Gesellschaft

Provokateur mit Orchester

TV Berlin ist ein zuschauerarmes Sonderling-Format. Dessen Sendungen unter Berlinern so bekannt wie die Musik von Radio Ulan Bator. Weil dort nun Hans-Georg Maaßen den unqualifizierten Mund öffnete, ist der Sender im Nebengespräch. Ein bisschen Werbung kann schließlich am Rande der Existenzberechtigung nicht schaden. Ähnlich wird es sich auch Herr Maaßen gedacht haben. Dieser ist CDU Direktkandidat für den Wahlkreis 196. Geografisch versierte Politikbürger denken dabei natürlich sofort an den Bundestagswahlkreis Suhl-Schmalkalden-Meiningen-Hildburghausen-Sonneberg. Thüringen hat offenbar eine gewisse Anziehungskraft für merkwürdige Zeitgenossen. Der Satiriker und Autor Dietmar Wischmeyer brachte das Land auf den Punkt: „Was braucht man eigentlich für eine handfeste Staatskrise? Militär, das die Rundfunkstationen besetzt? Panzer auf den Straßen, Schüsse in der Nacht? Kann sein. Manchmal reichen aber auch schon zwei Doofe. Auftritt Mike Mohring und Thomas Kemmerich.“ Treffender lässt es sich auch im Nachgang nicht beschreiben. Thüringen ist außerdem die Zwingburg eines gewissen Herrn Höcke, seines Zeichens Verbeuger nach Modell Adolf Nazi. Lustig ist daran und auch an Herrn Maaßen wenig.

(Suhl. Foto: undulatus auf Pixabay)

Der Journalist Markus Decker über Maaßen: „Ich weiß noch, wie Hans-Georg Maaßen als Verfassungsschutz-Präsident mal am Ende eines Pressegesprächs zu mir sagte: ‚Herr Decker, wir wissen alles.‘  Es klang damals schon unheimlich.“ Dieses „wir wissen alles“ kennt man in Deutschland zur Genüge und es war nie positiv besetzt. Jener „wir wissen alles“ will nun also die Menschen aus Südthüringen im Bundestag vertreten. Zu Herrn Maaßen, der medial gerne und häufig als „ehemaliger Verfassungsschutzpräsident“ tituliert wird, als handele es sich um einen Monarchen im Exil noch eine kleine Erinnerung: Diesen Schützer unserer Verfassung hat das Kabinett Merkel II auf den Stuhl gehoben. Die damalige CDU/FDP Regierung Merkel/Westerwelle tat es auf Vorschlag des CSU-Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich. Wahlkämpfer Maaßen salbaderte also in besagtem Berliner Abseitskanal über einen möglichen „Charaktertest für Journalisten in öffentlich-rechtlichen Anstalten“, speziell bei der NDR Tagesschau. Er würde „Verbindungen zwischen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der linksextremen Szene“ sehen. Wenn reaktionäre Verderber nicht die rote Gefahr hätten, sie müssten in der Nase bohren. Maaßen bohrt nicht, sondern fischt lieber im Trüben. Dies allerdings äußerst erfolgreich. Sein unqualifiziertes Gequatsche hätte man im Keller von TV Berlin ins Nichts verhallen lassen können. Nicht bei uns. Da sei die „Vierte Gewalt“ vor.

Mit Furor hat diese Gewalt aus einer geistigen Blähung einen Donnerhall orchestriert und ins Land geblasen, als hätte der Papst angeheitert zum Polterabend geladen. In geschlossener Formation trat man an. Nachrichtenagenturen, Politikmagazine, sämtliche Leitmedien, alle Radio- und TV-Stationen, das komplette Internet und die Social Media Blase. Nur die Apothekenrundschau fehlte. Offensichtlich Redaktionsschluss. Medien haben getan, was sie schon seit Wochen tun, Maaßen zum wiederholten Male Bühne und Öffentlichkeit geliefert. Ihre Empörung ist sein Popularitätsmotor. Sein Arbeitsmuster dabei einfach gestrickt. Er provoziert mit einer Hirnrissigkeit und hält sein Stöckchen hoch. Wie die Lemminge springt eine ganze Medienlandschaft dann drüber. Nach dem Prinzip „ich schreibe die Noten, ihr spielt mir auf“ schafft sich einer wie Maaßen nützliche Idioten und dirigiert die Schar nach seinem Takt. Geld für Wahlkampf-Flyer muss er von seiner üppigen Pension nicht abzwacken, seine Werbung kommt frei Haus. Maaßen wird sich über diese kostenlose Werbung und Wahlkampfhilfe ein Loch in den Ast freuen. Brunnenvergifter brauchen immer Transporteure ihrer Botschaft. Ihre eigenen Ressourcen reichen für das große Spektakel nie aus.

(Foto: Karolina Grabowska auf Pixabay)

Die Transporteure können und wollen nicht anders. Den Mund halten, die Feder still und die Tastatur unberührt, bekommen sie nicht auf die Reihe. Es ist wider der beruflichen Natur. Dazu kommt der Geifer nach Auflage und Pulverdampf um jeden Preis. Man hätte Maaßen durch Ignoranz oder bewusstes „kleiner hängen“ dem Nichts von TV Berlin überlassen sollen. Schweigen und ein leeres Blatt können des Öfteren dem großen Palaver überlegen sein und der Demokratie sogar nützlich. Medienvertreter sollten erinnernd auf 2016 zurückstellen. Was wurde nicht im Clinton vs. Trump Wahlkampf, besonders in deutschen Medien, über die Mitschuld der US-Medienlandschaft am Aufstieg Trumps fabuliert, analysiert und besser gewusst. Man kritisierte Trumps ständige Präsenz und den Sachverhalt, dass alle Mikros, Kameras und Scheinwerfer latent und ohne Unterlass auf Trump ausgerichtet, dabei alles transportiert wurde, was dieser von sich gab. Als Twitter Trump „abschaltete“ war deutscher Medienjubel groß. Geschichte. Leider nichts daraus gelernt. Man ist jetzt keinen Deut besser, weil ignorant gegenüber eigenen Erkenntnissen.

Maaßen ist nicht Trump, Südthüringen nicht die USA. Vielen Menschen in Thüringen wird das Maaßen-Theater auch nicht gerecht. Dennoch sollte man einem irrlichternden Hobbypolitiker nicht unbedingt täglich gleißendes Scheinwerferlicht nebst Schlagzeilenhoheit bieten. Was ist eigentlich mit einem Land los, in dem seit Wochen über keinen Wahlkämpfer so intensiv und überbordend berichtet wird wie über Herrn Maaßen? Weniger wäre im Falle Maaßen sehr viel mehr und dessen Wirken und Bedeutung dann bald ein Vogelschiss in der Geschichte von Suhl-Schmalkalden-Meiningen-Hildburghausen-Sonneberg.

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