Gesellschaft

Grüne Brandherde

Annalena Baerbock und Robert Habeck sind die beliebtesten Politiker in Deutschland und die Deutschen wollen die eine oder den anderen gerne im Kanzleramt sehen. Die Slapstick-Nummer „Was die Deutschen wollen“ findet immer öfter ihr Publikum. Umfragen und Massenmedien, die den Leuten heute eintrichtern, was sie morgen denken, sind allerdings nicht taufrisch. In Großbritannien ist das System aus Massenverblödung, Umfragen („Institute“), Schlagzeilen und Berichterstattung so perfektioniert, dass die gegen das Volk agierenden Tories genau von diesem Volk immer wieder gewählt werden. Der Name Rupert Murdoch ist dafür Garantie und Programm. Der andauernde neoliberale Krieg der Reichen gegen die Armen und die dazugehörige Propaganda kann in Großbritannien wie in einem Schaufenster beobachtet werden. Hierzulande ist der neoliberale Gesellschaftsumbau genau auf diesem Weg. Nähern wir uns also den deutschen Grünen, die längst nicht nur als Speerspitze der Bellizisten im bundesrepublikanischen Politikeinerlei wirken, sondern neoliberale Handlanger im Stil der FDP sind.

Kein aktueller Politikansatz der deutschen Grünen in ihrer Funktion als Regierungspartei zeigt solide Tragfähigkeit. Dafür eine Menge täglicher Aktionismus. Den Spiegel Autor Dirk Kurbjuweit, durchaus ein positiver Akteur seiner Zunft, lässt dies dennoch in Lob ausbrechen. „Die Grünen hingegen schauen auf die Probleme dieser Zeit und suchen pragmatisch nach Lösungen. Sie sind für Waffenlieferungen, obwohl sie pazifistische Wurzeln haben, sie setzen vorübergehend auf Kohle, obwohl das dem Klima schaden kann, sie lassen sich auf eine Debatte zur Atomkraft ein, obwohl sie aus der Anti-AKW-Bewegung hervorgegangen sind. () Sie tun das, damit Deutschland und Europa besser durch diese Krise kommen. () Damit sind die Grünen, ehemals Protestpartei, zur deutschen Staatspartei geworden, ein Titel, den bislang die CDU für sich beansprucht hat.“ Was für eine merkwürdige Analyse. Waffenlieferungen zu Kriegszwecken in Kombination mit den Grünen als Garant für Europas und Deutschlands Krisenstabilität. Was vom Journalisten glorios und anerkennend gemeint, kann allerdings auch mit einem ganz anderen Wort umschrieben werden:

Neues Parteilogo der Grünen?

In dem widergegebenen Loblied fehlte die Frage, was diplomatisch und politisch dort geschehen sollte, wo die Waffen ihren Zielort finden und der Tod auf der Tagesordnung. Gäbe es darauf Antworten der Grünen? Annalena Baerbock hat immer eine. Meistens eine zu viel. Wie sehr oft bei ihr über einen Talkshowkanal verbreitet: „Russland soll volkswirtschaftlich jahrelang nicht mehr auf die Beine kommen.“ Wer zu solch einer fatalen Aussage noch schwere Waffen fordert und Waffen liefert, hat die Sonne der deutschen Medien und den Stempel „richtige Politik“ auf seiner Stirn. Deutschlands Medien knallen gern die Hacken zusammen und denken in Knobelbechern. Diese unsägliche Hugenberg-Tradition der geistigen Waffengänge lässt sich offensichtlich selbst in hundert Jahren weder bei deutschen Medienkonzernen noch bei deren Angestellten bannen. Spricht übrigens die Grüne Annalena Baerbock die Sprache der Diplomatie? Eher nicht. Allerdings ist Annalena Baerbock auch keine Diplomatin. Die Tonart erinnert stark an jene Außenminister, die Europa sehenden Auges in die Katastrophe des 1. Weltkriegs stolpern ließen, ohne die Ausmaße ihrer Fehlleistungen zu begreifen. Der Historiker Christopher Clark nannte sie treffend Schlafwandler.

