Gesellschaft

Reue

Medien und Journalismus, also die darin operierenden Berufsausüber, ergehen sich immer öfter als Ankläger, Richter und Henker in einem. Über allem schwebt zusätzlich jene Wolke der Selbstgefälligkeit, die mit dem Regen moralischer Überlegenheit gefüllt. Im Zuge des nun allerorten begutachteten und sezierten Gesprächs, das der Spiegel-Autor Alexander Osang mit Angela Merkel führte, tauchte plötzlich das Wort Reue auf. Frau Dr. Melanie Amann, ihres Zeichens Mitglied der Spiegel-Chefredaktion, richtete über das Gespräch. Diese Wolke der Moral kam am 8. Juni 2022 in Form eines Beitrags bei Spiegel-online über uns. In ihrem Beitrag verwunderte sich Frau Dr. Amann nicht etwa über die Ehm..., ja Ehm... das Ehm Frage-Technik ihres Kollegen Osang, sondern über dessen Gesprächspartnerin, die ehemalige Bundeskanzlerin Merkel. Auf deren Haupt wollte Frau Dr. Amman Asche sehen, von Merkel selbst gestreut. Dies nicht getan zu haben, animierte Frau Dr. Amman zu folgender Überschrift nebst Werturteil: „Sie hat keinen Hauch von Reue gezeigt“.

Dem Betrachter solcher Schlagzeile kommen sofort Erinnerungen an die Zeit eines anderen ehemaligen Kanzlers. Als dieser mit seinem Außenminister unmissverständlich gegen die US-Administration in Sachen Irak-Krieg opponierte und deren völkerrechtswidrigen Krieg Zustimmung und Teilnahme verweigerte, fiel die deutsche Medienlandschaft in großer Bandbreite, wenige Ausnahmen wurden kaum gehört, über die Herren Schröder und Fischer her. Es wurde gefaselt von Isolation, sogar von politischer Nähe zu Syrien und vielerlei anderer Unfug. So weit, so schlecht. Nur eines, die Szenerie spielte 2002/2003, ist seither in 20 Jahren nicht passiert, dass irgendwer in der deutschen Medienlandschaft gezeigt oder angedeutet hätte, was Medien und ihre Akteure so gern anderen Menschen und Institutionen abverlangen: Reue. Nicht mal ein Hauch.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert