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Sachlichkeit und Vernunft

In Israel richtet sich die Politik stark nach den Bedürfnissen der eigenen Bevölkerung aus. Deren Wohl und Schutz ist  israelischen Politikern zentrales Anliegen ihrer Arbeit. Das seit dem 13. Juni 2021 im Amt befindliche Kabinett Bennett-Lapid hat die Agonie der lähmenden Netanjahu-Jahre schnell überwunden und eigene Akzente gesetzt. Ministerpräsident Naftali Bennett und Außenminister Jair Lapid, die 2023 ihre Ämter tauschen werden, was in Israel ein nicht unübliches Verfahren, haben schnell Fuß gefasst und machen auch außenpolitisch eine gute Figur. Genannt werden muss hier noch der frühere Generalstabschef der israelischen Streitkräfte, Benny Gantz, der als stellvertretender Ministerpräsident und Verteidigungsminister der Regierung angehört. Der diplomatische Umgang mit arabischen Staaten und eine weiterhin offene Gesprächsbasis mit Wladimir Putin gehören zu den auffälligen Aktivitäten der israelischen Außenpolitik. Bennett und Lapid verschafften sich international schnell Respekt und Anerkennung.

Aktuell ist Israel eines der Länder, das keine Sanktionen gegen russische Unternehmen oder Kapital verhängt hat. Es bestehen jedoch finanzielle Beschränkungen. Russische Produkte mit russischer Flagge sind in israelischen Supermärkten weiterhin leicht zu finden, Israel exportiert sein Gemüse nach Russland, während das russische Unternehmen Yango als Fahrdienst und Lebensmittellieferservice in vielen Städten in Israel erfolgreich aktiv ist. Das israelische Wirtschaftsministerium erklärte zuletzt: „Der Staat Israel schränkt die Aktivitäten internationaler Unternehmen, die in Übereinstimmung mit dem Gesetz arbeiten, nicht ein.“ Auch der Kulturaustausch zwischen Russland und Israel funktioniert. Unlängst gastierte ein russisches Ballett in Tel Aviv.

Gehört zum Straßenbild in Israel. Russischer Taxiservice Yango. (Foto: Twitter)

Während die Bevölkerung in Europa, den USA, Kanada und anderen westlichen Länder mit der Abhängigkeit von russischem Öl und Gas und der Ausweitung der bestehenden Sanktionen zu kämpfen hat, sind in Russland hergestellte Produkte des täglichen Bedarfs in den meisten Supermärkten in ganz Israel vielfältig zu finden. Russische Künstler kommen, um aufzutreten und staatliche russische Fernsehsender können weiterhin wie gewohnt empfangen werden. Die israelische Regierung hat bisher vermieden, weitreichende Sanktionen gegen Russland zu verhängen oder Kritik am Regime von Wladimir Putin zu äußern. Die russischen Oligarchen wurden nicht sanktioniert und ihre Vermögenswerte wurden nicht beschlagnahmt. Viele der russischen Milliardäre jüdischer Herkunft sind nach Israel eingewandert. Kürzlich verklagte sogar ein Geschäftspartner des russisch-israelischen Milliardärs, Roman Abramowitsch, die israelische Bank Hapoalim, nachdem diese dessen Konto gesperrt hatte. Die Bank antwortete dem Kläger David Davidowitsch, dass sie in Übereinstimmung mit den britischen Sanktionen gehandelt habe, die gegen Davidowitsch im April ausgesprochen wurden. Experten in Israel glauben allerdings, dass Davidowitsch eher als Strohmann für Abramowitsch fungierte und das Bankkonto diesem gehöre. Genaues ist darüber hinaus in Israel nicht an die Öffentlichkeit gelangt.

Laut den Daten der Außenhandelsverwaltung im Wirtschaftsministerium betrug der Wert des Handels zwischen Israel und Russland im Jahr 2021 etwa 3,5 Milliarden US-Dollar, davon entfielen etwa 3,16 Milliarden US-Dollar auf Waren und etwa 350 Millionen US-Dollar auf Dienstleistungen. Die Zahlen stiegen gegenüber 2020 um 52 %. Es gibt auch in Israel Maßnahmen gegen Russland. Im März wurde bekannt gegeben, dass Israel keine Kreditversicherung für israelische Unternehmen mehr ausstellen würde, die ihre Geschäfte mit Russland aufrechterhielten. Einige Unternehmen exportieren dennoch weiterhin nach Russland, jetzt allerdings ohne diese Versicherung. Außerdem haben große israelische Hightech-Unternehmen ihre kommerziellen Aktivitäten in Russland wegen des russischen Überfalls der Ukraine ausgesetzt oder sogar eingestellt. Andere Unternehmen bleiben in Russland aktiv. Die israelische Diamantenindustrie importiert bis heute Rohsteine aus dem russischen Staatsunternehmen Alrosa. Nach Kriegsbeginn hat sich der israelische Handel mit Russland aufgrund internationaler finanzieller Beschränkungen und Schwierigkeiten auf den Schifffahrtswegen spürbar verlangsamt. Aufgrund des Fehlens israelischer Sanktionen oder gesetzlicher Grundlagen machen viele israelische und russische Unternehmen jedoch wie gewohnt weiter. Die israelische Regierung lädt ihre Ambitionen – anders als so viele europäische Politiker – nicht auf die Rücken ihrer Bürger. In Israel lässt die Politik ihre Bürger nicht beim Kauf von Lebensmitteln bluten. Die Regierung Bennett-Lapid kann vielen, die sich im Regierungshandwerk üben, gerade in schwierigen Zeiten mit ihrer Sachlichkeit und Vernunft durchaus zum Vorbild gereichen.

*Titelbild: Ri Butov auf Pixabay 

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