Gesellschaft

Moralische Politik

Es ereignete sich vor wenigen Tagen in Mexiko. Der Präsident von Mexiko, der im Land und von Freunden nur AMLO genannt wird, war um das Jubiläum herum ein gefragter und natürlich viel beschäftigter Mann. Die mexikanische Nation beging und feierte am 16. September 2022 im ganzen Land das 212 Jahr der Unabhängigkeit. Am Vorabend jubelten 140.000 Menschen dem Präsidenten zu, der die traditionelle Ansprache zum Jubiläum änderte und nicht mehr das „Lang lebe“ bediente, sondern stattdessen „Tod der Korruption, Tod dem Klassendenken, Tod dem Rassismus“ ausrief. Weiter erwähnte der Präsident in seiner Ansprache Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Demokratie, Ehrlichkeit sowie Souveränität und mehrmals „universelle Brüderlichkeit“, mahnte den Frieden an, würdigte alle indigenen Völker und verbeugte sich vor der kulturellen Größe Mexikos. Hier denkt und lebt einer über sein Land hinaus. Beim großen öffentlichen Staatsakt anderntags nahm der Präsident von Mexiko dann nicht nur die Militärparade ab, sondern ergriff auch das Wort zu seiner zentralen Festansprache. Zu diesem Festakt wie zu den Feierlichkeiten hatte AMLO ganz bewusst und persönlich die Angehörigen von Che Guevara, Martin Luther King und Julian Assange nach Mexiko eingeladen. Was für ein Zeichen! Vor den Augen und Ohren internationaler Staatsgäste blieb Andrés Manuel López Obrador in dieser Rede zum Unabhängigkeitsjubiläum seiner Linie als Internationalist treu und beeindruckte die Weltöffentlichkeit. Die globalen Eliten erfreute er nicht. Seine Worte markierten deutlich die Trennlinie zwischen verlogener und ehrlicher Politik. Andrés Manuel López Obrador gab der Menschenwürde, dem Anstand und der Moral Stimme, er sprach für den anständigen und progressiven Teil der Menschheit:

Julian Assange ist der Quijote unserer Zeit und der Meinungsfreiheit, der zu Unrecht inhaftiert bleibt. Von diesem öffentlichen Platz, dem Hauptplatz der mexikanischen Republik, widmen wir uns der weiteren Forderung nach der Freiheit von Julian Assange!

Mexiko feiert und vergisst die Entrechteten und Bedrohten dieser Welt nicht. Chapeau! (Foto, Twitter: Claudia Sheinbaum)

Worte, wie wir sie gerne von einem europäischen Regierungschef oder den Verantwortlichen in Brüssel hören wollen, aber nicht hören werden. Diese sind längst bereit, das Schlachtopfer Assange in die USA zu liefern und dann wieder die Lüge vom Vertrauen in rechtsstaatliche Verfahren zu verkünden, wie die deutsche Außenministerin es unlängst beschämend tat. Wie es um den Rechtsstaat USA steht, ist ja an den mittelalterlichen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes in Washington, Stichwort Schwangerschaftsabbruch, gerade blendend zu beobachten. Andrés Manuel López Obrador beschämt mit seinem Charakter und seiner Politik die Europäer genauso wie Australien, das Geburtsland von Julian Assange, welches für seinen Bürger ebenfalls keinen Finger krumm macht. Auf dem Twitteraccount des mexikanischen Präsidenten fragte ein mexikanischer User interessiert, erstaunt wie berechtigt:

Warum interessiert sich die australische Regierung nicht für Meinungsfreiheit, Menschenrechte und ihre eigenen Bürger wie Julian Assange? Australien ist unabhängig oder nur eine Kolonie?

Mann des Volkes: Andrés Manuel López Obrador, Präsident von Mexiko. (Foto: AMLO, Twitter)

Nicht nah am Volk wie der Präsident von Mexiko, aber in den Wolken ihrer fatalen und unkontrollierten Allmacht schwebend, die Behörden in Brüssel, welche gerne für Europa stehen, agieren und sprechen. Die in Sachen Assange schändliche EU hat im Frühjahr dieses Jahres mit ihren Organisationen in Brüssel über Medien- und Pressefreiheit in Mexiko referiert. Dabei hat man den Mexikanern in kolonialer Manier Noten, Vorgaben und Ratschläge erteilt, zumal der linke und im Volk beliebte Präsident Andrés Manuel López Obrador den USA und Europa als Politiker ein Dorn im Auge. López Obrador ist nämlich ein ausgewiesener Gegner neoliberaler Staats- und Gesellschaftsmodelle. Der Präsident von Mexiko verbat sich diese EU-Einmischung von außen umgehend und vehement, antworte den EU-Institutionen mit einem offenen Brief. Darin war auch folgende interessante und deutliche Ansage zu finden:

Vergessen Sie nicht, dass wir nicht mehr irgendjemandes Kolonie sind. Lassen Sie Ihre als gute Absichten getarnte Einmischungsmanie hinter sich. Sie sind nicht die Weltregierung.