Kriegsgerät als neuer Maßstab für Politik? (Foto: Screenshot 3Sat, ZIB)

Was die Atomkraftwerke anbelangt, waren es vor allem die Grünen, die in der Art von eifernden Maschinenstürmern diese Energiegewinnung loswerden wollten. (Dass ausgerechnet Angela Merkel sich im Angesicht von Fukushima und einer dadurch entstandenen Medien- und Volksstimmung zum Umsetzer der grünen Atomideologie machte, bleibt ein sehr ironischer Aufschlag der Geschichte.) Beim Thema Ausstieg aus der Atomkraft zog man bei den Grünen funktionierende Stützpfeiler der Energieversorgung eher ideologisch in Zweifel als aus Umwelt- und Klimagründen, wie gern propagiert wurde. Beschädigte Stützpfeiler können jedes Dach zum Einsturz bringen. Ohne darüber nachzudenken, wem das Dach dann ohne jene Stützen auf den Kopf fällt oder wer es trägt, ist eine politische Spezialität der Grünen. Folgen konstruieren, die man selber nicht zu tragen hat. Für Bewertungen und Analysen in entscheidenden Politikfeldern, die gleichermaßen den Notwendigkeiten der Gegenwart und einer funktionierenden Zukunftssicherung gerecht werden, haben die Grünen sehr selten Geduld oder Willen aufgebracht. Es müsste dafür politische Professionalität und Sachkenntnis nebst Detailarbeit an den Tag gelegt werden. Drei arbeitsaufwendige Themenfelder, deren wiederkehrende Notwendigkeit die Grünen selten auf ihrem Radar haben.

Kernreaktor. Für die Grünen im ‚heute hü und morgen hott‘ Modus. (Foto: LFI, Twitter)

Was der Journalist Dirk Kurbjuweit dem Publikum da als Partei der Verantwortung beschrieb, ist eher eine Mogelpackung der Beliebigkeit und eine akute Gefährdung der Lebensinteressen europäischer und deutscher Menschen. Weder der Politiker Habeck noch der Journalist Kurbjuweit werden an den durch falsche Politik steigenden Lebenshaltungs- und Energiekosten schwer zu schleppen haben. Der Politik- und Medienbetrieb sorgt ordentlich für seine Spitzenleute. Für viele Millionen Menschen ist leider weniger gesorgt. Die soziale Frage und die sich daraus auf dem ganzen Kontinent abzeichnenden Verwerfungen und Spannungen finden bei Journalisten kaum Interesse, ähnlich den Politikern, die dafür ebenfalls wenig Aufmerksamkeit aufwenden. Die Berichterstattung der Medien in Deutschland hat das tägliche Dasein der Menschen in diesem Land weitestgehend aus dem Auge verloren. Eine stabile Ignoranz gegen das soziale Elend und deren Verursacher. Genauso malen sich neoliberale Köpfe die Welt. Passend dazu basteln Mainstream-Medien den Grünen ein Podest, welches zumindest deren Spitzenpersonal als stabiles und ewiges Fundament empfindet. Politik und Medien genügen sich dabei selbst oder gegenseitig und sind damit vollauf zufrieden. Kanonendonner verkauft sich besser als ein verzweifelter Familienvater im Angesicht einer Nebenkostenabrechnung. Abgehobene Eliten einer abgeschotteten Welt bestimmen die Sicht auf das große Ganze und erzählen uns, was dort angeblich zu sehen. Die Rentnerin in Armut, die im abendlichen Supermarkt den abgelaufenen Joghurt sucht, um diesen billiger zu erwerben, hat dennoch andere Frontverläufe im Kopf als Journalisten und Politiker dieses Landes.

Außerhalb Grüner Wahrnehmung. Arm sein im Alter. Die echte Bedrohung für Leib und Leben.

