Sport

EM endet in Wembley

Wird eine Mauer gestellt, liegt nun ein Spieler hinter selbiger und soll den flachen Ball durch die Beine verhindern, außerdem noch Navigator Richtung Torwart sein. Liegen ist nicht neu. Im alten Rom lag man selbst zu Tische und Fußballer sind in Sachen auf dem Rasen liegen ebenfalls geübt. Ein besonderes Exemplar der neue Schwalbenkönig Raheem Sterling, dem diese Neymar-Eigenschaft in Fleisch und Blut übergegangen und der damit Dänemark aus dem Turnier mogelte. England dadurch im Finale. Eine Nation ist aus dem Häuschen, weil dieses ausgerechnet in Wembley. Man kann die Engländer verstehen, sich mit ihnen freuen. Sind ihre Vereine eher moderne Söldnertruppen, ist die Nationalelf der letzte Hort von echter Identifikation. Nach vielen Jahrzehnten ohne jedwede Ausbeute ist so ein Finale in Wembley sicher Balsam für ein Mutterland des Fußballs. Von dieser EM bleibt auch eine merkwürdige Turnierform haften. Dabei erreichen mittlerweile um des lieben Geldes wegen von vier Gruppenteams drei die nächste Runde. Bald werden dann vier von vier weiterkommen, der schnöde Mammon weiter obsiegen. Man sollte dem Sport nicht jedweden Wettbewerbscharakter rauben, sonst verliert er seine Existenzberechtigung.

Es wurde auch Fußball gespielt, bei dieser EM. Deutschland eher mäßig dabei. Ein 4:2 gegen Portugal wurde medial völlig überbewertet. Dadurch Erwartungen geweckt, die nicht haltbar. Selten findet das Thema Fußballnationalelf hierzulande das richtige Maß. Niederlagen sind grundsätzlich ein Ding zwischen Urkatastrophe und Götterdämmerung, Siege gleich Weltherrschaft und Unbesiegbarkeit. Falsch berauscht ging es so gegen England und danach zurück in die Heimat. Da war dann wieder Joachim Löw der alleinige Schuldige, keine falsch entfachte Erwartung oder öffentliche Spieler- und Teamüberschätzung. Nach dem Turnieraus dann noch der Singsang der üblichen Verdächtigen, die alles anders, besser und segensreicher können. Irgendwie ändert sich der Tellerrand der Begleitmusik des deutschen Fußballs nie. Der Fußball wird es überleben. Wie im Gebirge gibt es Täler und Gipfel. Ähnlich den Italienern wird auch Deutschland wieder bessere Turnierzeiten durchleben. Wann? Es muss sich zeigen.

Gute Zeiten haben die Italiener, die wie ein guter Wein gereift und für das Endspiel bestens gewappnet. Ein enormer Teamgeist, dessen Funke selbst auf Unbeteiligte überspringt, eine gute Mixtur aus jungen und erfahrenen Spielern sind das Erfolgsgeheimnis. Konstrukteur dieser erstklassigen Mannschaft ist Roberto Mancini, der nicht nur ein ausgezeichneter Fachmann, sondern auch ein hohes Maß an menschlichen Qualitäten für diesen Job mitbringt. Seine Autorität braucht keine Machtspiele, sie beruht auf Empathie, Wissen und Können. Damit hat er die Squadra Azzurra nun ins Finale geführt. Das eigentliche Endspiel gegen Spanien im Halbfinale gewann Italien auch mit dem nötigen Glück im Elfmeterschießen. Sind die Italiener das Team der Gegenwart, so könnte man in den unterlegenen Spaniern die Zukunft sehen. Wenn bei diesen im Turnier auch einiges wackelte, man denke an die Partie gegen die Schweiz, ist Spanien ob seiner jungen Spieler eine Zukunftsoption. Falls Luis Enrique weiter an der Seitenlinie bleibt und seine Arbeit fortsetzt, werden künftige Turniersiege über diese Spanier gehen, die man dann erst einmal besiegen muss. Welche Leidenschaft man dafür an den Tag legen muss, haben die Italiener unter Aufbietung letzter Kräfte gezeigt.

Der Favorit Frankreich zeigte eine hässliche Seite. Nicht die des Teams, sondern die des Starruhms. In den Reihen von Les Bleus Überheblichkeit und Arroganz von Fußballmillionären in der Daseinsform der Ich-AG und einer „wir sind besser“ Attitüde. So etwas rächt sich. Die Schweiz folgerichtig Endstation. Überhaupt die Schweiz. Was diese gegen Frankreich und Spanien leistete, war enorm. Für den Verfasser dieser Zeilen die Überraschung des Turniers. Der Rest vom Turnier fast schon vergessen. Belgiens goldene Generation erneut ohne Titel in die Heimat, Nachbar Niederlande auch still von Bord und Kroatien wie Portugal über den eigenen Zenit hinaus.

Die wechselnden Spielorte und Länder fielen nicht so ins Gewicht wie gedacht. Man hatte trotz Corona noch den Eindruck von Fußball. Daran sollten wir uns alle erinnern, wenn das nächste Großturnier startet und die WM auf dem Beuteteller arabischer Ölscheichs in fußballferner Welt zu unwirklicher Zeit über uns kommt.

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