Sport

Dieser und jene

Es gibt solche und solche Fußballer. Auch unter den Fußballikonen Brasiliens. Als 1984 Sócrates, einer der besten brasilianischen Fußballer aller Zeiten, mit 60 Länderspielen für die Seleção, von seinem Heimatverein Corinthians São Paulo zum AC Florenz nach Italien wechselte, fragten ihn Sportreporter schon am Flughafen „Wen schätzen sie mehr? Sandro Mazzola (Inter Mailand) oder Gianni Rivera (AC Mailand)?“ Die Antwort von Sócrates, der seine Fans und das Stadionrund stets mit der erhobenen und geballten Faust des Proletariats begrüßte, legendär und aus tiefem Herzen:

Ich kenne sie nicht. Ich bin hier, um Gramsci im Original zu lesen und die Geschichte der italienischen Arbeiterbewegung zu studieren.

Sócrates spielte nicht nur Fußball und studierte die Arbeiterbewegung. Er absolvierte auch ein Medizinstudium und arbeitete nach seiner aktiven Fußballzeit als Kinderarzt vor allem in Armenvierteln von São Paulo. Unter den armen Menschen in Brasilien wird der 2011 verstorbene Volksheld bis heute als Dr. Sócrates wie ein Heiliger verehrt. Wer sich nicht mehr an Antonio Gramsci (1891 – 1937) erinnert. Gramsci war Marxist, Schriftsteller und Philosoph sowie Mitgründer der KP Italiens und deren Generalsekretär (Vorsitzender). Die Faschisten unter Mussolini warfen ihn viele Jahre ins Gefängnis. Dort entstanden die legendären ‚Gefängnishefte‘ mit bis heute gültigen Erkenntnissen zur Arbeiterbewegung. Die Strapazen der Haft zerstörten seine Gesundheit. Nach der Entlassung lebte er unter ständigen Schmerzen nur noch 2 Jahre. Von Gramsci stammt einer jener unheilschwangeren Sätze, die gut über unserer neoliberalen Zeit stehen könnten:

Die alte Welt liegt im Sterben, die neue Welt ist noch nicht geboren: Es ist die Zeit der Monster.

Dann gibt es eben noch die anderen Fußballer, die in der Mehrheit. In Brasilien wie überall auf der Welt. Sie sollen erwähnt werden, um das Gegenteil des Dr. Sócrates auch zu zeigen. Es geht aktuell um den ehemaligen Weltmeister Rivaldo und zuvor seinen damaligen Mitspieler Ronaldinho, wie auch Brasiliens neuen Medien-Fußball-Star Neymar, der als Fußballer nicht die Bohne an Rivaldo, geschweige denn an Ronaldinho heranreicht. Sie sympathisieren offen mit dem rechtsradikalen und faschistoiden Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro. Mehr an Aufmerksamkeit wollen wir diesen Herren hier vorerst nicht schenken, mit ihnen nicht den Blick auf Dr. Sócrates verstellen. Ehre seinem Andenken.

*Titelbild: Dr. Sócrates

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert