedienen. Karl Lauterbach nicht. Er spricht Unliebsames aus und an. Am 13. Juli 2021 tat er es erneut auf Twitter und brachte es auf den unliebsamen Punkt: „Feuer in Kalifornien zeigen, wie weit Klimawandel schon ist. Der Süden Europas wird bald ähnliche Probleme haben. Viele verstehen nicht, dass es jetzt mindestens 80 Jahre schlimmer wird, egal was wir tun. Keine Generation hat Klima mehr geschadet als wir.“

Viele wissen es natürlich, doch keiner will es hören oder sagen, es in seinem Kopf zulassen. Die „80 Jahre schlimmer“ sollten es dennoch jedem klar machen. Für diejenigen, die heute auf der Erde wandeln, ob nun mit dem Rollator unterwegs oder noch buddelnd auf dem Spielplatz, ist eine klimatische Erlösung nicht mehr drin. Wir werden kollektiv in und mit der Verschlimmerung leben. Müssen dabei gemeinsam unter der Sonnenglut schmoren und andere Klimaverwerfungen ertragen. Viele werden dadurch in den nächsten Jahrzehnten auch unweigerlich zu Tode kommen. Sicher nicht die ins Weltall flüchtenden Milliardäre. Wie handelt Politik in solchen Zeiten?

(Brand am Amazonas; Foto: Ria Sopala auf Pixabay.)

Die einlullende Welt von Politikern, die nichts verstanden und die lieber Unfug mit Heilsversprechen treiben, bietet ganz aktuell Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier: „Klimaschutz wird nur dann funktionieren, wenn unser Wohlstand dadurch nicht gefährdet wird.“ So etwas wollen die Leute hören um sich an dieser Lebenslüge vom Wohlstand weiter festzuhalten. Wessen Wohlstand und welcher Wohlstand? Der Wohlstand der Deutschen von der Forbes-Liste der Milliardäre oder der Wohlstand der 2,8 Millionen Kinder in unserem Land, welche in Armut leben? Millionen Menschen wissen nicht wie Wohlstand sich anfühlt. An denen ist die Politik natürlich nicht mehr interessiert. Die gehen meistens nicht wählen, sind also eine gern und bewusst vernachlässigte Größe. Für den Rest gibt es dann die alte Ludwig Erhard Parole „Wohlstand für alle“. Was schon damals Quatsch, um es mit einer Herbert Wehner Wortschöpfung auszudrücken: ist heute noch „quätscher“. Der aktuelle Bundeswirtschaftsminister bietet jedenfalls dem Wähler einen Schulterschluss in Sachen Kopf in den Sand und Selbstbetrug als Gemeinsamkeit an. Die Brände lodern derweil bedrohlich.

Waldbrände produzieren mittlerweile etwa 1,5 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr, wobei das Waldwachstum 0,5 Milliarden Tonnen davon zerstört. Die in der Atmosphäre verbleibenden 1 Milliarde Tonnen entsprechen den jährlichen Emissionen Japans. Die Feuer und deren Folgen nebst anderen Klimakatastrophen kommen näher. Im deutschen Wahlkampf wird so etwas gern abstrakt gehalten. Wohlfeile Erlösungsformeln unters Volk gestreut, unzureichende Maßnahmen als Planetenrettung verkauft und die ewige wie zutiefst verlogene Leier „es ist fünf vor zwölf“ (Die Uhr ist längst weiter.) als maximales Unbehagen zugelassen und gebraucht. Wer will den Leuten sagen, die ja auch Wähler sind, es wird uns an den Kragen gehen? Lauterbach tut es. Darin verdient er Anerkennung. Für jene, die lieber von Schwarzmalerei reden und sich ihre heile Welt unbedingt erhalten wollen, Motto „ für uns wird es noch reichen“, eine Zahl auf den Weg. Im kalifornischen Death Valley wurde dieser Tage mit 54,44 Grad Celsius ein neuer Hitzeweltrekord aufgestellt. Heiße Aussichten.

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