Leben

Hoch hinaus

Der 1975 geborene Gary Neville schuf sich eine grandiose Karriere mit dem Ball. Zwischen 1992 und 2011 machte der erstklassige und dabei unauffällige Außenverteidiger 400 Spiele für Manchester United, war fester Bestandteil der legendären wie goldenen Ära des Vereins unter Manager Sir Alec Ferguson. 11 Jahre davon sogar Seite an Seite mit seinem jüngeren Bruder Phil Neville. In dieser grandiosen Ferguson-Ära konnte Gary Neville zwei Champions League Titel, acht englische Meisterschaften und drei FA-Cup Siege für sich verbuchen. Außerdem bestritt Neville 85 Spiele für die englische Nationalelf. Was nicht bei allen Fußballern immer sofort auf der Hand liegt, Gary Neville kann sich auch eines Verstandes und natürlich eines satten finanziellen wie wirtschaftlichen Polsters bedienen. So ist er in seinen privaten Äußerungen ein Bürger Großbritanniens, der eine ausgeprägte und starke politischer Meinung hat und über das Medium Twitter diese mit Beharrlichkeit vertritt. Eher ungewöhnlich für einen Ex-Fußballer. Social Media Angelegenheiten von Fußballern und Ex-Fußballern kommen in der Regel anders daher.

Gary Neville. Meinungsstark auf Twitter. (Foto: Twitter Gary Neville)

Seine diversen TV-Auftritte als Experte und Interviews mit Sport- und Fußballgrößen gehören eher zum üblichen Lebensbild eines Ex-Fußballers. Wahrlich unüblich für einen schwerreichen Fußballmillionär dagegen seine abgrundtiefe Verachtung, die er der herrschenden Tory-Oligarchie entgegenbringt. Zweimal unterstützte Gary Neville ausdrücklich bei Wahlen die Labour Party und deren damaligen linken Spitzenkandidaten Jeremy Corbyn. Vielleicht hat er sich das Engagement von seinem alten Lehrmeister Alex Ferguson abgeschaut. Der hat sein Leben lang – für einen ehemaligen Gewerkschafter einer Glasgower Werft nicht ganz ungewöhnlich – Labour unterstützt und die Torys abgelehnt. Neville geht noch weiter. Fast täglich kämpft er gegen Premierminister Boris Johnson an. Diesen Johnson nennt er dabei in schöner Regelmäßigkeit „Bewährter Lügner“ und twittert auch mal ein Bild von Johnson mit seinem Kommentar: „Er ist ein Schandfleck von einem Kerl!“ Über Johnsons Minister und Tory-Eliten Rishi Sunak, Nadine Dorries, Jacob Rees-Mogg und Dominc Rabb fällt das Urteil von Neville ebenfalls sehr eindeutig aus: „Wir warten auf den Mist von seinen Marionetten.“ Für Neville, der aus bescheidenen Verhältnissen stammt, liegt der Sündenfall der Torys bei deren Verachtung für die einfachen und kleinen Leute. Die Tatsache, dass viele Briten sich nicht mehr allein ernähren können und immer mehr Menschen zu Lebensmittelbanken gehen müssen, weil sie nur über unzureichende finanzielle Mittel verfügen, empört ihn Tag um Tag. Seine ganze Verachtung für diese Schande packte er unlängst in einen Tweet nebst unterstehendem Bild: Wähle konservativ – wähle für die Lebensmittelbanken. Das ist tatsächlich real! Das ist es! Es ist wirklich so!“

Foto: Twitter Gary Neville

Neben dieser Empörung gibt es auch einen anderen Gary Neville. Den Multimillionär und Immobilientycoon. Mit seinen Geschäftspartnern plant Gary Neville ein 250 Millionen Pfund (ca. 290 Millionen Euro) teures Turmprojekt im Zentrum seiner Heimatstadt Manchester. Neville wurde im Großbezirk Manchester in der nördlichen Vorstadt Bury geboren. Das spektakuläre 40-stöckige Turmprojekt – Modellaufbau siehe bitte Titelbild – soll das künftige Nobelhotel St. Michael’s, ein Fünfsternehotel mit 200 Betten, außerdem 181 Apartments und großflächige Büroebenen beherbergen. Die ersten Arbeiten werden voraussichtlich im Januar 2023 beginnen. Schon 2026 soll das gesamte Projekt abgeschlossen sein. In der Spitze des Turms über dem Himmel von Manchester wird sich ein einzelnes Penthouse befinden, das sich über zwei Ebenen erstreckt. Selbstverständlich mit Terrassen in jede Himmelsrichtung. Siehe bitte nachfolgendes Modellbild:

Spitze des edlen Turms. (Animation Modellbau. Ausstellung.)

Neville sagte speziell zu seinen Hotelplänen: „Unser Ziel war es immer, mit St. Michael’s ein erstklassiges Reiseziel in unserer Stadt zu schaffen, das unsere lokale Leidenschaft, unseren Geist und unsere Gastfreundschaft zelebriert und einen internationalen 5-Sterne-Standard erfüllt.“ Diejenigen Einwohner Manchesters, welche einst Neville auf dem Rasen des Old Trafford bejubelten, sind in ihrer Masse eher einfache Leute als Gäste in Fünfsternehotels, sehen den Turmbau daher skeptisch oder desinteressiert. Sie ahnen, welche Klientel sich in solch einem Tempel des Reichtums niederlässt. Deshalb wollen sie gar nicht wissen, wer dann über ihren Häuptern unter den Wolken wohnt und auf sie herabschaut. Gary Neville jedenfalls bleibt auch als Ex-Fußballer eine interessante Figur im Fußballzirkus. Außerdem ein politischer Kopf mit dem Herz auf dem richtigen Fleck, wobei er sich das Herz auch leisten kann. Wohin es den Immobilen-Tycoon treibt, wird sich noch zeigen. Wer einst nicht in Nevilles Fünfsterne-Paradies absteigen kann, dem bleibt ein Besuch bei Neville auf Twitter. Dieser lohnt durchaus. Man erfährt abseits der Nachrichtenlage neben Fußballbelanglosigkeiten auch viele interessante Dinge über die britische Gesellschaft, an deren Wohl und Wehe Gary Neville regen Anteil nimmt.

*Titelbild: Animation Modellbau. Turmbau zu Manchester. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert