Gesellschaft

Sektierertagung

Linke und Linke sind wie zwei Paar Schuhe, manche davon ohne Sohle. Gregor Gysi hat mal wieder seiner eigenen Partei auf einem Parteitag die Leviten gelesen, dafür bekommt er natürlich von den Medien und von den Menschen außerhalb der Linken Applaus. Nicht für die taumelnde Linkspartei. Für sich schon. Nachdem er dieses Einpersonenstück seit drei Jahrzehnten mit mehr oder minder großem Medien- und Publikumserfolg aufführt, kann er davon nicht mehr lassen. Einst war er damit Lokomotive für die PDS und die Linkspartei. Jetzt zieht er nur noch sich in die Scheinwerfer. In dreißig Jahren ist dieser Partei nicht eine Person nachgewachsen, die dem 74-jährigen Gysi in Sachen Rhetorik, Aufmerksamkeit, Rampensau und Intellekt nachfolgen könnte. Einer war dafür angedacht, vor allem von sich selbst. Dieser hat sich allerdings nicht als Hauptdarsteller entpuppt, sondern als ein gehobener Statist. Damit sind wir bei Bodo Ramelow angelangt. Ramelow hat unlängst ein Papier mit unterzeichnet. Warum Parteien ganze Wälder morden, um Papiere zu verfassen, die das Wort nie halten, bleibt ein ungelöstes Welträtsel. Thüringens Ministerpräsident wollte jedenfalls in Sachen Waffenlieferungen an die Ukraine ein neues Denken bei seiner Partei auslösen. Ausgelöst hat er Sympathiekundgebungen im neoliberalen Medienuniversum. Dort war im Ton der Empörung zu vernehmen, es sei ein Unding, dass die Linke auf ihrem Parteitag Bodo Ramelow so wenig Redezeit einräumte. Der sei doch schließlich wer. Schau einer an. Wie bei Gysi kommt auch bei Ramelow der Applaus zu oft von der falschen Seite.

Verweilen wir noch einen Moment beim Thüringer Ministerpräsidenten. Ramelow trat ans Mikrofon und forderte das Ende der Selbstbespiegelung der Linken. Aus dem Munde eines Selbstbespieglers durchaus ulkig. Ramelow war, wie einst Gysi, Hoffnungsträger der linken Parteiträumer, zeitlich wesentlich kürzer als Gysi, selbstredend weniger eloquent, nicht so gebildet oder so weltläufig wie der Berliner Anwalt. Was bleibt? An Gysi wird man sich als einen sprühenden Geist mit einem scharfen wie witzigen Intellekt erinnern, an einen oft auch eitlen Egomanen. Welcher Politiker ist kein Egomane? Von Ramelow wird bleiben, seinen Hund mit ins Büro genommen zu haben. Dass die Linke in Deutschland nicht links, passt in das politisches Raster dieses Landes. Grüne sind hierzulande nicht grün, Sozialdemokratien nicht sozialdemokratisch und die christliche Union oft sehr unchristlich. Die Linke als Partei ist längst ein Haufen von Sektierern, die nach ihrem Parteitag so beliebig daherkommen, wie sie zu ihrem Parteitag gereist. Den Kampf gegen den Neoliberalismus fechten kämpferischere Menschen an anderen Orten mit Leidenschaft, Charisma und größeren Herzen aus. Die stehen an der Seite derer, die ohne Schutz und Hoffnung, die ausgeliefert, ausgebeutet und unterbezahlt, arm und gepeinigt. Auf dem Schlachtfeld im Krieg der Reichen gegen die Armen sucht man die deutsche Linke vergebens. Sie sind gerade anderweitig beschäftigt, mit dem Kauf einer Bahnsteigkarte.

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