Ein verheerendes Beispiel für Politikdarstellung an Stelle von Politik liefert mittlerweile im Tagestakt die Außenministerin der Grünen, die ja Außenministerin Deutschlands sein sollte. Von den Mainstreammedien wird sie gefeiert und in fataler Weise auf ihrem Irrweg noch beflügelt. „Der Moment ist gekommen, in dem wir uns in einer Partnerschaft in Führung engagieren müssen“, erzählte Baerbock vor Studenten in New York. Damit bezieht sie sich auf ein Angebot des US-Präsidenten George Bush aus dem 1989. Was eine „Partnerschaft“ mit den USA bedeutet, hätte Baerbock von Charles de Gaulle lernen können. Der französische Präsident hatte vom US-Herrschersyndrom die Nase voll und zog sein Land zwischen 1959 und 1964 aus der NATO zurück, beendete alle Unterstellungen französischer Truppen und Offiziere unter US- oder NATO-Kommando. Den Satz „Staaten haben keine Freunde, nur Interessen“ von de Gaulle hat jene sich auf politischer Partnersuche befindliche deutsche Außenministerin hoffentlich schon einmal gehört. Mit Annalena Baerbocks billigem Ranschmeißen an die USA aus Gründen der persönlichen Eitelkeit lässt sich wenig politische Substanz für Europa und Deutschland ziehen. Deutschland ist weder ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat, noch UNO-Vetomacht. Über atomare Waffen verfügt das Land ebenfalls nicht. Wer viele Rechnungen in klingender Münze auf dieser Welt zahlt und für andere begleicht, muss sich nicht einbilden, deswegen unter den Nationen eine erste Adresse für Geopolitik zu sein. Mit den Interessen- und Einflusssphären der Großmächte China, USA, Russland, Indien haben wir höchstens als Nebendarsteller zu tun. Nur weil die USA uns als billigen Michel hier und da nutzt, macht uns das nicht zu Partner auf Augenhöhe.

Das Rednerpult der UNO-Vollversammlung macht noch keine Diplomatin. (Screenshot: 3Sat, ZIB)

Bekommt Außenministerin Baerbock eigentlich mit, was in den USA innenpolitisch passiert? Der Oberste Gerichtshof baut die Vereinigten Staaten von Amerika gerade reaktionär um und schafft ein immer stärker totalitär hervortretendes Gebilde, was in den USA sogar konservative Kräfte stark beunruhigt. Ein Einparteienstaat der Republikaner scheint mittlerweile möglich. Baerbock tippelt derweil naiv, fast realitätsblind,  geschichtsvergessen und alltagsunwissend durch die politische Landschaft und hält Reden, die dem Reich der Phraseologie entlehnt scheinen. Sie faselt von „die ganze Welt“, wobei die ganze Welt sich einfach weigert, der Weltaufteilung von Annalena Baerbock zu folgen. Indien, China, Südamerika, die arabische Welt, alle machen sie Geschäfte mit Putin und sind keineswegs dabei, ihn oder Russland zum Paria zu erklären. Diktator und Kriegsherr hin oder her. Sie alle haben nationale Interessen und nehmen diese wahr. Baerbock fordert dagegen vor der UN-Vollversammlung eine Resolution gegen Russland, als wäre sie das Oberhaupt einer Weltmacht mit Kernwaffen.

Annalena Baerbock: Russland fest im Blick. Feindbild und Politikantrieb.