Der Präsident Mexikos ist mit der klaren, noblen und moralischen Haltung eines wahren Demokraten ein kraftvolles Vorbild für einen ehrenhaften und würdigen Staatsmann im Dienste des Volkes und der Freiheit. Er steht nicht allein in seinem Land. Der politisch denkende Teil der Bevölkerung ist an der Seite des Präsidenten und seiner Politik, weil die Menschen ein Empfinden für Gerechtigkeit und Unrecht haben. An der Seite von Politik und Volk steht auch die Regierungschefin von Mexiko-Stadt, der Hauptstadt und 21-Millionen-Einwohner-Metropole, Claudia Sheinbaum. Als Gouverneurin von Mexiko-Stadt hat Claudia Sheinbaum dem inhaftierten Julian Assange in dessen Abwesenheit die höchste Ehre der Hauptstadt erwiesen. Dies geschah in einer öffentlichen Zeremonie. Sie hat dem Vater von Julian Assange – stellvertretend für den in Großbritannien inhaftierten und auf seine Auslieferung an die USA wartenden Journalisten – symbolisch die Schlüssel der Stadt übergeben und dieses öffentlich bekundet. In unseren Breitengraden einer Ehrenbürgerwürde gleichkommend. In welcher europäischen Stadt oder Hauptstadt ist Julian Assange Ehrenbürger? Die Gouverneurin Claudia Sheinbaum sprach aus, was europäischen Staatenlenkern nur in Sonntagsreden heuchelnd über die Lippen geht, diese uns im Wahlkampf vorgaukeln, um im Ernstfall Julian Assange schweigend und feige abzutauchen:

Meinungsfreiheit darf nicht verfolgt werden. Unsere Stadt wird Sie immer unterstützen und Sie mit offenen Türen empfangen. Heute bestätigen wir unsere volle Unterstützung für Julian Assange und seine Familie.

Vater von Julian Assange mit Urkunde der Stadt Mexiko. Bildmitte Gouverneurin Claudia Sheinbaum. (Foto: Twitter von C. Sheinbaum)

Ein alter Freund und jahrzehntelanger Kampfgefährte des mexikanischen Präsidenten ist Jean-Luc Mélenchon, Frankreichs linker Volkstribun, dessen politische Theorie im andauernden Kampf gegen den Neoliberalismus in vielen Ländern Lateinamerikas von linken Regierungen inzwischen verwirklicht wird. Wäre er in Frankreich Wahlsieger geworden, hätte Mélenchon umgehend Julian Assange zum französischen Bürger erklärt und den Briten einen Auslieferungs-Stopp zukommen lassen. Es kam leider nicht so, die Wahl ging an ein Bündnis aus Emmanuel Macrons Neoliberalen und dem rechten Rassemblement National von Marine Le Pen. Beide Gruppen, die längst gemeinsame politische Sache machen, interessiert nichts weniger als das Leben eines Aufklärers von Völkerrechtsverstößen, Kriegsverbrechen und Gräuel, so diese von den USA begangen. Hätte Assange sich auf den Kreml-Diktator Putin gestürzt, wäre er heute nicht in lebensbedrohlicher Auslieferungshaft, sondern fände seinen Namen auf der Liste für den Friedensnobelpreis. So unterschiedlich sehen die Seiten einer Medaille aus. Mélenchon kämpft auch ohne Wahlsieg und Amt weiter um das Leben von Julian Assange, getreu dem, was er im französischen Wahlkampf öffentlich sagte:

Wenn ich die Wahlen gewinne, wird Julien Assange als Franzose eingebürgert und sofort seine Übersiedlung nach Frankreich verlangt. Bei Ankunft ehren wir ihn mit einer Medaille der Republik. (Jean-Luc Mélenchon, 17. Juni 2022)

AMLO und Mélenchon. Internationalisten und Gefährten im Kampf gegen den Neoliberalismus. (Twitter: AMLO)

Mélenchon steht seit seiner frühesten Jugend an der Seite lateinamerikanische Völker und von deren Freiheitsbewegungen. In Lateinamerika hat fast jedes Land bittere Erfahrungen mit den USA. Putsch, Diktatur, Mord und Terror wurden aus Washington direkt oder indirekt über die Länder in Mittel- und Südamerika gebracht, sobald diese sich Ausbeutung und US-Wirtschaftsinteressen widersetzten. Dies nochmals zu erinnern, soll folgende Grafik helfen. Jeder kann mit den Angaben auf der Karte zur eigenen und freien Meinungsbildung die Dinge recherchierend oder googeln nachlesen und prüfen. Eine Historie des Schreckens.

