Gesellschaft

Hohles Geschwätz vom Wohlstand

So dröhnte es am Wochenende durch die Medien: „Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, kommen jetzt mindestens zehn Jahre, in denen es anstrengender wird als in den letzten. Wollen wir Menschen nicht lieber wieder mehr verdienen lassen, indem wir etwas länger arbeiten?“ Da gab wieder einer seinen Senf auf den Pappteller, auf dem schon lange keine Wurst mehr liegt. Der abgestandene Politiker ähnelt dem ausgemusterten Fußballer. Beide Spezies können das törichte Wort nicht halten und gieren labernd nach Publikum und Aufmerksamkeit. Solcher Art Wesen ist Sigmar Gabriel, von dem diese Wortmeldung getätigt wurde. Sigmar wer? Der ehemalige Berufsschullehrer sitzt aktuell im Aufsichtsrat der Deutschen Bank, wofür die Grundvergütung bei 100.000 Euro jährlich liegt. Hinzukommen weitere Bezüge, die durch Mitgliedschaften in den Ausschüssen dieses Kontrollgremiums erzielt werden. Somit kommt der Bankenaufseher Gabriel wohl auf 200.000 Euro im Jahr nur durch diese Tätigkeit. Außerdem ist er Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp Steel, ein Unternehmen, welches bekannt für seine üppigen Boni und einer fürstlichen Vergütung von Aufsichtsratsvorsitzenden. Der Lobbyist und Wirtschaftsmann Gabriel brummt geschäftlich, während der ehemalige Politiker Gabriel mit seiner Amtszeit und diversen Regierungsbeteiligungen mehr und mehr verschwimmt und in Vergessenheit gerät, aus welcher er sich gerne selbst erinnernd reden möchte. Übrig blieb eine gute Versorgung. Wer, wie Gabriel, mindestens vier Jahre lang Bundesminister war, hat Anspruch auf eine Pension von 4.560 Euro pro Monat. Mit jedem weiteren Jahr als Regierungsmitglied steigt diese um 393 Euro monatlich bis maximal 11.796 Euro. Gabriel war acht Jahre Bundesminister. Jeder kann sich das üppige Jahressalär von Sigmar Gabriel einigermaßen zusammenrechnen. In der Politik ist der Mann ein Symbol des Scheiterns. Als ehemaliger Ministerpräsident von Niedersachsen wie als SPD-Vorsitzender konnte er eines nicht, Wahlen gewinnen. Geschadet hat es ihm, wie man an den Zahlen sieht, nicht wirklich.

Redete hier nun ein gescheiterter und ausgemusterter Ex-Politiker oder der Diener seiner neuen Herren, die ihn üppig entlohnen? Wie „anstrengend“ es für Sigmar Gabriel wird, lässt sich erahnen. Das „wir“ aus dem Mund von Politikern oder Ex-Politikern wissen aufgeklärte Bürger einzuordnen. Und das länger arbeiten heißt im Resultat dann weniger Jobs und Kürzung der Löhne. So ist es mit der Realität. Warum wir bei einer Profit-Inflation und bald wieder steigender Arbeitslosigkeit Profite erhöhen und Jobs vernichten sollten, versteht wohl nur ein ehemaliger SPD-Vorsitzender. Dazu noch das ewig dumme Geschwätz vom Wohlstand. Dieser angebliche Wohlstand läuft längst nicht mehr synchron zu der Alltags- und Lebensrealität in diesem Land. Hat Gabriel schon einmal mit den modernen Lohnsklaven geredet – erschaffen durch sozialdemokratische Regierungspolitik – den Opfern im Niedriglohnsektor oder mit einer Supermarktkassiererin, einem Paketboten? Das Gequatsche vom Wohlstand passt auch überhaupt nicht zu der dringlichen Überlebensnotwendigkeit, die gegen eine latent grassierende Sozial-, Klima- und Umweltkatastrophe mit Wucht anlaufen müsste. Was bekommt jemand wie Gabriel in seiner ganz persönlichen Wohlstandsblase davon eigentlich mit? Kennt Gabriel Rentner, die im Müll nach Flaschen oder sogar Lebensmitteln suchen müssen?

Rentner. Wohlstand durch längere Lebensarbeitszeit?

„Wohlstand“ ist doch längst, wenn man über den Tellerrand der Industriestaaten schaut, ein zynischer Witz. Schon jetzt sind über eine Milliarde Menschen weltweit unterbeschäftigt oder ganz erwerbslos, Tendenz steigend. Über 40 Prozent der Menschheit schuftet für weniger als 1 US-Dollar Lohn am Tag. Es gibt 276 Millionen Menschen, die Tag für Tag akut hungern. Und täglich sterben über ca. 57.000 Menschen an Hunger, Tendenz auch hier steigend. Wen wundert’s? Glaubt jemand ernsthaft, Deutschland könnte in dieser Gemengelage eine Oase der Glückseligkeit sein und die Menschen sich an dem festkrallen, was sie noch für Wohlstand halten? Im Europa des Rückbaus und der Zerstörung des Sozialstaates alter Prägung weitet sich der Neoliberalismus längst zum Gesellschaftsmodell aus. Dieser Neoliberalismus ist im Eilverfahren dabei, die kleine Schicht der wirklich wohlhabenden Eliten weiter zu erheben. Gleichzeitig wird die bisherige Mittelklasse, die dem Begriff Wohlstand hinterherhechelte wie ein Hund der Wurst, sukzessive auf den früheren Status der alten Arbeiterklasse nach unten gedrückt. Dort kann man sie endlos und billig ausnutzen, jenes dafür gezahlte Entgelt reicht nicht mehr für einen würdigen Lebensunterhalt. Der Platz der Arbeiterklasse ist frei geworden, weil diese längst in die Unterschicht umgewandelt wurde. Die Mittelschicht begreift derweil noch nicht, was ihr zugedacht und krampft sich weiter an Wohlstandsversprechen fest, die niemand einhalten wird und die schneller verklungen als gesprochen. Orchestriert wird dieser Abstieg durch fatale Wortmeldungen der Sorte Gabriel. Was der italienische Historiker Carlo Maria Cipolla einst sagte, lässt sich auf Sigmar Gabriel jedenfalls glänzend anwenden:

Bestimmte Individuen vererben das Gen für Dummheit in außergewöhnlicher Dosis und gehören damit von Geburt an zur Elite ihrer Gruppe.

*Beitragsbild: Sigmar Gabriel (Screenshot Sender Phoenix)

 

 

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