Die Freiheit, die Baerbock meint und ständig im Munde führt, ist eine US-Freiheit, die viele Völker und Staaten nur zu gut kennen. In Süd- und Mittelamerika kann man von dieser Freiheit ein blutiges Lied singen. Evo Morales, Boliviens Ex-Präsident, gab gerade britischen Journalisten ein langes Interview und hatte darin eine schlichte Erkenntnis mitgeteilt: „Die USA nutzt die NATO, um Kriege zu provozieren und Waffen zu verkaufen. Der von den USA und Großbritannien unterstützte Putsch gegen mich im Jahr 2019 wurde wegen Lithium unternommen und weil meine Regierung ein alternatives Wirtschaftsmodell zum neoliberalen ‚Washington Consensus‘ vorantrieb.“ (Anmerkung: ‚Washington Consensus‘ ist das von den USA für den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank propagierte und geförderte Instrument zur neoliberalen Ausbeutung und Unterwerfung von Regionen und Staaten.) Was Baerbock über Bolivien weiß, ist leider zu erahnen. Wenn die deutsche Außenministerin die Welt mit Freiheit beglücken wollte, hätte sie bei einem einzelnen Menschen anfangen und diesem vor der UN die deutsche Staatsbürgerschaft in Aussicht stellen können, um sein Leben zu retten. Doch für Julian Assange interessiert Frau Baerbock sich wenig, er deckte schließlich die Kriegsverbrechen der Nation auf, mit der Baerbock eine obskure Partnerschaft anzetteln möchte. Das Desinteresse an Assange teilt Baerbock mit den deutschen Journalisten, die vor lauter rasselnden Panzerketten kein Ohr oder Auge für jenen Mann haben, der ihren Job gemacht hat. Baerbock macht dagegen ihren Job unter dem Beifall genau jener Kaste, die den Kollegen in seinem Elend hängen lässt.

Interessiert Baerbock nicht die Bohne. Julian Assange. (Collage: Pixabay)

Dass Annalena Baerbock in US-Tonlage auch Drohungen gegen China ausstößt, passt zu einer Außenpolitik ohne Konturen. Ein Schlachtfeld unerledigt, weil man weder über Kraft noch Wille oder gar Können für die Konfliktlösung verfügt, wird schon das nächste Kampffeld eröffnet. Das mag deutsche Außenpolitik der grünen Marke Baerbock sein, Diplomatie ist es nicht. Wer sich in der Berliner Politik-, Medien- und Twitterblase bewegt, um berauscht zu werden, Talkshowniederungen mit Anne Will als Maßstab nimmt, kann sich für eine große Nummer halten. Angestellte Redakteure von Mainstreammedien, die sich auf dem Will/Baerbock-Niveau in geistigen Höhen wähnen und die wahre Tiefe dieser Niederungen nicht in ihre Köpfe bekommen, bejubeln dann jede platte Binse und jeden außenpolitischen Fehltritt wie kluge Sätze von Stresemann oder Brandt.

Leider erinnert Baerbock an manchen Tagen eher an den Ukraine-Unbotschafter Melnyk und die den nächsten Weltkrieg suchende Nancy Pelosi. Selbst US-Verbündete wie Australien und Japan zeigten sich über deren gegen China gerichteten Besuch in Taiwan irritiert und besorgt. Die einzige politische Person, die daran keinen Anstoß nahm oder gar eine Gefahr sah, war Annalena Baerbock. Im Gegenteil, sie nahm völlig unkritisch die Position der USA ein und drohte China. Dummheit? Größenwahn? Beides? Helmut Schmidt hatte bereits 1994 diesen neuen Politikertypus der Machart Baerbock im Auge und wird darin gerade in unseren Tagen nachhaltig bestätigt: „Die heutige politische Klasse in Deutschland ist gekennzeichnet durch ein Übermaß an Karrierestreben und Wichtigtuerei und durch ein Übermaß an Geilheit, in Talkshows aufzutreten.“ Dem Diktum des Staatsmannes Helmut Schmidt ist nichts mehr hinzuzufügen. Vielleicht noch dieses für den Notizblock der aktuellen deutschen Außenministerin: „Die Chinesen erobern die Welt ohne militärische Gewalt. Das könnte man auch den Amerikanern als Vorbild empfehlen.“ (Helmut Schmidt, 1.2.2012, Berlin, Gespräch im Rahmen „China Kulturjahr in Deutschland“)

China/Taiwan. Kommentarfeld von Baerbock. Reden schwingen, worüber man nichts weiß, als Prinzip.

