Leben

An Ostern…

…schauen Menschen manchmal noch höchstselbst in die Bibel oder bekommen daraus vorgelesen und einige sogar daraus gepredigt. Alles mit stark rückläufiger Tendenz. Wen wundert es? Oh weh, die Amtskirche! Die Bibel daran allerdings nicht schuld. In unseren Gefilden wird beim Blick in selbige naturgemäß eher das Neue Testament aufgeschlagen, weniger das Alte Testament. In diesem Alten Testament finden sich die Propheten ein, darunter ein sehr zorniger und griesgrämiger Zeitgenosse, welcher es spielend vermag, einen zeitlosen Eindruck zu erwecken. Sein aktueller Kenntnisstand entfacht Erstaunen, so man sich einen Moment mit ihm oder dem, was ihm zu Urzeiten zugeschrieben wurde, beschäftigt. Man glaubt, dieser Prophet weiß um den Krieg der Reichen gegen die Armen, weiß um die 2.755 Milliardäre auf dieser Erde mit ihrem Gesamtvermögen von ca. 10 Billionen US-Dollar und ihren weltweiten Erfüllungsgehilfen in Politik und Gesellschaft. Mit ihrem Geld sind sie keine künftige Macht im Himmel, aber die allgegenwärtige Herrschaft auf diesem Planeten. Der besagte Prophet weiß offensichtlich auch sehr genau, was die angeblich noblen wie stets hilfsbedürftigen Banken, was globale Konzerngiganten und kriminell veranlagte Investmentgesellschaften unserer Erde, den Menschen, den Tieren und der Natur antun und folgenlos wie latent antun dürfen. Heutig gelesen und auf den Alltagspunkt gestrafft, redet unser Prophet fast wie ein Revolutionär und Kämpfer gegen die neoliberale Kaste und ihr zerstörerisches Werk. Hellsichtig hat er hinter dem Schutzwal aus Reichtum und der Maske vorgegaukelter Weltläufigkeit das gierige wie zynische Böse erkannt, liest diesen Unheilsverursachern wortgewaltig und gnadenlos die Leviten. Und wie! Die Rede ist vom Propheten Amos.

Zorniger Blick auf die Zerstörer der Welt. Wortgewaltiger Prophet Amos. (Gemälde von Gustave Doré)

Mit jenem Amos war offensichtlich nicht gut Kirschen essen. Angeblich war er von Berufs wegen Viehzüchter und pflanzte  Maulbeerfeigenbäume, also eher einer vom Land und schon deswegen der direkten Sprache offenbar sehr zugeneigt. Er galt als laut, streng und zornig, ein Mann der strafenden Worte. Im Urteil von Zeitgenossen unüberhörbar und angsteinflößend. Durchaus Eigenschaften eines Volkstribuns und Revolutionärs. In unseren Tagen sicherlich als Linkspopulist oder Rechtspopulist abgestempelt und denunziert, je nach Medienkonzern. Kampagnen gegen ihn würden die Titelseiten schmücken, Talkshowhohlköpfe seine Reden demagogisch sezieren. Es täte ihn allerdings nicht kratzen. Wozu ist einer schließlich Prophet? Wie dieser Prophet drohte und was er den Eliten ins Stammbuch schrieb, ist bis heute lesenswert und sollte nicht nur Ostern unter die Leute gebracht werden. Amos prangert die Sorglosigkeit und trügerische Sicherheit der Vornehmen an und wettert gegen deren Selbstsicherheit und Schwelgerei. Damit liegt er gerade in unseren Zeiten ziemlich richtig und ist deswegen eben enorm aktuell.

Reiche frohlocken. Kein Glaube, sondern ihr Geld regiert die Welt. (Bild: Alexas_Fotos auf Pixabay)

Lauschen wir doch einfach mal den Originaltönen des Propheten Amos. Dazu haben wir uns der Übersetzung von Franz Eugen Schlachter bedient, getätigt 1905 und überarbeitet 1995. (Nach Überarbeitung veröffentlicht als „Schlachter 2000“, was sich zugegebenermaßen wie ein Handbuch der Fleischerinnung anhört, mit einem Schuss Isaac Asimov. Für den Autor dieser Zeilen, der den Bauernhasser und Fürstenknecht Martin Luther sowieso nicht sonderlich leiden kann, die stärkste Bibelübersetzung. Selbstredend soll bitte jedem seine eigene Bibelvorliebe zugestanden sein. In gewisser Weise selbst so etwas Geschmacksache. Jeder Mensch hat halt seine Vorlieben.) Die Interpretation und Auswahl von GERADEZU mag dem Blick eines Bibelforschers eher nicht standhalten. Wir erlauben uns in aller Bescheidenheit dennoch eine Sicht, jene der Laien. Mit entspannter Fröhlichkeit und reinem Herzen lesen wir in der Bibel zur Erbauung und legen hier kein Seminarangebot für Schriftgelehrte vor. Nun also Amos das Wort, bevor den die Wut packt und auf uns fällt, weil dieser, wie schon gesagt, ein ungeduldiger und aufbrausender Prophet. (Auszüge aus Amos 6, 1–14 und Amos 5, 21):

Sie liegen auf elfenbeinernen Betten und strecken sich auf ihren Ruhelagern aus und verzehren Fettschafe von der Herde weg und Kälber frisch aus dem Maststall. Sie phantasieren auf der Harfe und erfinden Musikinstrumente. Sie trinken Wein aus Schalen und salben sich mit den besten Ölen; aber um den Schaden kümmern sie sich nicht! Darum sollen sie nun an der Spitze der Weggeführten in die Gefangenschaft wandern, und das Jauchzen der Schlemmer wird verstummen. Der Herr verabscheut den Hochmut. Ich verabscheue den Hochmut und hasse seine Paläste. Können Rosse auf Felsen rennen, oder kann man mit Rindern darauf pflügen, dass ihr das Recht in Gift verwandelt habt und die Frucht der Gerechtigkeit in Wermut, und dass ihr euch über Nichtiges freut und sagt: »Haben wir nicht mit eigener Kraft uns Macht verschafft?« Doch siehe, ich erwecke ein Volk gegen euch, das euch bedrängen wird. Ich hasse, ich verachte eure Feste und mag eure Festversammlungen nicht riechen!

Als hörte man Gottes Donnergrollen. Propheten verkünden schließlich sein Wort. So könnte es jedenfalls klingen, das himmlische Strafgericht über die elitären Verderber von Erde und Leben. Es wird nicht kommen, klingt allerdings – wer wollte dies bestreiten – wahrlich biblisch und prägt sich ein. Eine bessere Predigt an hohen Feiertagen lässt sich schwerlich finden. Mehr ist hier nicht zu sagen. Eines noch:

Frohe Ostern

*Titelbild: Maicon Fonseca Zanco auf Pixabay

 

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