Bundesgesundheitsminister Lauterbach stellte vor wenigen Tagen seine neue Impfkampagne vor, mit welcher er durch den Herbst und über den Winter will. Die Scheinwerfer und Lufthoheit über Talkshows haben jetzt allerdings eindeutig andere Politikbetreiber. Die Sonne medialer Aufmerksamkeit im gesunden Volksempfinden der Deutschen, was immer öfter nur noch Medienempfinden, scheint derzeit mehr den Bellizisten, den Predigern schwererer Waffen, den Stahlhelmträgern und Hassern von Pazifisten, natürlich den Atombombenabwurf-Spekulanten heiß auf den Kopf. Nur auf die blubbernde Social Media Blase kann sich Prof. Karl Lauterbach noch verlassen, in der er zu oft und zu gern geschwommen. Böse Zungen könnten auch sagen, worin er zu heiß gebadet hat. Immerhin erklärte er dort nämlich Anfang Oktober 2022 „Wir sind im Krieg mit Putin“. Eine Kriegserklärung Richtung Osten durch die akademische Brille, zumal an eine Person und nicht an einen Staat gerichtet, diese noch über den amtierenden Gesundheitsminister, ist sogar für kriegserprobte Deutsche, die immerhin zwei Weltkriege losgetreten haben, auf vielfache Weise absonderliches Neuland. In die Bundespressekonferenz zur Vorstellung seiner Corona-Abwehrpläne, um im militärischen Jargon unserer Zeit zu blieben, brachte sich Karl Lauterbach jedenfalls Verstärkung mit. Margarete Stokowski, eine Kolumnistin und Autorin, die im Land als Intellektuelle eingestuft. Damit ist man hierzulande immer schnell bei der Hand. Diese Frau Stokowski scheint aktuell gesundheitlich angeschlagen, physisch wie übrigens psychisch, was ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden darf. Sie leidet nach eigenen Aussagen unangenehm nachhaltig an den Folgen von Long Covid und steigt in die Pressekonferenz wie folgt ein:
Meine Infektion war im Januar, ich war dreimal geimpft. Also ich war ziemlich frisch geboostert. Seitdem bin ich krank.
Kein wirklich guter Einstieg, zumal das Impfen arg ins Stocken geraten. Und mit Verlaub, eine gute Zeugenschaft für die Notwendigkeit einer Impfung wirft Margarete Stokowski nicht gerade in die Waagschale. Eine Journalistin springt auf diesen Eindruck und stellt eine sich durchaus aufdrängende Frage:
Sie waren geimpft und geboostert, wie erklären sie sich, dass sie trotzdem derartig erkrankt sind? Gleichzeitig werben Sie auch für Impfungen. Haben sie da nicht doch Zweifel, dass es sie nicht so geschützt hat?
Nun ist wieder Margarete Stokowski, die intellektuelle Vorzeigeperson zur Unterstützung von Karl Lauterbach dran:
Keine Ahnung, kann ich mir nicht erklären.
Spätestens jetzt kommen selbst einem wohlwollend neutralen Betrachter Zweifel, ob die Unterstützung, auf die der Bundesgesundheitsminister da zurückgreift, nicht doch ein Rohrkrepierer. Die Sache nimmt ihren Lauf und geht auch wegen Twitter nach hinten los. Dort tauchen nicht wirklich überraschend alte Tweets urplötzlich wieder auf, werden von diesem oder jenem genutzt, gebraucht oder auch missbraucht. Viele Verfasser stolpern noch nachträglich über eigene Bekundungen. Margarete Stokowski hat in der Pressekonferenz gerade ihre Probleme mit Covid-19 geschildert und dass man so etwas nicht seinem ärgsten Feind wünscht, da rauscht schon ein alter Tweet von ihr durch die Social Media Blase:
Eigenes Leid und Empathie für die Kümmernisse anderer Erdenbürger sind ganz offensichtlich nicht immer ein Synchronpaar. Und wenn in der Social Media Blase die Entdecker am Entdecken sind, dann geht es selbstredend natürlich flott weiter. Da lässt sich dann finden, dass Karl Lauterbach Leute verklagt, die ihn auf Twitter als „Pisser“ bezeichnet haben. Wobei hier Karl Lauterbach und seine Klage Unterstützung verdient, weil man dem Mob nicht die verbale Bahn überlassen sollte. Mob drückt sich natürlich selten feinfühlig aus. Das war schon vor Twitter so. Doch auch hier wieder ein Margarete Stokowski-Problem. Ebenfalls auf Twitter bezeichnete diese vielleicht durchaus zurecht, so man ahnt, was da so einprasselte auf Frau Stokowski, Leute in den sozialen Medien ebenfalls als „Pisser“. Alles in allem war das Gespann Lauterbach/Stokowski nicht wirklich ein klug gewähltes Dream-Team für die Ziele, die es zu vertreten und zu propagieren galt. Von der notwendigen Aufklärung zum Schuss in den Ofen ist es nicht weit. Es reicht ein Wort oder in moderner Zeit eben ein Tweet, manchmal ein gut gemeinter Duo-Auftritt in der Bundespressekonferenz.
Beim Eindruck, den das Team Lauterbach und Stokowski unbeabsichtigt vermittelt, stellt sich dem Normalverbraucher nicht nur das Nackenhaar auf, sondern auch eine Überlegung in seinen denkenden Weg. Es umgibt gerade Politiker, ein Stab von Auserkorenen, manche kritisch und helfend, die Vielzahl eher servil nach innen und wichtigtuerisch nach außen. Büroleiter, Referenten, wissenschaftliche Mitarbeiter und Kommunikations- und Medienmenschen umspülen einen Minister heftig krauchend bis in die Westentasche. Legendär mittlerweile in der Politik oder in Unternehmen ein „Social Media Praktikant“, welcher nirgends fehlen darf. Im Angesicht von Lauterbach sollte dem noch begleitend ein „Twitter-Nachräumer-Nachleser-Praktikant“ zur Seite gestellt werden. Vielleicht lesen wir diese Stellenbeschreibung bald in einer Hausmitteilung im Bundesministerium für Gesundheit. Sollte hier ein neuer Posten kreiert worden sein, GERADEZU nimmt Dankbezeugungen entgegen. Offenbar findet sich im Umfeld des Ministers Lauterbach nirgends eine mitdenkende Person, welche in der Lage ist, dem Minister die Dinge deutlich vor Augen zu führen. Ein solcher Auftritt wie jener mit Frau Stokowski muss doch, was seine Wahrnehmung und Wirkung anbelangt, wenigstens einmal vom Ende her durchdacht werden. Da dies ganz offensichtlich nicht erfolgte, scheint wohl niemand im Ministerium dazu in der Lage, vielleicht nicht einmal Karl Lauterbach persönlich. So etwas löst beim Betrachter allerdings Kopfschütteln aus.
Ick wundere mir über jarnischt mehr. (Berliner Couplet aus der Weimarer Republik von Otto Reutter vorgetragen.)
Wahrlich kein gutes Bild, was das Ministerium von Lauterbach da abgibt. Schon gar nicht in der Öffentlichkeit, nach der es gerade Karl Lauterbach so oft und manchmal falsch dürstet. Es gibt einigen Reparaturbedarf, den sich Lauterbach dringend auf seine Agenda schreiben sollte. Derweil Frau Stokowski ohne Wenn und Aber Genesung und völlige Wiederherstellung ihrer Gesundheit zu wünschen ist. Karl Lauterbach ist eine baldige Alltagstauglichkeit im öffentlichen Raum zu wünschen. Vor allem ein Zugewinn an handwerklichem Können auf dem Feld der Politik, welches über lesen und verstehen hochkomplexer Wissenschaftsstudien hinausgeht. Bei der künftigen Auswahl seiner Mitarbeiter sollte er sich mehr hinterfragen und kümmern, was ihn ein wenig vor künftigen Fallstricken bewahren könnte, in denen er sich aktuell mehr und mehr verstolpert. Und beide, Stokowski wie Lauterbach, sollten vielleicht gemeinsam über ihre Wortwahl und die Häufigkeit von Wortmeldungen in der Social Media Blase nachdenken, bevor sie erneut als Duo so schlecht vorbereitet in die Bundespressekonferenz marschieren.
*Titelbild: Gerd Altmann auf Pixabay