Gesellschaft

Vorbei

„Der Traum ist aus“. So sang der großartige Rio Reiser, ein bekennender Sympathisant der damaligen Grünen. Nun sollten sich die Grünen und deren Kanzlerkandidatin dieser Tatsache stellen. Es donnert gerade mächtig im grünen Universum. Da kündigt sich kein reinigendes Gewitter an, sondern es schießen Kanonen gegen einen Spatzen und treffen. Aus Gründen von Erziehung und Anstand darf man aufgrund dieser Tatsache Mitleid mit jemand haben, mit dem einen politisch eher wenig verbindet. Mitleid und Anstand wie Freundschaft und Wahrheit sind natürlich keine Kategorien im Teufelskreis Politik und dem darin vorherrschenden Sperrfeuer der Medien. Es werden sich kaum Verteidiger der Annalena Baerbock finden. Wo sollen die herkommen? Negativ beispielhaft der heuchlerische Ton einer ZDF heute-journal Sprecherin „die Grünen und Annalena Baerbock zerlegen sich gerade selbst“. Als wären Medien nur Berichterstatter und nicht aktive Mittäter. Man hält sein Publikum geradeheraus für blöd.

Die Masse trampelt gern auf dem Besiegten rum. So etwas lernt man schon auf Schulhöfen. Unter jenem Teil der Journalisten, die den Beruf mit dem Gesäß und der Stoppuhr in der Hand praktizieren, wird sich weder Verteidigung noch Objektivität auftun. Besiegt und erledigt ist Annalena Baerbock so oder so. Diese Kandidatin wird im Minutentakt genau von jenen filetiert, die ihr vor Wochen das Zeugnis „einzig richtige und wahre Kanzlerkandidatin für unsere Zeit und die Zukunft“ ausstellten. Frau Baerbock machte dabei den zentralen Fehler. Sie erkannte im euphorischen Taumel nicht die Absicht ihrer „neuen Gönner“, die sie weltfremd für Verbündete hielt. Ein erschreckendes Maß an politischer und menschlicher Naivität einer Spitzenkandidatin. Bis zum Wahltag wird sie nun eine Getriebene bleibe. Diese Rolle ist nicht zu tragen trieb schon Martin Schulz in den politischen Abgrund.

Die Grünen als Partei nicht besser. Sie haben ihre Frontfrau kollektiv und freiwillig ohne jede Not auf die Schlachtbank gelegt, weil sie das politische Geschäft bis heute wie berauschte Spontis betreiben. Ein gewisser Joseph Martin Fischer wäre nicht in solch billige Falle getappt. Verfügen die Grünen über ein Krisenmanagement? Wohl nicht. Es lässt sich erschreckenderweise kaum ein Wahlkampfmanagement finden. Die Grünen sollten schleunigst Rückschau halten, wann und wie eigentlich die Idee „wir brauchen einen Kanzlerkandidaten“ in ihre Köpfe kam. Dabei landen sie wieder bei den Filetierern. Ohne Kanzlerkandidat hätten die Grünen einen zielorientierten Themen-Wahlkampf führen können und am Wahltag Ernte einfahren. Fürs Kanzleramt kamen sie nie infrage. Diese Mär sollte man endlich begraben. Für einen starken zweiten Platz war alles bereitet. Jetzt könnten die Grünen immer noch ihr altes Ergebnis verdoppeln, was dann beachtliche 17,8 Prozent wären und sie würden am Wahlabend dennoch als große Verlierer tituliert werden. Nun hat Deutschland also drei Kanzlerkandidaten, von denen eben zwei Versionen ein unrealistischer Ulk sind. Auch das SPD-Vorsitzendenduo wagte sich nicht, gegen den von Medien ins Feld geschobenen Kanzlerkandidaten Olaf Scholz zu votieren, weil man dann von selbiger Medienwelle weggespülte Geschichte wäre. Klassische Medien hätten entfacht, was sie auch bei einer Habeck Kandidatur gegenüber den Grünen losgetreten, einen unvorstellbaren Shitstorm für die von ihnen ausgemachten Verantwortlichen. Jene Medien, die der Social Media Blase genau wg. solcher Shitstorm-Attacken gerne Seriosität absprechen um sich selber als Hort fairer und objektiver Berichterstattung anzubieten. Noch eine Mär, die man aus der Welt schaffen sollte.