Als Nebelkerze zur Überdeckung eigener Unzulänglichkeit noch Hannah Arendt als Vorbild heranziehen, ist ein kindisches wie freches Markenzeichen von Annalena Baerbock. Arendts Anspruch „Denken ohne Geländer“ nahm Baerbock vor den New Yorker Studenten für sich in Beschlag. Doch Arendt konnte und meinte, was sie sagte. Denken sowieso. Arendt erklärte gegenüber Günter Gaus „Mein Beruf, wenn man davon überhaupt sprechen kann, ist politische Theorie.“ Davon, mit Verlaub, hat nun Annalena Baerbock offenkundig keine Ahnung, leider gilt dies umso mehr auch für die politische Praxis. Ihre Aussagen entbehren oftmals jedweder historischen Kenntnis, wie man in ihrer Verirrung in Sachen Taiwan und China erneut feststellen musste. Und wenn sie sich schon mit Hannah Arendt ausschmücken will, dann sollte sie diese bitte auch lesen. In ‚Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft‘ beschreibt Arendt dezidiert den Rassismus als Dimension des Imperialismus. Wenn Baerbock diese Ausführungen kennen würde, hätte sie für die aktuellen Vorkommnisse und der zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung in den USA eine Denkgrundlage und Beurteilungshilfe. Mit oder ohne Geländer. Dieser Art belesen und gerüstet, könnte Baerbock über das öffentliche Andocken unseres Landes an eine solche Gesellschaft und Großmacht vielleicht noch einmal nachdenken.

Joschka Fischer. Substanz statt Geschwätz. (Screenshot: AP-TV, München 8.2.2003)

Gerhard Schröders außenpolitischer Verdienst bleibt es, Deutschland aus dem völkerrechtswidrigen Irak-Krieg des George W. Bush herausgehalten zu haben. Dieses an der Seite und mit Unterstützung Frankreichs und der Hilfe des ersten Grünen Außenministers Joschka Fischer. (Für diese historische Leistung sind Schröder und Fischer, man sollte es erinnern, von vielen deutschen Medien und Journalisten damals täglich durch den Dreck gezogen und förmlich zum Kriegseintritt gedrängt worden.) Nun denke man sich einen Moment, an der Stelle von Joschka Fischer hätte damals Annalena Baerbock agiert. Was wäre wohl am 8.2.2002 in München aus Fischers berühmtem „I am not convinced“ gegenüber dem Kriegstreiber Donald Rumsfeld geworden?

Ist die Kritik zu hart, erwartet und verlangt man zu viel von Annalena Baerbock? Nein. Wer in der Politik so auftritt und sich für das Maß der Dinge hält und den Sirenen der Medien glaubt wie nachsingt, der muss eben einen weihrauchfreien Blick auf seine Arbeit ertragen. Es gibt Maßstäbe zur Beurteilung von Außenpolitik und Diplomatie. Darüber sollen geneigte Leserinnen und Leser bitte ruhig einmal nachdenken, um selber eine Wertung treffen zu können. Eines fällt sofort ins Auge, besser ins Ohr, was Annalena Baerbock einfach nicht fertig bringt und Roland Dumas, Frankreichs Außenminister unter François Mitterrand, einmal zu Protokoll gab: „Regel Nummer eins der Diplomatie: Schweigen.“ Zur Erhellung trägt bei, wenn man sich einige Fragen stellt. Hat Annalena Baerbock ein entwickeltes Konzept für die deutsche Außenpolitik und eine Verhandlungsstrategie, wenn es gilt, diese um- und durchzusetzen? (NATO einzig gut, USA-Politik unantastbar, Putin muss weg und China gefälligst den Regeln des neoliberalen Westens folgen, ist kein außenpolitisches Konzept, sondern eine arge wie plumpe Fehlerkette in Anbetracht der globalen Machtverhältnisse.) Kann Baerbock Fortschritte befördern, diese akribisch pflegen und ausbauen, wo die Lage verfahren und gar hoffnungslos? Ist sie in der Lage, Herausforderungen des Weltgeschehens rechtzeitig zu erkennen und zu begreifen, diesen angemessen und richtig zu begegnen? Kennt und versteht sie die Geschichte, Kultur und Ziele ihrer Gegenüber? Außenpolitik sollte strategischen Grundüberlegungen folgen, anstatt nur aus Reaktionen auf bestimmte Ereignisse zu bestehen. Handelt die deutsche Außenministerin nach diesem diplomatischen Prinzip? 

UN-Sicherheitsrat in New York. Ort für Diplomatie der Großmächte.

Annalena Baerbock betrachtet Außenpolitik oftmals als Mittel zum Zweck. Dabei werden die Bedürfnisse und Befindlichkeiten anderer Länder und Völker von ihr hintangestellt oder ignoriert. Versierte Diplomaten und Außenpolitiker versuchen dagegen, die Dinge stets aus der Perspektive der anderen Nationen zu betrachten, deren Vorurteile, Ängste und Zielsetzungen mit einzukalkulieren. Und was in aller Welt soll die kritiklose Hinnahme von US-Außenpolitik nebst keinerlei Begrifflichkeit von deren Globalstrategie oder gar den Verwerfungen im Innern der USA? Um sich einer globalen Partnerschaft mit diesen USA entgegen zu buckeln, bei allen Fragwürdigkeiten den Kopf in den diplomatischen Sand tauchen? Nun gibt es sofort Leute, die meinen, es ist nicht das Thema der Außenministerin, sich in innere Angelegenheiten eines Landes zu mischen. Wer sich allerdings ständig bei den Chinesen einmischt, der muss sich fragen lassen, warum er dies gegenüber den USA so nicht abliefert. Die Kriminalisierung vieler Frauen in den USA durch den Entscheid des Obersten Gerichtshofes in Sachen Schwangerschaftsabbruch wäre unter potenziellen Partnern eine gute Gelegenheit für deutliche Worte gewesen. Baerbock sprach sie nicht.

Wir Bürger schauen eher ohnmächtig zu, wie die Außenministerin Annalena Baerbock jedwede Bodenhaftung und allen Realitätssinn verliert und müssen auf den Kanzler und dessen Richtlinienkompetenz setzen wie hoffen. Diplomatie heißt immer Geschichte mitdenken. Als ein US-Student, so berichtet es Henry Kissinger in seinem Buch ‚Staatskunst‘, einst den alten Winston Churchill befragte, wie man sich auf ein wichtiges Staatsamt vorbereitet, antwortete dieser: „Studieren Sie Geschichte! Studieren Sie Geschichte! In der Geschichte liegen alle Geheimnisse der Staatskunst.“ Die Antwort von Charles de Gaulles auf eine ähnliche Frage war wesentlich trockener: „Bedienen Sie sich fortwährend der Intelligenz.“ Das diplomatische Handwerk ist bei der Politikerin Annalena Baerbock nicht in guten Händen. Man kann nur hoffen, dass der Bundeskanzler Scholz diese außenpolitischen Kapriolen baldigst stoppt, um Gefahr von Land und Menschen zu nehmen. Beliebteste Umfragepolitikerin hin oder her. Annalena Baerbock scheint jedenfalls den Anforderungen von Diplomatie und Außenpolitik offenkundig nicht gewachsen. Sie ruft uns mit ihrem Politikstil und ihrer Außenpolitik eher zwei Gedanken von Wilhelm Busch in Erinnerung:

Wenn einer, der mit Mühe kaum gekrochen ist auf einen Baum, schon meint, dass er ein Vogel wär, so irrt sich der. Das Gute – dieser Satz steht fest – ist stets das Böse, was man lässt!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert