Leben

Ballade vom angenehmen Leben

Die Sonnenblumen des früheren Aufbruchs sind auf den Feldern von Realpolitik und Opportunismus längst verdorrt. Einst „Die Grünen“, dann „Bündnis 90/Die Grünen“, darüber auch Regierungspartei und aktive Mitmacher bei Schröders Agenda. Auf dem Weg irgendwann noch „FDP mit Sonnenblume“. Dieses vorübergehend etwas kaschierend, schleppte man sich in eine erneute Regierungsbeteiligung, darin nur noch eine Art Erfüllungsgehilfe der FDP und nach wenigen Tagen verderbter als die Liberalen in ihrer neoliberalen Hochform. Es war kein FDPler, der teurere Lebensmittel forderte, den Leuten die Leviten las, endlich mehr Geld für Lebensmittel auszugeben. „Die Menschen sollten ihre Lebensmittel so wertschätzen wie ihre Autos.“ Dass es Menschen gibt, die weder ein Auto haben noch gute Ernährung kennen, was in beiden Fällen oftmals mit fehlenden finanziellen Mitteln zu tun, steht bei dieser Meinungsäußerung offensichtlich nicht auf dem Zettel. Geäußert hat diese Sicht der neue Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, Freund schwäbischer Autobauer, Möchtegernweltstaatsmann und Außenminister im Wartestand. Einer, der nach eigenem Bekunden die Bauern und Tiere gleichermaßen mag. Deren Wohl er bei seiner angeregten Preissteigerung im Auge hat. Gegen Tier- und Bauernwohl ist wahrlich nichts einzuwenden. Nur ist es im Falle Özdemir nur vorgeschoben. Übrig bleiben werden Preissteigerungen, die bei der Unterschicht einschlagen. Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft ist Mitglied der Grünen und zeigte greifbar auf, wie weit diese Partei längst eine elitäre Oberschicht vertritt und wie weit sie vom sozialen Unterbau der Gesellschaft entfernt. Özdemir redet nicht wie ein Bundesminister, der für alle Bürger des Landes Politik machen sollte, sondern wie ein abgehobener Wohlstandsschnösel, der ausschließlich das Universum seiner eigenen Welt abdeckt. Wenn Leute mit einem sehr hohen Einkommen wie Özdemir, die für Lebensmittel im Monat problemlos Tausende Euro ausgeben könnten, über Lebensmittelpreise reden, die ihnen zu billig, ist die Heuchelei allgegenwärtig.

Heitere Aussichten. Vorfreude auf höhere Lebensmittelpreise. (Foto: Frantisek Krejci auf Pixabay)

In Deutschland werden offiziell ca. 13 Millionen Menschen als arm eingestuft. (Auch dank einer von den Grünen betriebenen neoliberalen Agendapolitik.) Millionen Menschen können weder in den Biomarkt, noch können sie für die Fließbandware aus dem Supermarkt mehr bezahlen, damit diese angeblich gesünder daherkommt und sie endlich weniger dick werden. Wenn die oben vom Leben unten keine Ahnung haben, aber schulmeisterlich darüber reden, ist man schnell angewidert. Dreht man sich ab, steht schon die nächste Grüne in der Tür. Renate Künast, auch in den politischen Verdienstregionen eines Cem Özdemir unterwegs, musste ihren Senf dazugeben und Özdemir assistieren. „Natürlich. Preise müssen die Wahrheit sprechen. Und Lebensmittel gesund sein für Verbraucher und Natur. Was denn sonst? So wollen wir die Agrarpolitik der EU umbauen und auf den sozialen Punkt achten. Übrigens: Fehlernährung trifft auch die Ärmsten besonders.“ So twitterte sie ins Universum. Klingt auf den ersten Ton gut. Aber nur einen Moment. Es offenbart sich hinter der Ausblendung der fehlenden Finanzmittel ärmerer Menschen für bessere und gesündere Lebensmittel der blanke Zynismus. Wenn die Ärmsten sich nicht mehr ernähren können, fressen sie wenigstens nicht falsch. So die Endkonsequenz aus solcher Art vorgeblicher Weltverbesserung. Frau Künast, dies sei hier noch gesagt, steht eine Ministerpension zu. Sie war einmal, was Özdemir heute. Eine Landwirtschaftsministerin. Außerdem sitzt sie weiterhin im Bundestag, obwohl sie ihren Wahlkreis nicht gewinnen konnte, was weiter Diäten bedeutet. Teure Lebensmittel gehören nicht zu ihren Sorgenfalten. Sie ist also für den Erwerb gesunder und teurer Lebensmittel im Portemonnaie bestens gerüstet. Es sei ihr und auch Özdemir gegönnt. Wer allerdings jederzeit die Möglichkeit hat, Wein zu saufen, der sollte wenigstens nicht über das Wasser kleiner Leute reden.

Grüne und Gummistiefel: nur noch Designerassessor. (Foto: Hans Braxmeier auf Pixabay)

Wie die Grünen immer mehr zur Wohlstandspartei werden und sich um den Rest der Gesellschaft einen feuchten Kehricht scheren, ist in seiner Unverfrorenheit schon fast bewundernswert. Als kleiner und etwas depperter Bruder der FDP tragen sie deren Sachen fleißig auf und freuen sich, so ihnen der Große mal über den Kopf streicht. Der Özdemir-Politikansatz höherer Lebensmittelpreise wird jedenfalls für Millionen Menschen die Lage verschärfen und für viele Kinder in Armutsverhältnissen eine weitere Katastrophe. Neben fehlender Bildung knurrt dann eben auch noch der Magen. Was kratzt es diese Grünen, die längst in anderen Sphären und für sich Politik betreiben. Wenn darbende Kinder zu traurig und sich deswegen das grüne Bild verdunkelt, können vielleicht Bertolt Brecht und Kurt Weil helfen. Dreigroschenoper. Die Ballade vom angenehmen Leben: „Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm!“

*Titelbild: Herbert Bieser auf Pixabay

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