Aktuell bestimmen keine politischen Inhalte den deutschen Wahlkampf. Die Schlagzeilen sehen anders aus. Ein irrlichternder Zugereister in Südthüringer und natürlich Leben und Buch von Annalena Baerbock bestimmen die Meldungslage. Die Welt brennt im wörtlichen Sinn, die großen Themen stehen unbeantwortet im Raum. Das globale Thema Überbevölkerung ist außen vor. Niemand ruft auf die Tagesordnung, was deutsche Politik leisten müsste, um die schwache und zerbröselnde EU unter den Mühlrädern Chinas, der USA und Russlands, der Macht des Silicon Valley und der arabischen Ölmilliarden am Überleben zu halten. Es gibt keine Lösungen für die Themen Rente, Altenpflege oder die schändliche Kinderarmut hierzulande. Eine Journalistin schlug dieser Tage vor, reiche Menschen könnten doch helfen, die nötigen Luftfilteranlagen für den Schulbetrieb zu finanzieren, um unsere Kinder besser vor Corona zu schützen. Der Staat könne dies nicht leisten. Muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Für unser Bildungswesen hat man nichts mehr an Geld über. Aber man steckte Beutelschneidern und Schamlosen zweistellige Millionenbeträge an Provisionen für deren Maskenbeschaffungsgaunereien in die Taschen. Redet und schreibt noch jemand darüber? Interessanter ist eben ein mediokrer „Plagiatsjäger“. So die Gewichtung der Medien.

Wem längst egal, in welch schamloser Weise wir die Zukunft nachfolgender Generationen versaut und verspielt haben, der kann natürlich den Wahlkampf nach Südthüringen legen und in der Berliner Hauptstadtblase „Plagiat“ rufen. Damit ist dann nicht nur der Zustand deutscher Medien beschrieben, sondern auch der unseres Landes. Erfreulich ist beides nicht. Einst war die politische Schlammschlacht ein perfekt getimtes Instrument der Zeitung mit den großen Buchstaben. Längst kann die sich zurücklehnen, ihre Saat ist aufgegangen. Tragisches Beispiel der Berliner Tagesspiegel. Dort darf ein Doktor mit Doppelnamen im „Fall Baerbock“ wabern. Akademiker mit Sendungsbewusstsein und einer Zeitung in der Hüfte sorgen oft für geistige Knieschüsse, die für Schlammschlachten bestens geeignet. Mit objektiver Berichterstattung hat so etwas allerdings wenig bis nichts zu tun. Die Redaktion scheint auch eine Ortsgruppe „wir jagen Baerbock“ gegründet zu haben. Diese sollte zwischen dem Gang zum Italiener und dem nächsten Wurf kurz ins eigene Archiv steigen. Da finden sich viele Texte von einem gewissen Günter Matthes. (Findet man unter dem Kürzen „-thes“.) Nachlesend würden sie darin eine Menge über ihren Beruf lernen können. Ob sie darüber nachdenken oder weiter anderen Berufen fern bleiben ist natürlich längst egal. Als Lokalblatt in der Hauptstadt ist man in Konkurrenz zur Hauptstadtpresse und muss in deren Grube tauchen. In jener Hauptstadtpresse ist eben gerade Treibjagd angesagt und damit basta. So würde es der ehemalige Medienkanzler freudig ausdrücken.

(Verwüstete Hoffnung | Foto: athree23 auf Pixabay)

Der Grünen strahlende Wiese ist jedenfalls zerfleddert. Sie sollten wenigstens aufrecht untergehen, dabei sich und Frau Baerbock nicht mehr am Nasenring durch die Manege führen lassen. Kanzlerkandidatur absagen, Baerbock aus dem Schussfeld und Habeck als Spitzenkandidat ohne Kanzlerambition und Kandidatentitel, dabei retten was noch zu retten. Es wird wenig sein. Dazu ein kühner Gedanke. Wer seit Jahren nicht nur Kanzlerkandidaten macht, sondern bewusst Politik treibt und lenkt, der könnte doch Teil einer Superregierung aus lauter Koryphäen werden. Warum nicht zehn ausgeloste Mitglieder der Hauptstadtpresse ins Kabinett? Dazu noch einer von der Deutschen Bahn, unbedingt auch von den Berliner Verkehrsbetrieben, natürlich ein Schönefeld-Flughafenerbauer, als Zugabe noch irgendwer von einem Start-up. Auf jeden Fall ein oder zwei Sonntagsfrager, in manchen Gegenden „Forschungsgruppe“ genannt, oben drauf Markus Lanz und fertig ist die Rettung von Land, Mensch, Tier und Welt. Wer über solcher Art Politbüro dann als Kanzler schweben darf? Es wird sich wer finden.

 

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