Gesellschaft

Schwere Waffen

Offenbar gehört zum Leben nicht nur unser aller unweigerlicher Tod, was logisch und einsehbar, sondern weiterhin der Krieg und dessen Gräuel. Wirklich weit haben wir Menschen und unsere angebliche Zivilisation es gebracht. Wie es in der „Iphigenie auf Tauris“ (Goethe) heißt: „Es ist der Weg des Todes, den wir treten.“ Darin die Deutschen nicht ungeübt. Dennoch wissen sie oftmals nicht, was sie tun und was mit ihnen geschieht. Was so alles unter „schwere Waffen“ fällt, wissen viele auch nicht, sie glauben es nur. Doch eines wissen sie mit tiefer Überzeugung, sie wollen in ihrer Mehrheit solche „schweren Waffen“ unbedingt in der Ukraine, geliefert von der Bundesregierung. Die Deutschen, wenn Angst wegen fehlender Mehl- und Toilettenpapiervorräte sie nicht umtreibt, sind in den Abgründen ihrer Seelen offenbar noch martialische Krieger, zwei angezettelte Weltkriege hat eben nicht jeder in seiner Vita. An einem dritten Weltkrieg zündeln wäre doch was. Alte Schlachten schlagen und deren Ergebnisse korrigieren. Um Deutsche kriegslüstern und fronttauglich zu halten, gibt es ein einfaches Mittel, was schon Bismarck beherrschte. Man trichtert ihnen permanent ein, was sie morgen zu glauben haben und stellt ihnen übermorgen die Frage, was sie denn nun denken und wollen. Mit den Antworten liefern sie stets, was gerade gebraucht. Das gesunde deutsche Volksempfinden lässt sich nach seiner Erschaffung flott und richtungsweisend einholen. Man kann hierzulande auch fragen, ob für den Krieg in der Ukraine auf deutscher Seite‚ Spatzenhirne oder Hohlköpfe besser geeignet zu Kriegsführung. Die Deutschen werden eine zukunftstaugliche Antwort umgehend parat haben, da kennen wir nichts.

Die ach so spontanen Meinungs- und Gedankenblitze des Volkes einzuholen und jederzeit brauchbar im Köcher zu haben, hat man „Institute“ an der Hand. Deren Umfrageergebnisse befeuern dann die Schlagzeilen und erzeugen jenen Druck, welcher sich gefälligst nach dem Willen der Schlagzeilenmacher in Politik zu wandeln hat. Dieser Druck wird aktuell massiv auf den Bundeskanzler Olaf Scholz ausgeübt. Er soll den Hardlinern der Totalkrieger klein beigeben und seine bisher von Sachlichkeit und einem gesunden Menschenverstand geprägte Politik rund um den Ukrainekrieg über Bord werfen. Scholz ist noch einer der wenigen, die den Verstand haben, sich ein „was dann Szenario“ vorzustellen und Gedanken aufzubringen, die jedes danach einbeziehen. Eine Fähigkeit, über die seine Glücks-trunkene Außenministerin vor lauter Aufmerksamkeitsheroismus nicht verfügt. Wir alle können nur hoffen, Scholz behält gegen die Jauche, die der Boulevard in Wellen über ihn ausgießt, seine eigene Standhaftigkeit und lässt sich weiterhin von rationalen Erwägungen leiten. So könnte er einer der künftigen Macher eines einigermaßen stabilen Friedens in Europa werden. Nicht Opfer und Pappkamerad von Kriegstreibern, die über keinerlei politischen und militärischen Horizont verfügen, uns aber unbedingt in den 3. Weltkrieg hineinmanövrieren wollen.

Was kommt demnächst? Wer hätte gern eine Atombombe im Garten? (Screenshot: ARD MoMa)

Im Schein solcher Umfragen blühen natürlich auch Globalstrategen aus ihrer eigenen Zwerghaftigkeit auf. Die Chance wahrer Größe kommt mit dem Mantel der Geschichte um die Ecke, da darf man am historischen Garderobenständer nicht zögern. Nein, nein, hier ist (noch) nicht die Rede vom ukrainischen Statthalter über Deutschland, auch bekannt als Talkshow-Melnyk. Es geht um Eigengewächse. Nicht nur das Ausland gebiert gefährlichen Unfug, wir können da spielend mithalten. Eine Dreierkombination, die in bestimmten Medien „hochrangige Ampel-Vertreter“ genannt, wo offenbar nur Koryphäen sich die Klinke in die Hand geben, machte der Ukraine die Aufwartung. „Trio mit sechs Fäusten“ würde auch passen. Gemeinsam reihte sich also dieses Trio unter der Fahne „hochrangige Ampel-Vertreter“ mit einer martialischen Erklärung in die geistige Heeresgruppe Bild ein, nutzte dabei den Boden des Organs der Niedertracht selbstredend für unheilschwangere Wortmeldungen, deren Refrain: „Schwere Waffen“. Bitte nicht zu verwechseln mit „schwer einen an der Waffel“.

