Gesellschaft

Opposition

Dieser Oppositionsführer war noch einer. Der Sozialdemokrat Kurt Schumacher trat dem Kanzler Adenauer stets bereit und entschlossen gegenüber. Opposition definierte er so: „Das Wesen der Opposition ist der Versuch, an konkreten Vorschlägen der Regierung und ihren Parteien den positiven Gestaltungswillen der Opposition aufzuzwingen.“ Nach seinem frühen Tod übernahmen Fritz Erler, Herbert Wehner und Helmut Schmidt im Deutschen Bundestag diese Rolle gegenüber den Kanzlern Adenauer und Erhard. Lang ist es her, längst Geschichte. Heute ist der Blick auf die Opposition ein dreigeteilter. Beim Wort „positiven Gestaltungswillen“ fällt allerdings die AfD schon heraus, sie ist die Verkörperung aller schlechten Elemente dieses Volkes, sie ist der Abgrund, deren Propaganda man keine Bühne geben sollte. Im Bundestag sitzen sie gewählt wie alle anderen. Dennoch ist es richtig, dieser Partei keinen wichtigen Ausschussvorsitz oder den Posten des Parlamentsvizepräsidenten einzuräumen. Die Parteien der Weimarer Republik hätten Hermann Göring 1932 nicht als Reichstagspräsident akzeptieren dürfen. Wehre den Anfängen. Blicken wir daher also ausschließlich auf die demokratischen Oppositionsparteien.

AfD zerfledert die Demokratie. (Foto: Michi S auf Pixabay)

Die Linke wurde dieser Tage in den sozialen Netzwerken gesucht. Einer, der wohl Wähler wie Anhänger, stellte die Frage: „Gibt es Die Linke noch?“ Damit ist viel, fast alles gesagt. Ein erbärmlicher Haufen, der sich als politikunfähig und blind gegen die Erfordernisse unserer Zeit offenbarte. Im Westen nie angekommen, im Osten die Stammwähler erst verprellt, dann verloren, zum Teil noch an die AfD, stellt Die Linke das große Scheitern dar. Ins Parlament kam sie nur noch dank ihrer Direktmandate. Einer ihrer Fraktionsvorsitzenden im Bundestag ist dort der ewige Dietmar Bartsch. Sicher nett, integer und seriös. Aber von einer politischen Lethargie, die oft an Rudolf Scharping erinnert. Anders als bei Scharping geht es bei Bartsch allerdings einfach immer weiter. Ein schläfriger Anführer in den Untergang. Er ist das personifizierte Versagen, wo das Fraktionsmitglied Gregor Gysi als persönliches Erfolgsmodell in Form von Aufmerksamkeit im Gewand des Parlamentariers daherkommt. Auftritte, Scheinwerfer, Talkshows und Buchvorstellungen in eigener Sache sind sein Metier, die Öffentlichkeit sein Lebenssaft. Seinen Wahlkreis gewinnt er stets souverän. Chapeau. Für die Partei Die Linke ist er mittlerweile allerdings weder Zugpferd noch Motor, sie scheint ihm so egal, wie Gerhard Schröder einst die SPD. Was dem einen recht ist, ist dem anderen billig. Die Linke und sich selbst in eine Bundesregierung zu führen, dieser Gysi-Lebensraum ist mit der Bundestagswahl vom 26. September 2021 für immer begraben worden und ausgeträumt. Als Opposition wirken sie wie im Wahlkampf. Selbstbezogen, alltagsuntauglich und fern der Realität, stets mit sich selbst beschäftigt und hohle Parolen verströmend. Spießige Ehrgeizlinge mit Diäten eignen sich schlecht als soziales Gewissen der Nation. Pikanterweise ist zu allem Unvermögen noch ein früheres Aushängeschild der Linken, Sahra Wagenknecht, geistig längst in der Nähe von Alice Weidel angekommen. Sozusagen Schwestern im Geiste, wenn wir an das Thema Corona denken. Unsäglich wie beschämend. Dafür kann Die Linke allerdings nun wirklich nicht. Für alles andere schon.

