Interessantes

Lehrreiche Erinnerung

Erinnerungen können nervig sein, doch ab und an durchaus hilfreich. Natürlich birgt Erinnerung auch die Gefahr des „früher war alles besser“. So etwas erzählt man gerne jungen Leuten, die dieses sowieso herzlich wenig interessiert, um sich auch im Alter noch wichtigzumachen oder wenigstens zu nehmen. Keiner von uns ist frei davon. Manches war früher deutlich besser, manches ist heute deutlich besser, vieles vor allem völlig anders und nicht vergleichbar. Damals wie heute gab und gibt es auch allerhand Mist. Darauf kann man sich generationsübergreifend vielleicht sogar einigen. Dass es heute keine entscheidungsfreudigen Politiker mehr gibt, Charisma in dem Feld ausgestorben und Handlungsstärke wie auch Durchsetzungskraft nicht mehr vorhanden, ist aktuell sehr offenkundig und liegt auch an der Medien- und Talkshow-Republik. In deren Oberflächlichkeit haben sich vor allem die politischen Akteure bequem eingerichtet, sind darin allerdings hoffnungslos versunken. Erlaubt man sich den Blick zurück, so lässt sich in einer Rückschau manche Lehre für Gegenwart und Zukunft finden. Die These ist wahrlich nicht neu. Dafür gibt es ein absolut treffendes Zitat des Philosophen George Santayana: „Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“ Nehmen wir diesen Ball einmal auf und erinnern uns. Gerade vor dem Start einer neuen Bundesregierung, die den farbigen Titel Ampel trägt, aber nur das Gelb der FDP scheinen lässt, ist es an der Zeit, sich eine historische Wortmeldung zurückzurufen. Das Wort geht deshalb an Helmut Schmidt mit einem Auszug aus dessen letzter Rede als Bundeskanzler vor dem Deutschen Bundestag (1. Oktober 1982). An diesem Tag wurde Helmut Kohl durch den von der FDP herbeigeführten Koalitionsbruch mit der SPD und dem folgenden Koalitionswechsel der FDP hin zur CDU/CSU neuer Bundeskanzler. Die gewählte und nun folgende Passage aus der Rede von Helmut Schmidt entstammt in der Wiedergabe dem originalen Plenarprotokoll 9/118 (Stenografischer Bericht der Sitzung) des Deutschen Bundestages:

Der Vorsitzende der FDP hatte auf dem Wahlparteitag seiner Partei am 6. Juni 1980 erklärt „Wer FDP wählt, garantiert, daß Schmidt Bundeskanzler bleibt … der Wähler soll wissen, woran er ist, … ohne Wenn und Aber … Die Entscheidung über uns (die FDP) ist die Entscheidung über die Fortführung der Koalition.“ Mit meinem Namen, auch auf ihren Wahlplakaten, hat die FDP im Oktober 1980 ein sehr gutes Wahlergebnis erzielt, und unmittelbar nach der Wahl haben die Parteivorsitzenden von SPD und FDP in einer gemeinsamen Verlautbarung den Willen zum Zusammenwirken und zur gemeinsamen Verantwortung „für Freiheit und sozialen Fortschritt“ auch für die kommenden vier Jahre ausdrücklich bekräftigt. Seit dem August des vorigen Jahres ist der Vorsitzende der FDP zielstrebig und schrittweise von allen früheren Erklärungen abgerückt. Am 9. September habe ich ihn von dieser Stelle aus zu einer klaren Antwort aufgefordert. Es hätte zu der Antwort nur eines einzigen Satzes bedurft. Aber dieser eine Satz „Wir stehen fest zur sozialliberalen Koalition“ wurde absichtsvoll vermieden. Statt dessen hat die FDP  acht Tage später, in der Bundestagssitzung am Freitag, dem 17. September, diesem Haus und dem deutschen Volk sehr fadenscheinige Erklärungen vorgetragen. Über viele Jahre, Herr Kollege Genscher, werden die Bürger dieses Verhalten nicht vergessen.

*Beitragsbild: Screenshot aus ZDF-Doku über Helmut Schmidt

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