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Besser mit Pferd

In einem Beitrag, den Zug- und Frontreisenden Friedrich Merz wegen seines Besuches in der Ukraine als großen Staatsmann erheben, ihn wegen dieser Reise als leuchtendes Vorbild für Scholz aufbauen, dann noch en passant von einem Merz-PR-Coup sprechen. Alle Achtung! So etwas bringt wohl nur jemand fertig, der Teil eines schreibenden Hauptstadtbüros. Und was dabei noch für Geistesblitze leuchten! („Merz in Kiew: Was zieht den CDU-Chef an die Front?“) Mittlerweile gilt als großer Politiker in unserem Land ausschließlich, wer in der Ukraine war oder wer sich dort hinschreiben lässt. Jetzt aber dalli! Wer nicht abreist, ist eben Putinversteher, Putinfreund oder vaterlandsloser Geselle, Antieuropäer und überhaupt. Friedrich Merz persönlich und die ihm folgenden Merz-Schreiber berichteten wie von einem durch die Tourismusbrille betrachteten Heldenepos. (Merz Tweet aus dem Zug bei Anreise lautete wie folgt: „Eine Nacht im Schlafwagen auf dem Weg nach #Kyiw – wir haben eine interessante Reise vor uns und bis jetzt kann ich nur sagen: Alles sicher, alles gut und die ukrainischen Behörden sind äußerst kooperativ. Es ist schön, in diesem Land zu sein.“) Man erstarrt vor Ehrfurcht und denkt an Achilles vor Troja, Gordon in Khartum oder Lawrence bei Akaba. Weil Friedrich Merz ein guter und typischer Deutscher, neuerdings wegen eben dieser Zugfahrt Richtung Ukraine frisch gekürter bedeutender Staatsmann, sollte auch ein deutscher Landsmann als leuchtendes Vorbild genannt werden. Vielleicht Moltke bei Sedan oder gar Bismarck? Egal. Waren ja beide vor Ort. Den britischen Premier Boris Johnson nicht zu vergessen. Der war nicht bei Sedan, aber in Kiew. Dieser große Lügner der britischen Politik und ausgewiesene Kämpfer gegen die EU lieferte mit seinem sicheren Gefühl für Bilder und Populismus das Muster für alle nachfolgenden Besuchsreisen.

Besuchervorbild. Seit Boris Johnson durch Kiew spazierte, gilt er als großer Europäer (!) und gibt den Staatsmann in Churchills Schuhen. (Screenshot: AFP News)

Man wird bei den diversen Frontbesuchsbildern sogar wieder an Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg erinnert. Der war seines Zeichens einst Verteidigungsminister unseres Landes und hinterließ nach schändlichem Abgang der staunenden Nachwelt Mut machende Fotos von sich selbst in Bundeswehrmaschinen, die mit der Truppe Richtung Afghanistan abflogen. Ein wahrer Feldherr! An diese Bilder denkend und Merz oder Johnson sehend, kommt einem sofort der Kabarettist Georg Schramm in den Sinn. Dieser stand in der Rolle des Oberstleutnant Sanftleben vor einem jener Guttenberg-Fotos und sprach zum deutschen TV-Publikum: „Landsleute, so etwas hat man früher gemalt. Der Oberbefehlshaber auf dem Weg zur Front hießen früher solche Bilder. Fehlt eigentlich nur noch ein Pferd.“ Da haben wir den Makel in Sachen der Front-PR. Mit Pferd wäre natürlich jeder Ukrainebesuch noch wesentlich spektakulärer, an die sich daraus ergebenden Bilder nicht zu denken. (Damit könnte Olaf Scholz sich umgehend in die erste Reihe torpedieren.) Aktuell stehen Politiker des Westens meistens zwischen zwei Boxern, sitzen aber nicht auf Pferden. Pferde müssen her. Was wären schließlich Bonaparte beim Überschreiten der Alpen ohne Gaul oder Alexander der Große ohne Pferd vor indischen Kriegselefanten? Oder El Cid! Vor dem hatten die Araber noch Angst, als man ihn tot aufs Pferd gebunden. Nicht zu vergessen Prinz Eugen, wie ihn Jacob van Schuppen in Öl festhielt. Über ihm himmlische Heerscharen, er auf dem Schimmel, unter dessen Hufen der Feind. Also bitte lasst die Pferde los.

Der Aufwand in Sachen Bilder mit der Zierde Pferd lohnt allemal. Weil sich aktuell der Papst in Rom nun öffentlich für Diplomatie ausgesprochen hat, sogar die NATO in Mitverantwortung für den Konflikt nahm und außerdem mit Putin reden will, wird sich der Vatikan als begehrter Besuchsort wohl erst einmal erledigen. Wer will sich schon von einem alten Mann etwas über Frieden erzählen lassen? Die politische Pilgerreise nach Rom nebst Papstaudienz war einst Pflicht katholischer CDU Granden, besonders von deren Parteivorsitzenden. Künftig also nicht mehr mit dem Flieger nach Rom, sondern mit der Bahn nach Kiew. Waggons zum Mitführen von Pferden werden sich finden lassen, falls Bedarf. In Kiew wartet dann zwar kein Heiliger Vater, aber immerhin der höchst verehrte Mensch unserer Zeit, der ukrainische Präsident Volodymyr Zelensky. Ein Bild mit ihm schlägt selbst Fotos aus der Sixtinischen Kapelle um Längen. Mit diesem künftigen Friedensnobelpreisträger eine Parade zu Pferde abnehmen! Wer könnte da widerstehen?

*Titelbild: Gemälde (Ausschnitt) ‚Bonaparte beim Überschreiten der Alpen am Großen Sankt Bernhard‘ von Jacques Louis David.

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