Nähern wir uns den daran beteiligten zwei Weltstaatsmännern und einer Weltstaatsfrau. Agnes Strack-Zimmermann von der FDP war in ihrem persönlichen Erlebnisbericht besonders vom Lazarettbesuch bei schwer verwundeten ukrainischen Soldaten erschüttert. Darüber soll nicht gewertet werden, die ehrliche Betroffenheit ist ihr abzunehmen. In der Funktion einer Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages sollte sie allerdings über die Gefahr für Soldaten in einem Krieg wissen und jedweden Schrecken des Krieges in allen Facetten gegenwärtig haben. Der gewaltsame Tod ist leider ein denkbarer Abschluss des soldatischen Arbeitstages weltweit. Soldaten können jederzeit bei der Ausübung ihres Berufes umkommen. Ihr Fazit aus dem gesehenen Grauen lautete folgerichtig, die Ukraine braucht „schwere Waffen“. Eine Lösung für weniger Tod oder nur der ewige Kreislauf der Kriegslogik? Darüber hinaus noch viel dummes Interview-Zeug von dieser Politikerin. Der SPD Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich hätte „die Notwendigkeit der Zeitenwende“ nicht verstanden. Dies posaunte Frau Strack-Zimmermann heraus, weil Mützenich darauf hinwies: „Einfache Antworten, auch bei Lieferungen von schwerem Kriegsgerät an die Ukraine, gibt es nicht.“ Für Frau Strack-Zimmermann schon, wobei man ahnt, wie ihre Zeitenwende aussehen könnte.

Anton Hofreiter. Schwere Waffen Richtung Osten. (Screenshot DW-TV)

Die Herren an der Seite von Frau Strack-Zimmermann glänzten mit historischer Unwissenheit und bliesen ins kriegerische Horn. Da haben wir Michael Roth, den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages. Der wollte einmal SPD-Vorsitzender werden und scheiterte kläglich. Manchmal hat sogar die SPD Glück. Aktuell fordert Herr Roth auf allen Kanälen „schwere Waffen“ für die Ukraine. Ob diese Willensbildung aus einem persönlichen Eindruck entstanden oder als dankbare Reaktion gegenüber dem ukrainischen Undiplomaten, ist nicht bekannt. Da sind wir doch wieder bei Deutschlands personifizierter und höchster Kriegs- und Moralinstanz angelangt. Ukraine-Botschafter Andrij Melnyk nannte Roth einst nämlich „Arschloch“. Wir wollen dem Austausch beider Herren keine Haltungsnoten geben. Aktuell stehen beide offensichtlich an einer gemeinsamen Front. Was für Gefährten! Wer dabei Koch und Kellner darf sich jeder Beobachter selbst denken. Der Dritte im Bunde ist das personifizierte und bisher völlig folgenlose Donnergrollen einer Figur der Nichtigkeit. Anton Hofreiter, ein diplomierter Landwirtschaftsexperte, den die grüne Partei nicht für ministrabel hielt, auf seinem Fachgebiet die Traktoren, Schweine, Felder und Bauern zu betreuen, fordert jetzt ebenfalls „schwere Waffen“ für die Ukraine. Damit nicht genug, er erklärt auch öffentlich über das Organ der Niedertracht, den Kanzler Scholz gleich zum Problem für eine Ausweitung des Krieges („Das Problem ist im Kanzleramt“). Wenn so ein Landwirt einmal losgelassen, macht er offenbar keine Gefangenen. Hofreiter in den Spuren von Admiral Tirpitz. (Jener Tirpitz befeuerte durch permanentes Drehen an der Kriegsspirale – in seinem Fall durch aufrüstende Flottenpolitik – den Weg Richtung der mörderischen Urkatastrophe 1. Weltkrieg und trieb die deutsche Politik lärmend vor sich her.) Selbst wenn einem mit dem Kanzler Scholz nicht viel verbinden sollte. Wer in seinem Ampelkonstrukt einen deutschen Michel des Geistes von Anton Hofreiter im Nacken, der verdient wirklich unser aller Sympathie.

Warnt vor Spirale Richtung 3. Weltkrieg. General a. D. Erich Vad. (Screenshot Sender Phoenix)

Dem sich der Kriegslogik und der Spirale in die Eskalation (bisher) entziehenden Kanzler tritt Hofreiter noch eine Interview-Botschaft hinterher: „Ich kann nur spekulieren, warum der Kanzler auf der Bremse steht. Ich kenne keinen vernünftigen Grund. Mit seinem Handeln schadet er nicht nur der Lage in der Ukraine, sondern ganz massiv dem Ansehen Deutschlands in Europa und der Welt.“ Ein abgehalfterter Politiker der Kriegspartei Die Grünen spreizt sich wie ein künftiger Politoffizier am Kursker Bogen und findet Applaus bei genau jenen, die solche Machart nützlicher Idiot für vielerlei Zwecke gebrauchen können. Da haben wir ihn wieder, den typischen Weltstaatsmann, einen Westentaschen-Talleyrand, der offenbar wirklich keinen blassen Schimmer hat, welche Konsequenzen aus seinen Forderungen erwachsen können. Deshalb wollen wir von GERADEZU ihm helfen. Dazu bedienen wir uns einiger Kernaussagen, getroffen von einem ehemaligen hohen Offizier der Bundeswehr, der langjährige Erfahrungen als Militär in der Außen- und Sicherheitspolitik sammeln konnte. Brigadegeneral a. D. Erich Vad beschäftigte sich ein halbes Berufsleben mit komplexen strategischen Fragen, war als Person und Fachmann stets hochgeschätzt, beriet mit seiner Expertise auch die Bundesregierung und die Kanzlerin Angela Merkel. Er hat mit seiner Meinung über die aktuelle Diskussion um den Ukrainekrieg nicht hinter dem Berg gehalten und das Schlusswort verdient: Wir machen im Moment sehr viel Kriegsrhetorik – aus guter gesinnungsethischer Absicht. Aber der Weg in die Hölle ist bekanntlich immer mit guten Vorsätzen gepflastert. Wir müssen den laufenden Krieg zwischen Russland und der Ukraine vom Ende her denken. Wenn wir den dritten Weltkrieg nicht wollen, müssen wir früher oder später aus dieser militärischen Eskalationslogik raus und Verhandlungen aufnehmen.

*Titelbild: Michael Drummond auf Pixabay 

 

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