Evo Morales, von 2006 bis 2019 stets mit großer Mehrheit gewählter Präsident Boliviens, wurde von Militärs aus seinem Amt und Land gedrängt, weil er dem Neoliberalismus in seinem Land den Kampf ansagte und gegen diese Gesellschaftsumformung eine soziale Politik machte. Ein Dorn im Auge nicht nur der USA, sondern auch Europas, die beide gegen das Wegputschen von Morales keine Einwände hatten. Morales ist längst triumphal in seine Heimat zurückgekehrt, gilt auch ohne Amt in ganz Lateinamerika als eine Ikone des Kampfes gegen die USA und deren Einmischungen. Darin in der ehrenvollen Tradition eines Salvador Allende. Morales ist wie Allende und Chavez für viele ein zweiter Bolivar. Die mexikanische Regierung lud Morales als Ehrengast zu den Jubiläumsfeierlichkeiten. Es wundert nicht, wenn Menschen und Politiker in dieser Region den Kampf für Opfer des US-Imperialismus als ihren Kampf führen und gemeinsam annehmen. Sie wissen um die Repressalien und Unterdrückungsmechanismen der USA hautnah aus eigener Erfahrung. Viele verloren ihre Freiheit und ihre Ämter. Familienmitglieder, Freunde und Kampfgefährten oft das Leben. So etwas prägt und bleibt unvergessen. Der westdeutsche Kadavergehorsam Richtung USA oder der frühere der Ostdeutschen gegenüber der Sowjetunion ist stolzen Lateinamerikanern nicht gegeben. Evo Morales ließ es sich nicht nehmen, in Mexiko mit dem Vater und Bruder von Assange zusammenzutreffen und seinen Standpunkt öffentlich zu machen:

Wir bekräftigen unsere Solidarität und Unterstützung für John Shipton, Vater unseres Mitstreiters für die Wahrheit und Gründer von WikiLeaks, Julian Assange. Assange ist ein politischer Gefangener und Opfer von US-Vergeltungsmaßnahmen, weil er deren Kriegsverbrechen aufgedeckt hat.

Evo Morales (Bildmitte) mit Bruder und Vater von Julian Assange in Mexiko. (Bild: Twitter von Evo Morales)

Es ist sicher auch im Geist von Andrés Manuel López Obrador, Jean-Luc Mélenchon, Claudia Sheinbaum und Evo Morales, wenn wir hier abschließend den Journalisten Matt Kennard zitieren, der dieser Tage nochmals sehr deutlich mahnte und warnte, wie bedroht das Leben von Julian Assange ist und dass der Fall uns alle angeht:

Wir müssen Julian Assange aus dem Gefängnis holen. Zukünftige Generationen werden uns nicht vergeben, wenn wir zulassen, dass die USA und Großbritannien ihn töten, weil er ihre Verbrechen aufgedeckt hat. Der Einsatz ist unglaublich hoch. Für jeden von uns gilt: Handel jetzt.

Hier soll noch an den im August 2022 verstorbenen Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele erinnert werden. Er blieb seinen Prinzipien stets treu und war daher folgerichtig auch der einzige deutsche Politiker und Grüne, der vehement bis ans Ende seines eigenen Lebens für die Freiheit von Julian Assange öffentlich eintrat und kämpfte. Er steht damit in einer ehrenvollen Reihe. Die Menschen werden sich auch deshalb an ihn in Dankbarkeit erinnern. Er machte deutscher Politik mit ungekünstelter Bodenständigkeit, Moral und Anstand viel Ehre, ohne auf Macht, Diäten, Posten und Mandate zu schielen. Chapeau!

Freiheit für Julian Assange:

Respekt und Anerkennung der Familie von Julian Assange: 

Unermüdlicher Kampf für Julian Assange: Vater John Shipton (75) und Bruder Gabriel Shipton.

Politik für Menschen. Dank und Respekt:

Präsident von Mexiko: Andrés Manuel López Obrador

Hochachtung vor Evo Morales, Claudia Sheinbaum und „El Pepe“ José Mujica (Ex-Präsident von Uruguay): 

Opfer der USA. Sein Geist lebt überall in Lateinamerika. Salvador Allende:

Viva México! Herzlicher Glückwunsch an die Menschen Mexikos:

*Titelbild: Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador (Twitter: López Obrador)

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