Opposition gehört zum Politikpuzzle. (Collage: Gerd Altmann auf Pixabay)

Bleibt die CDU/CSU, die immer noch den Regierungstraum träumt und auf dem Sprung. Dieser Sprung würde allerdings aktuell als Bettvorleger enden. Man schaue einmal auf drei stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Hermann Gröhe, ein ehemaliger Gesundheitsminister, an den sich niemand erinnert, keinerlei politische Erfolgsspuren zeichnen seinen Weg. Alexander Dobrindt, einer aus der vollmundigen CSU, ein ehemaliger und gescheiterter Verkehrs- und Digitalminister. Dann Dorothee Bär, die Dame mit dem Wahn für das Flugtaxi, zuletzt in Deutschland für die Digitalisierung zuständig. Wer bei uns mit dem Handy telefoniert, der weiß um die „Erfolgsbilanz“ dieser Politikerin. Jens Spahn ist auch stellvertretender Fraktionsvorsitzender, wovon es übrigens 12 an der Zahl gibt. So die Ampel sich nicht selbst zerlegt oder von der FDP und deren Irrlichtern wie z. B. Wolfgang Kubicki ausgehöhlt und sabotiert wird, hat sie bei der derzeitigen Aufstellung der CDU/CSU keinen wirklich schweren Stand. Zumal die CDU/CSU ein Feld, welches die Ampel qua FDP-Wille liegen lässt, ebenfalls sträflich vernachlässigt. Sozial- und Arbeitnehmerpolitik. Genau im Feld dieser Leerstelle könnte sie punkten. Interessant bei der CDU/CSU nur deren aktueller Fraktionsvorsitzender Ralph Brinkhaus. Der stellte sich in der Wahl um den Fraktionsvorsitz 2018 gegen einen Vertrauten von Angela Merkel und jagte diesen Volker Kauder aus dem Amt. Interessanterweise überlebte er den stillen Zorn von Angela Merkel schadlos. Darin erging es ihm also erfolgreicher als zum Beispiel den Herren Friedrich Merz oder Norbert Röttgen. Brinkhaus hat offenbar nicht nur Nehmerqualitäten, er hat auch Steherqualitäten. Außerdem ist er einer, der im Parlament die freie Rede beherrscht und der Regierung konstruktive Opposition entgegenstellen will. Für die CDU/CSU durchaus ein Paradigmenwechsel, denkt man an die Oppositionszeiten, wo Franz Josef Strauß den Takt mit der Sonthofen-Strategie vorgab, der Oppositionsführer Helmut Kohl Gift und Galle über die sozialliberale Koalition goss und den Schatten Moskaus an jede Wand warf.

Ralph Brinkhaus könnte die Zukunft der CDU als ein eloquenter Oppositionsführer sein, so die CSU mitspielt. Warum sollte sich Brinkhaus vom gemeinsamen Fraktionsvorsitz zurückziehen, wenn Merz oder Röttgen Parteivorsitzender der CDU wird? Beide sind klassische Verlierer, werden es auch bleiben. Von Merkel gewogen und deutlichen für zu leicht befunden, wurden sie vor die Tür gesetzt. Brinkhaus war nah dabei, wird sich gut erinnern. Warum ihn, einen der sich durchsetzen konnte gegen jemanden austauschen, egal wer, der nur die große Klappe aber keinerlei Substanz? Im Falle Friedrich Merz käme noch dazu, dass der bayerische Beobachter der Berliner Szene, ein gewisser Herr Söder, den tönenden Schwätzer Merz nicht ertragen kann. Söders CSU Truppe wird in der gemeinsamen Bundestagsfraktion vollmundig „Landesgruppe“ genannt, könnte daher Brinkhaus wohl die Treue halten. Obsiegt Brinkhaus, sollte daraus naturgemäß ein ganz anderer Anspruch und Ehrgeiz in diesem wachsen. Dann allerdings hätte er Markus Söder nicht mehr an seiner Seite. Somit wird die Opposition über kurz oder lang wohl mehr mit sich kämpfen als mit der Regierung. Darauf behalten wir einen interessierten Blick. Aus Gründen der politischen Neugier, aber auch aus Gründen der Unterhaltung. Die Ampel hat also wenig zu befürchten, die internen Sprengsätze innerhalb dieser Regierungskonstellation sind wohl gefährlicher als jene Gruppen und Personen der momentanen Opposition.

Übrigens: Franz Müntefering, wie Kurt Schumacher auch SPD Vorsitzender, allerdings viele Jahre später und dabei nicht von dessen Format, hatte über das Oppositionsdasein auch eine Meinung. Gekleidet in die Drei-Sätze-Rhetorik eines Sauerländers: „Opposition ist Mist.“

*Titelbild: mohamed Hassan auf Pixabay

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert